Zwangsernährung
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Zwangsernährung
Zwangsernährung wird dann nötig, wenn der Degu nicht mehr freiwillig essen kann oder will. Unter dem Begriff versteht man die gezielte Fütterung des Tieres via Einwegspritze ohne Nadel mit Brei, der sich leichter als herkömmliches Futter kauen und schlucken lässt und aus verschiedenen Substanzen bestehen kann.
Mögliche Ursachen für Nahrungsverweigerung
Traumata:
- Bei einem Trauma sind körperliche Verletzungen oft nur nur im sehr geringen Maße vorhanden. Das Tier steht unter Schock. Dieser Zustand tritt häufig nach etwas stärker ausgefallenen Rangkämpfen auf. Als Erste-Hilfe-Maßnahme kann man hier Rescue Remedy Bachblüten geben, aber auch die Verabreichung eines Schmerzmittels (z.B. Metacam®, Wirkstoff: Meloxicam, jedoch nur nach Absprache mit dem Tierarzt) führt oft zu einer spontanen Muskelentspannung.
Schmerzen:
- Degus haben eine unterschiedliche Schmerztoleranzschwelle. Die einen können noch unter starken Schmerzen fressen, die anderen stört schon eine Kleinigkeit wie z.B. eine Aphthe[1] (http://de.wikipedia.org/wiki/Aphthe) so gewaltig, dass sie das Fressen einstellen. Auch hier empfiehlt sich nach Absprache mit dem Tierarzt die Gabe eines Schmerzmittels zur ersten Symptombekämpfung.
Postoperative Inappetenz:
- Manchmal kommt es vor, dass ein Degu nach einer Operation nicht mehr freiwillig anfängt zu fressen. Eine mögliche Ursache ist ein Stillstand oder eine zumindest stark eingeschränkte Tätigkeit der Darmperistaltik aufgrund von Nahrungsmangel durch „Fasten“ vor der OP. Nager und Hasenartige können nicht erbrechen, aus dem Grund brauchen, ja dürfen, die Tiere nicht „nüchtern“ in Narkose gelegt werden. Oft spielen auch eventuelle psychische Traumata eine Rolle, denn eine Operation ist für jedes Lebewesen ein im wahrsten Sinne des Wortes einschneidendes Erlebnis. Manchmal helfen in diesem Fall schon appetitanregende Mittel wie die Gabe von Bird Bene Bac® oder auch eines homöopathischen Coffea-Präparates. Auch Depotspritzen (Tierarzt) können mitunter appetitanregend wirken.
Krankheiten / Infektionen
- Wie beim Menschen auch führt eine Erkrankung (ausgelöst z.B. durch Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilzinfektionen) oft zu Appetitlosigkeit. Weil bei Degus und anderen Nagern die Verdauung nur funktionieren kann, wenn ständig neue Nahrung nachkommt, wird ein solcher Zustand schnell lebensbedrohlich. So kleine Tiere trocknen außerdem schnell aus. Hier kann und sollte, wenn der Zustand länger als einen Tag anhält, dünnflüssiger Brei eingegeben werden, um ausreichend Flüssigkeit zuzuführen und die Verdauung in Gang zu halten. Mit dem Brei können außerdem die vom Tierarzt verschriebenen Medikamente verabreicht werden.
Geeignete Breimischungen
Die Zwangsnahrung muss für einen gewissen Zeitraum die gewöhnliche (rohfaserhaltige) Kost der Degus kompensieren. Aus diesem Grund wäre es falsch, beispielsweise nur Babynahrung zu verfüttern, die für gewöhnlich auf den menschlichen Verdauungstrakt zugeschnitten ist, nicht aber auf den eines Nagetiers. Karottenbrei sollte daher höchstens in geringen Maßen untergemischt werden. Es ist wichtig, das Tier auch in der Zeit der Zwangsernährung möglichst mit den gleichen Nährstoffen zu versorgen wie sonst auch.
Konkret bedeutet das:
- Hoher Anteil verdaulicher Rohfaser und
- wenig Zucker
Was genau kommt hierfür nun infrage?
Critical Care™
- Critical Care™ ist ein Pulver von der Firma Oxbow Pet Products. Es kam ungefähr Mitte/Ende 2003 auf den deutschen Markt und ist laut Herstellerangaben besonders auf die Bedürfnisse pflanzenfressender Heimtiere zugeschnitten. Critical Care™ enthält einen hohen Anteil an rohfaserhaltigem Grasmehl, weitere Zusatzsstoffe sind gemahlene Getreideprodukte, Hefen, Mineralöl und (genetisch veränderte) Sojaprodukte. Speziell für rekonvaleszierende Meerschweinchen ist auch Vitamin C beigefügt. Des weiteren verfügt es über einen recht angenehmen Anisgeruch, den die Degus in der Regel sehr appetitlich finden. Mit heißem Wasser wird es zu einem Brei angerührt, der je nach Konsistenz auf einem Tellerchen als Zusatznahrung beispielsweise für alte Tiere verabreicht werden kann – im flüssigen Zustand lässt es sich leicht durch eine Spritze direkt ins Maul geben. Reste können bis zu 24 Stunden im Kühlschrank aufbewahrt werden.
