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Zahnabrieb

 
   Degupedia-Forum » Hasentiere (Lagomorpha) » Zahnabrieb Alle Zeiten sind GMT + 2 Stunden
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Murx Pickwick
Quoten-Kobold


Anmeldungsdatum: 23.07.2005
Beiträge: 4622
Wohnort: Runkel

BeitragVerfasst am: 30.03.2009 21:29    Titel: Zahnabrieb Antworten mit Zitat

*Moderatoredit: Herausgelöster Post aus diesem Thread*

Es hat nix mit der Härte zu tun und auch der Fasergehalt hat nur indirekt damit zu tun ...

Cellulose bildet Moleküle, welche in Verbindung mit Wasser gegeneinander verschiebbar sind. Sitzen dazwischen scharfe Kieselsäuremoleküle, kratzen die regelrecht die Backenzähne beim Kauen weg. Je höher der Kieselsäuregehalt der Pflanze, desto mehr werden die Zähne beim Kauen geschliffen.
Sitzt keine Kieselsäure zwischen der Cellulose, kann auch nix geschliffen werden. Der eigentliche Grund, weshalb Kohlrabiknolle erst dann anfängt, die Zähne abzureiben, wenn er holzig wird. Vorher hat Kohlrabi soviel Cellulosefasern wie ein durchschnittliches Weidegras vor der Blüte, aber keine Kieselsäure und kein Lignin. Beim Verholzen wird Lignin gebildet und Cellulose abgebaut. Der Rohfasergehalt der Knolle bleibt gleich, selbst der Gesamtfasergehalt bleibt gleich, trotzdem kratzt eine verholzte Kohlrabiknolle die Zähne beim Kauen an, eine nicht verholzte Kohlrabiknolle dagegen nicht.

Ohne Wasser werden die Cellulosemoleküle spröde und brechen sehr schnell. Auch so haben sie kaum Reibewirkung. Einzig Kieselsäuremoleküle, Pektine und Lignine schaffen es, dem getrockneten Gras eine gewisse Stabilität zu verleihen und das Zerkrümeln der Grashalme trotz Trocknens und Verdauens durch Bakterien weitgehend zu verhindern. Nicht verholzte Pflanzenteile, wie beispielsweise Kleeblätter, zerbröseln sehr viel schneller bis zur Unkenntlichkeit wie getrocknete Grashalme, trotzdem der Cellulosegehalt selbst identisch ist.

Hat man Pflanzen, welche nicht verholzen, jedoch übermäßig viel Kieselsäure enthalten, hat man eine Pflanze wie beispielsweise Ackerschachtelhalm, der durchaus schnell bricht, allerdings trotzdem beim Kauen die Zähne übermäßig abschleift.

Fast reines Lignin, wie man es wiederum in Rinde und Holz hat, greift selbst die harten Nagezähne von Biber und Degu an und bricht da regelrecht mit bloßem Auge sichtbare Riefen und Scharten in die Zähne - ich vermute hier den Grund für die sehr ungleichmäßig abgenutzten Zähne meiner Kaninchen - die sind einfach mit ihren relativ weichen Zähnen an eine solche Belastung nicht angepaßt. Die Meerschweinchen mit den nagetiertypischen harten Zähnen haben dagegen weder mit kieselsäurereichen Borstengras, noch mit wenig schleifenden Wirtschaftsheu wirklich Schwierigkeiten. Selbst Holz reißt lange nicht solch große Scharten in die Schneidezähne. Die besondere Härte und Widerstandskraft dieser Zähne kommt durch eine besondere Faltung der Zahnoberfläche von weichem Zahnzement und hartem Zahnschmelz zustande, welche bei den Kaninchen lange nicht so perfekt aufgebaut ist. Auch die Schneidezähne sind feiner abgestimmt, so daß der Übergang zwischem weichen Zahnzement und hartem Zahnschmelz nicht so abrupt ist, wie bei Kaninchen.

Wenn du nun dir anschaust, was du im Winter fütterst und aus was im Sommer das Futter besteht, findest du auch schnell den Grund für die leichten Zahnspitzen - die Zähne werden grob durch die verholzten Teile des Heues und auch diverser verholzter Gemüseteile (Kohlrabischale, Kohlstrünke, Apfelgriebsche und vieles mehr) angekratzt, statt von Kieselsäure fein geschliffen zu werden - ähnlich, wie eine grobe Feile Holz eher aufrauht und feines Sandpapier in der Lage ist, eine extrem glatte Holzoberfläche zu schmirgeln, hast du es einfach auch mit dem Winterfutter und dem Sommerfutter ...

Wenn du die Zähne auch im Winter bei Kaninchen zahnspitzenfrei halten wolltest, dürftest du nur Gemüseblätter und Kräuter verfüttern und müßtest auf ein mittelmäßig kieselsäurehaltiges, weiches Heu achten ... nur so führen Kratzer durch Lignin nicht zu Riefen in den Zähnen, was ja letztendlich nix weiter wie leicht ausgeprägte Zahnspitzen sind.
Es ist jedoch unerheblich mit den Zahnspitzen - die schleifen sich, bevor sie gefährlich werden, ganz von alleine ab beim Kauen. Anders wie bei einer Fütterung mit für Kaninchen ungeeigneten Industriefutters - dieses führt über die Zerstörung der Darmschleimhaut mit den dortigen Stofftransportersystemen zu einer unausgeglichenen Nährstoffaufnahme - was wiederum den Aufbau der Zähne stark beeinflußt - der Zahnschmelz wird nicht mehr korrekt aufgebaut, wird spröde und bricht beim Kauen, Karies tut ein übriges, sowohl den Zahnschmelz als auch das Dentin zu zerstören, es reicht schon das Kauen aus, um die Beißflächen so unregelmäßig werden zu lassen, daß sie nicht mehr korrekt aufeinanderpassen. Gerade bei Kaninchen mit ihrer seitwärtskauenden Weise kommt noch ein Umstand hinzu, die Lockerung der Zähne im Zahnbett durch ein entstehendes Mißverhältnis von Calcium und Phosphor. Die Zähne verkanten sich, werden beim Kauen seitwärts nach innen und außen geschoben und Zahnspitzen entstehen.
Bei Nagern mit ihrer Vorwärts-Rückwärts-Kauweise sehen die Zahnspitzen deshalb auch ganz anders aus, hier ist es eher, daß durch abplatzende Backenzahnränder leicht der Unterkiefer zum Oberkiefer verschoben wird und es so erst zur gefürchteten Brückenbildung mit den überaus scharfen Rändern dort, wo eben die Backenzähne nicht mehr korrekt aufeinanderpassen, führen. Die nach innen gerichteten Backenzähne vieler Nager mit wurzeloffenen Zähnen (sind nur vergleichsweise wenige, Ratten z. B. kennen das Problem überhaupt nicht) unterstützt die Brückenbildung noch zusätzlich.

Es gibt zwar auch eine erbliche Variante von Zähnen, die in die falsche Richtung wachsen, also in den Kiefer, statt in den Mundraum, die meisten Zahnanomalien in diesem Bereich dagegen dürften wiederum durch die gleichen Kieferveränderungen durch Fehlernährung zustandekommen, sowohl beim Kaninchen, als auch beim Meerschweinchen ... die Zähne fangen nur deshalb an, in die falsche Richtung zu wachsen, weil der Kiefer schlichtweg zu weich wird und im wurzeloffenen Bereich angelöst werden kann. Hat dieser Prozeß einmal angefangen, ist er nicht mehr rückgängig zu machen ...
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Marx ist die Theorie
Murx ist die Praxis!

Ich habe es endlich amtlich (Mitgliedsausweis der Piratenpartei):
"Der Besitzer dieses Dokumentes ist berechtigt, sich seines Verstandes zu bedienen, Informationen zu produzieren, replizieren und konsumieren, sich frei und ohne Kontrolle zu entfalten in Privatsphäre und Öffentlichkeit.

Behinderung dieser Rechte wird geahndet durch die Piratenpartei Deutschland"


Zuletzt bearbeitet von Murx Pickwick am 03.06.2009 08:02, insgesamt einmal bearbeitet
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Frische
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 07.01.2009
Beiträge: 29

BeitragVerfasst am: 30.03.2009 22:03    Titel: Re: Ad libitum Fütterung von Gemüse und Co. - Beobachtungen Antworten mit Zitat

In einem Meerschwein-Forum wurde mal von einer Biologin geschrieben, es sei eigentlich der mit dem Gras bzw. Heu aufgenommene Sand, der die Zähne abschmirgele.