Die Vorteile von Critical Care™ sind die einfache Handhabung, die hohe Akzeptanz dieses Futters und die Ergiebigkeit.
Als definitiven Nachteil kann man die Verwendung von gentechnisch veränderten Sojaprodukten ansehen – sowie der relativ hohe Preis (ca 11 Euro für 141 g).
Selbstgemischter Brei:
- Aus „Heubröseln“, die man oft am Boden eines Heusacks findet, gemahlenen Haselnüssen und/oder Sonnenblumenkernen, nach Belieben ein bisschen Babykarottenbrei mit Wasser anrühren. Man kann auch ein wenig Apfelmus untermischen, allerdings sollte man dann darauf achten, dass das Ganze nicht allzu süß wird. Auch ein kleiner Klacks Bird Bene Bac® kann untergemischt werden. Bird Bene Bac® ist ein Produkt der Firma Pet Ag, in Deutschland vertrieben durch die Firma Albrecht. Laut Herstellerangaben ist es ein spezielles Gel aus lebenden, gefriergetrockneten Bakterienkulturen, die im gesunden Dickdarm vorkommen. Dies wären z.B. verschiedene Lactobazillus-Stämme sowie der Streptococcus faecium.
Auch gepresste Haferflocken haben sich als Beimischung hilfreich erwiesen, da sie die nötigen Kohlenhydrate liefern, die ein geschwächter Degu durchaus gut gebrauchen kann. Darüber hinaus wirken Haferflocken besonders im geflockten Zustand „stopfend“, eine Eigenschaft, die besonders bei weichem Kot hilfreich ist.
Sowohl Bird Bene Bac® als auch Critical Care™ bekommt man direkt beim Tierarzt sowie in diversen Onlineshops für frei verkäufliche Tierarzneimittel. Preislich kommt man jedoch meist günstiger weg, wenn man die Produkte direkt beim Tierarzt kauft.
Häufigkeit der Zwangsernährung und Fütterungstechniken
Je nach körperlicher Verfassung des Tieres kann es notwendig werden, dem Tier über den Tag verteilt häufiger Nahrung in kleinen Mengen anzubieten. Wenn es dem Degu schmeckt, wird es mit der Verabreichung des Futters keine größeren Probleme geben (meist fressen sie den Brei freiwillig), wenn das Tier jedoch stark geschwächt ist oder Schmerzen hat, muss der Brei direkt in das Maul eingegeben werden.
Hierzu gibt es verschiedene Techniken:
Einige Deguhalter wickeln das Tier dazu bis auf den Kopf komplett in ein Handtuch ein, fixieren ihn gut und geben dann die Spritze in den Mundwinkel.
Ich halte meine Tiere immer halb seitlich an die Brust, fixiere mit einer Hand Körper und Kopf, ziehe mit dem Daumen den Mundwinkel ein bisschen nach unten, so dass ich die Spritze besser hineinbekomme. Mit der anderen Hand gebe ich dann die Spritze vorsichtig direkt in den Mundwinkel und drücke vorsichtig darauf, so dass das Tier immer kleine Mengen Nahrung in den Mund bekommt. Ich wickle meine Tiere nicht in Handtücher, weil sie darauf erst recht panisch reagieren. Aber da jedes Tier anders ist, sollte jeder Deguhalter ausprobieren, welche Fütterungstechnik für ihn die bessere ist.
Wichtig ist:
- Spritze wählen, die groß genug ist, jedoch nicht ZU groß. Am besten sind meiner Erfahrung nach 10 ml Spritzen
- Kleine Mengen vorsichtig eingeben, warten, bis das Tier gekaut bzw. geschluckt hat. Wenn das Futter mit zu großen Druck verabreicht wird, kann etwas in die Luftröhre geraten und das Tier kann schlimmstenfalls daran ersticken
- Brei am besten immer frisch zubereiten, vor allem Selbstmischungen, die gemahlene Nüsse oder Sonnenblumenkerne enthalten! Das Critical Care™ in seiner reinen Form kann man jedoch problemlos 24 Stunden im Kühlschrank aufbewahren