Daß in ihrem Meerschwein-Bestand noch nie Backenzahnprobleme aufgetreten waren, führte sie auf den in ihrem ländlichen Umfeld vorkommenden Sand zurück, dessen Beschaffenheit zufällig ideal für den Zahnabrieb war. Sie bezog wohl Heu von einem Bauern aus der Gegend.

Ein interessanter Gedanke! Heu ist ja ein bißchen sandig.


Zuletzt bearbeitet von Frische am 30.03.2009 22:39, insgesamt einmal bearbeitet
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Murx Pickwick
Quoten-Kobold


Anmeldungsdatum: 23.07.2005
Beiträge: 4622
Wohnort: Runkel

BeitragVerfasst am: 30.03.2009 22:35    Titel: Re: Ad libitum Fütterung von Gemüse und Co. - Beobachtungen Antworten mit Zitat

Sand ist auch ein sehr gutes Schmirgelpapier ... allerdings funktioniert es auch mit gewaschenen Kräutern, gewaschenem Holz und entsandetem Heu ... oder lehmigen Heu, wie es hier vorkommt.
Nun schmirgelt Tonerde nicht ... und es funktioniert trotzdem, ganz ohne Sand.

Dafür hast du auch in sandigen Gegenden wie Berlin bei Kaninchen bei der Gabe "harten", also strohigerem, Heu vom Bauern im Winter eher diese leichten Zahnspitzen wie bei "weichem", also weniger verholztem Heu vom Bauern ... der Sand scheint also ausnahmsweise keine große Wirkung zu haben, die ausschlaggebende Wirkung ist da eher das Lignin.
Bei Wüstenvölkern und Halbwüstenvölkern dagegen ist das Sandproblem ein echtes Problem - die schmirgeln sich allesamt mit sandigem Brot und sandigem Fladen die Zähne runter, so daß sie mit 40 bestenfalls noch mit dem Zahnfleisch beißen ... Very Happy
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Earth
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 24.11.2008
Beiträge: 39

BeitragVerfasst am: 31.03.2009 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Sehr interessant,
danke, für die Antwort!


Das versteh allerdings ich nicht ganz:


Zitat:
Cellulose bildet Moleküle, welche in Verbindung mit Wasser gegeneinander verschiebbar sind.



Welche Moleküle? Und irgendwie versteh ich den Zusammenhang jetzt nicht genau mit dem Abrieb.
Also zwischen diesen Molekülen befinden sich je nach Pflanzenart und Alter Kieselsäuremoleküle (ist das Verschieben dieser einen Moleküle wichtig?), die eben die Zähne abschleifen. Sind dabei die anderen Moleküle auch wichtig oder hast du sie nur erwähnt damit man (ich Very Happy ) mir vorstellen kann, wo sich ungefähr die Kieselsäure befindet?


Zitat:
Sitzt keine Kieselsäure zwischen der Cellulose, kann auch nix geschliffen werden. Der eigentliche Grund, weshalb Kohlrabiknolle erst dann anfängt, die Zähne abzureiben, wenn er holzig wird.



Ich kenn mich mit Kieselsäure jetzt nicht besonders aus, aber ist es nicht so, dass Pflanzen, die nicht verholzt sind, aber trotzdem längere, "aufrechte" Stängel/ Blätter haben diese sozusagen durch die Kieselsäure aufrecht halten/ stützen. Wenn es dann verholzt ist, ist es das Lignin?
Denn so würden die Zähne ja auch so (also ohne, dass es verholzt ist) abgerieben werden...
Oder hab ich da was Falsches im Kopf?
Und wir haben im GArten so Büschel ziemlich "hartem" Gras. Kommt diese Härte von einem hohen Gehalt an Kieselsäure?


Zitat:
Ohne Wasser werden die Cellulosemoleküle spröde und brechen sehr schnell. Auch so haben sie kaum Reibewirkung. Einzig Kieselsäuremoleküle, Pektine und Lignine schaffen es, dem getrockneten Gras eine gewisse Stabilität zu verleihen und das Zerkrümeln der Grashalme trotz Trocknens und Verdauens durch Bakterien weitgehend zu verhindern.



Cellulose hat in Verbindung mit Wasser aber auch nur die Reibewirkung, wenn sich Kieselsäure zwischen den einen Molekülen befindet, oder (hab ich das oben falsch verstanden)?



Die Zähne nutzen sich aber doch auch gegenseitig ab, oder?
Meine Aussage oben, mit dem "faserreichem" Gemüse und so, war nämlich eher darauf bezogen.
Ich selber (ob man das mit Kaninchen vergleichen kann, müsst ich mich noch fragen Confused ) muss nämlich an einem Stück Fenchel (vorallem an der äußeren Teilen etc.), Mangold, strohigem Heu (ja, ich hab mal probiert Wink usw. länger kauen, als an einem Stück Karotte, weil eben die Fasern besser gekaut werden müssen. Wenn das bei den Kaninchen auch so ist (davon bin ich ausgegangen Augenrollen ), und die Zähne sich gegenseitig abreiben, müssten sie so (besser) abgerieben werden...
(Ich hoffe mein Gedankengang war nicht eine reinste Katastrophe Very Happy , ich muss echt mal mit solchen Grundlagen anfangen und viiiieeeell lesen und lernen...)




Zitat:
Wenn du die Zähne auch im Winter bei Kaninchen zahnspitzenfrei halten wolltest, dürftest du nur Gemüseblätter und Kräuter verfüttern und müßtest auf ein mittelmäßig kieselsäurehaltiges, weiches Heu achten ... nur so führen Kratzer durch Lignin nicht zu Riefen in den Zähnen, was ja letztendlich nix weiter wie leicht ausgeprägte Zahnspitzen sind.



Die Zahnspitzen (solange sie nicht stören und mit Wiese wieder verschwinden für mich nicht schlimm) können also auch solche Rillen vom Lignin sein? In letzter Zeit haben die Vier nämlich sehr viele Äste bekommen (schneide gerade die Obstbäume-> massenhaft Äste) und immer ordentlich die Rinde abgenagt. Davon könnte das dann wohl kommen...


Lg Stephanie


EDIT:
Zitat:
Bei Wüstenvölkern und Halbwüstenvölkern dagegen ist das Sandproblem ein echtes Problem - die schmirgeln sich allesamt mit sandigem Brot und sandigem Fladen die Zähne runter, so daß sie mit 40 bestenfalls noch mit dem Zahnfleisch beißen ...



Vielleicht haben diese Völker dann in ein paar hundert Jahren auch nachwachsende Zähne Laughing Wink
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Murx Pickwick
Quoten-Kobold


Anmeldungsdatum: 23.07.2005
Beiträge: 4622
Wohnort: Runkel

BeitragVerfasst am: 31.03.2009 19:40    Titel: Re: Ad libitum Fütterung von Gemüse und Co. - Beobachtungen Antworten mit Zitat

Ich seh schon, hab mich ungenau und unverständlich ausgedrückt ... :/
Gut, ich probiers nochmal - gehört immerhin nicht zu meinem auswendiggelernten Repertoire ...

Beim Kauen reiben die Backenzähne immer aufeinander. Das gibt immer einen gewissen Abrieb ... der ist allerdings nie so stark, daß die Backenzähne sich tatsächlich merklich abreiben würden - ansonsten würden uns die Zähne im Alter nicht ausfallen, sondern jeder, der Mahlzähne mit Wurzeln hat und benutzt, müßte irgendwann bis aufs Zahnfleisch abrasierte Zähne haben ... ist nicht der Fall, der Abrieb ist also nicht ausschlaggebend, daß sich überhaupt ständig nachwachsende Zähne haben bilden können.

Cellulose sind sehr langkettige Moleküle. Ohne Wasser brechen die recht schnell, eben aufgrund ihrer Länge. Mit Wasser jedoch verschieben sie sich nur gegeneinander, sie bilden dadurch ein sehr stabiles und sehr biegsames, festes Material. Es ist das Hauptstützmaterial für Pflanzenzellen. Cellulose ist dafür verantwortlich, daß Tomaten schön knackig, Kohlrabiknolle sehr fest und Grashalme sehr biegsam sind. Sobald das Wasser fehlt, wird das Material hart und spröde - man denke hier an Herbstlaub, biegsam, solange es in der Pfütze liegt, bricht leicht, sobald es in der Sonne vor sich hintrocknet.
Eben weil Cellulose langkettige Moleküle sind, welche sich mit Wasser zusammen gegeneinander verschieben, läßt sich Cellulose auch nur sehr schwer zerreißen und zermahlen ... geht besser, wenn das Zeug trocken ist ...
Und hier kommt dann wieder der Abrieb während des Kauens zum Tragen - wenn die Cellulosemoleküle zueinander so angeordnet sind, daß sie sich besonders gut gegeneinander in alle Richtungen verschieben, muß das arme Kaninchen auch besonders lange drauf rumbeißen, damit die Cellulose zu einem matschigen Nahrungsbrei wird ... sind die Cellulosemoleküle dagegen kürzer, hat man eher ein Material wie in Tomate oder in Mohrrübe - weich, gut durch Reibung zu zermatschen oder wie in Kohlrabi, wo die Cellulose für die Festigkeit der Knolle verantwortlich ist ... also auch wieder leicht zu zermatschen.
Gras ohne Kieselsäure (gibts das überhaupt? *hüstel*) wird also durch seine langen Cellulosemoleküle, die in alle Richtungen gegeneinander verschiebbar sind, alleine dadurch den Zahnabrieb leicht mehr fördern, wie Erdbeerfrucht, weil das arme Kanickel länger drauf rumkauen muß ...

Bei Heu ist der Effekt ein anderer, hier haben wir es mit einem trockenen Nahrungsmittel zu tun, welches nur deshalb länger gekaut wird, weil es erstmal mit Speichel angefeuchtet werden muß, um zu einem Nahrungsbrei zu werden - Nahrungsstaub kann nicht geschluckt werden. Hier wirkt der gleiche Effekt mit dem Zahnabrieb.

Daß das nicht nur graue Theorie ist, kann man wiederum am Menschen beobachten, er behält lange genug seine Zähne im Mund, als daß der Abrieb über das Kauen beobachtet werden kann. Nach 50 Jahren tapferen Nahrungskauens wird ein Rohköstler deutlich kürzere Backenzähne aufweisen, wie ein Kochköstler, der durch das Kochen seiner Nahrung tatkräftig lange Cellulosemoleküle zerbricht.

Nun bestehen Pflanzen, insbesondere Blätter, Gräser und Kräuter, nicht nur aus Cellulose, sondern speziell Gräser schützen sich zusätzlich gegen Verbiß mit Kieselsäure - einem der besten Schleifmittel, welche die Natur hervorgebracht hat ... für den Menschen heißt das, er sollte sich hüten, Gras als Hauptspeise zu verwenden - er hätte nicht mehr lange seine Zähne zum Kauen, seine Zähne wachsen nämlich nicht nach und Kieselsäure zwischen langen Cellulosemolekülen schmirgelt eindeutig besser wie Sand in Brot.
Kaninchen haben damit weniger Probleme, ihre Zähne wachsen ja nach ... und hier hat man den größten Reibeeffekt, wenn lange Cellulosefasern mit Wasser kombiniert werden mit dazwischenliegenden Kieselsäuremolekülen.
Fehlt das Wasser, wie in Heu, brechen ein Teil der Cellulosemoleküle, die Kieselsäure kann nun teilweise aus dem Kieselsäure-Cellulose-Verbund vom Speichel herausgelöst werden und reibt nicht mehr so stark ... Heu reibt also ein bischen weniger, wie das Gras, aus dem es hergestellt wurde, trotzdem Kaninchen auf Heu länger kauen.
Hoffe, das ist jetzt so halbwegs verständlich erklärt ... ich finds jedenfalls keineswegs einfach ...

Pflanzen wären dumm, wenn sie nicht erkannt hätten, daß Kieselsäure, geschickt zwischen Cellulose und Wasser gebettet, nicht auch längere und härtere Stengel und härtere Blätter bilden könnten (öh, hoffentlich liest das jetzt nicht mein Biolehrer, der gibt mir hier ne Sechs ... ), insofern hat Kieselsäure immer auch eine Stützfunktion in der Pflanze. Das kann halt soweit gehen, daß wir es mit absolut harten, aber nun wieder spröderen, Pflanzen zu tun bekommen, wie es die Schachtelhalme sind - die nutzen primär ihre Kieselsäure als Stützelement und weniger als Fraßschutzstoff. (Der Grund, weshalb man überhaupt die Kieselsäure aus dem Ackerschachtelhalm ins Wasser bekommt, wenn man sich Ackerschachtelhalmtee zubereitet. Aus Gras bekommt man kaum Kieselsäure heraus - aus Brennesselblättern mit gleichem Kieselsäuregehalt wie Gras dagegen wieder schon, die nutzen Ameisensäure als Fraßschutzstoff und Kieselsäure ähnlich wie Ackerschachtelhalm nur zum Härtermachen des Blattes).
Die Härte der meisten harten Gräser kommt also tatsächlich durch den Kieselsäuregehalt zustande - aber nicht jedes harte Grasblatt enthält auch viel Kieselsäure, Mais beispielsweise hat für Gräser sehr wenig Kieselsäure in den Blättern und trotzdem sind die sehr hart.
(Und an dieser Stelle hoffe ich einfach mal, daß das auch so bleibt, wenn ich irgendwann das Geld habe, den Kieselsäuregehalt in Maisblättern und Weidegrasblättern zu messen ... oder wenn das jemand anders für mich getan hat. Das ist einfach nur ne Aussage eines Botanikers, die ich hier verwende ... also nicht unbedingt sichere Quelle)

Cellulose und Kieselsäure sind jedoch noch lange nicht alles, was eine Pflanze so zur Verfügung hat, um ein stabiles Material zum Selbstaufbau herzustellen ... wir haben da noch andere Fasern, allen voran das Lignin und den Klebstoff Pektin. Pektine halten einzelne Strukturen zusammen und binden Wasser, so daß Wasser gut gespeichert werden kann und dort bleibt, wo es ein Gegeneinandergleiten der Cellulosemoleküle ermöglichen soll. Lignin wird zwischen die Cellulosefasern eingelagert und härtet das Material, wobei es die Biegsamkeit eines Cellulosegerüstes beibehält ... nun hat Lignin jedoch für Pflanzen einen gewichtigen Nachteil - diese Pflanzenfaser behindert stark das Wachstum und läßt sich nur sehr schwer wieder abbauen! Lignin wird deshalb nur in altem Gewebe eingelagert, was eh nicht mehr stark wachsen soll.
Steigt der Ligningehalt zu stark an, sterben die Pflanzenzellen, an denen das Lignin gebildet wird, ab - das Material ist tot wie das Kernholz beim Baum. Baumstämme wachsen nur noch dort in die Breite, wo Borke mit der wachstumsaktiven Bastschicht an das Holz anschließt. Sowohl die Borke als auch das Holz dagegen sind tot und wachsen nicht mehr, sie sind zu stark mit Ligninen versetzt.
Lignin bildet auch ohne Wasser ein äußerst hartes und trotzdem flexibles Material, jeder kennt Regalbretter, Dachsparren etc - bis die mal brechen, muß schon ordentlich Kraft aufgewendet werden, das ist einfach ein ganz anderes Kaliber, wie so ein aus Cellulose bestehendes Gras ...
Gräser nutzen Lignin allerdings auch, vor allem der Stengel mit den reifen Samen verholzt stark - so ist sichergestellt, daß die Samen auch wirklich dort oben bleiben, wo auch der Wind weht ... bringt schließlich nicht viel, wenn 100erte kleine Kinder der Mutter vor die Füße fallen und ihr Konkurrenz machen - ist besser, wenn die Kinder vom Wind ein Stück weit von Mutter weggetragen werden ...
Und hier haben wir den zweiten Stoff, welcher Gräser hart werden läßt - so hart und trotzdem flexibel, daß man mit Reed ganze Dächer decken kann, mit Bambus mehrstöckige Häuser bauen kann oder mit Schilf Boote bauen kann! Diesem Material macht es nix aus, ob es naß wird oder austrocknet, dank des Lignins.

Und dieses bei Trockenheit und Feuchtigkeit äußerst stabiles Molekül, dieses Lignin, ist es auch, was eben Zähne regelrecht zerschrotet, aufrauht, Riefen reinhaut - und ja, es ist richtig! Diese Riefen und Scharten sind dann die winzigen Zahnspitzen, die dein TA da vermutlich gesehen hat.

Und nein - deine Gedankengänge sind keine Katastrophe ... sie führen in die richtige Richtung!

empfehlenswerte Literatur zu dem Thema:
Damaszener Stahl
Ottiger, H., Reeb, U. (2004): Gerben: Leder und Felle; Ulmer Verlag
Stasburger Lehrbuch der Botanik
Sämtliche Bücher, die etwas zur Evolution der Zähne bei Säugetieren schreiben

So, wie ich das hier versucht hab zu beschreiben, hab ich es dagegen bis heute noch nirgendwo beschrieben gesehen ...
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