davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 28.05.2018 08:33 Titel: Kurz et al.: Hecken |
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Kurz, P. Machatschek, M. Iglhauser, B. (2011): Hecken. 2. Auflage. Leopold Stocker, Graz, Stuttgart. Verlag. 440 S.
Vorbemerkungen
Der unscheinbare Titel darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier um ein sehr gutes Buch handelt, sehr dick aber auch preiswert. Kein Wunder, denn zu den Autoren zählt unter anderem auch Michael Machatschek, wobei ich den Eindruck habe, dass auch Peter Kurz ein fundiertes Wissen in dieses Buch reinbringt. Zu Bernhard Iglhauser, dem dritten Autoren kann ich wenig sagen.
Zuerst mal folgende Aussage, sie mag vielleicht etwas grossspurig meinen, aber wer die Möglichkeit hat, das Buch zu beschaffen und mal einen Blick reinzuwerfen (Bibliothek,...) ihr werdet es nicht bereuen! Das Buch kann meines Erachtens die Lücke füllen, welche mit der meines Erachtens total überteuerten Neuauflage von "Laubgeschichten" gegeben hat. Inhaltlich ist es natürlich kein Ersatz, da der Schwerpunkt auf der Hecke liegt, aber unterschätzt das Thema nicht. Die Hecke ist kein Randthema, kein unproduktives Beiwerk. Sie ist vielmehr ein zentrales und sehr produktives Element, das mit dem Wegfall von Waldnutzungsrechte und dem Wegfall der Allmende das nun fehlende Holz ersetzen konnte. Jetzt wachsen Futterlaub, Wirtschaftswertholz, Brennholz etc. in der Hecke, sie gibt zudem Schutz vor Wind, trennt Grundstücke und wertvolle Pflanzungen oder Viehweiden ab und liefert je nach Schnitt und Kultur Schatten oder bleibt durchlässig genug, dass nur wenig Schattenwurf entsteht.
Der grosse Unterschied, was eben für Machatschek typisch ist, zu bisheriger Literatur über Hecken ist die Herangehensweise der Autoren an das Thema. Sie betrachten nicht einfach bloss die Ökologie und Landschaft, sondern gehen von der produktiven Seite an das Thema heran und wollen wissen, welche Arbeiten und Nutzungen mit den einzelnen Heckentypen und -formen einhergehen und sie tauchen somit zwangsläufig deutlich tiefer und gründlicher in die Thematik ein.
Der Inhalt
Das Buch fängt an mit einem Überblick über die Entstehung der Heckenwirtschaft durch das Ende der Feudalwirtschaft (welche im Frühmittelalter, insbesondere mit den Karolingern entstand... auch ein interessantes Thema, das ich bei Gelegenheit mal etwas aufarbeiten könnte). An dessen Ende wurde die Allmende abgeschafft/privatisiert und die Grundstücke wurden eingezäunt, teilweise war die Hecke vorgeschrieben, da damit auch Waldnutzungsrechte wegfielen und die Hecke einerseits wertvolles Holz sparte, das sonst für Zäune irgendwo her hätte beschafft werden müssen und andererseits als lebender Zaun teilweise den Wald ersetzen konnte, da man nun hier das Bauholz, das Brennholz und das Futterlaub ernten konnte.
Wie man es ebenfalls aus Laubgeschichten kennt, wird auch einiges erläutert über Begriffe, deren Herleitung und wie sie zusammenhängen, z.B. Hag, behaglich, Zaun, das niederländische tuin (für Garten), Wand von winden (da man früher die Wände aus Holzgeflecht, sprich indem man Ruten um Holzstangen windete, wie man es von geflochtenen Körbe kennt. In diesem Zusammenhang ist auch das Wort überwinden zu sehen. Die Hecke wiederum kommt von deren Nutzung des "Hauens" und Stechens niedriger Dornsträucher, zum Beispiel die Heckenrose oder Hagebutte. Das Wort Hag, das in der Hagebutte ja enthalten ist, stammt ebenfalls von dem gleichen Wort, dem althochdeutschen "hegga", das im mitteldeutschen dann zu "hegge" wurde.
Es werden dann bedeutende Heckengehölze vorgestellt und dann auch Bewirtschaftungstypen. Bei den Bewirtschaftungstypen sind das insbesondere die Schnitthecke (Ständerhecke, Armleuchterhecke), Kopfhecke, Stockhecke, Baumhecke und Landschaftshecke. Dazu kommen dann noch Flechthecken und Flechtzäune, eine Kombination aus lebenden Hecken und totem Zaun, die man so zu dichten Zäunen macht. Im Idealfall ist auch die Hecke dicht, aber durch Fehler bei Unterhalt und Pflege oder durch Absterben von Sträuchern kann es zu Lücken kommen. Auch die Überalterung ist ein Thema und wenn die Hecke nicht regelmässig gepflegt wird, dass unerwünschte Arten sich ausbreiten oder Bäume hochwachsen und die Landschaft verschatten, gerade in regenreichen Gebieten wie im Alpenraum dann die Böden versumpfen und versauern. Eine gute Baumhecke muss daher auch regelmässig ausgelichtet werden und gewisse Pflanzenarten will man nicht unbedingt in einer Hecke haben, da sie nicht zur Bewirtschaftung passen. Eine gute Hecke braucht daher einiges an Wissen, Planung und richtiger Pflege. Mit dem willkürlichen zusammenwürfeln einiger Arten, die man dann irgendwie in eine Reihe pflanzt, ist es nicht getan.
Es werden dann auch tote Zäune vorgestellt, Rutenwand- und Rutenbandzäune, und die lebendige Variante in Form von Flecht- und Gitterhecken.
Auch der im nordwestdeutschen Raum vorkommende Knick wird behandelt und spezielle Formen wie die österreichischen Asta- oder Schopfhag und der mit Rantln verstärkte Astahag werden vorgestellt.
Zu den Nutzungen kommen neben der Kompensation für die Enteignung der Waldnutzung und der Abgrenzung der Grundstücke noch weitere Funktionen, z.B. als Treibgasse, damit das Vieh leichter in eine gewisse Richtung getrieben werden kann.
Ein eigenes Kapitel widmet sich dann der Futterlab- und Reisiggewinnung, gefolgt von einem Kapitel über die Nutzung von Hecken für Flechtwaren, Besen, Holzgeräte usw.
Dann werden auch landeskulturelle Aspekte behandelt, z.B. wie Hecken in windreichen Regionen genutzt werden, wie Hecken das Kleinklima beeinflussen, wie sie als Erosionsschutz genutz werden, Wasser- und Wärmehaushalt (Kälteseen, Schattenwirkung, Frostgefahr, Taubildung, Verdunstung), Schneeverteilung und Einfluss des Windes... dazu wie üblich zahlreiche interessante Abbildungen, Zeichnungen und Fotos.
Ein Kapitel heisst "Sehen und sehen lernen - anhand der Vegetation der Hecken und ihrer Ränder z.B. im Land Salzburg". Ich finde ein grossartiger Titel, der für sich spricht. Beim Überfliegen dieses Kapitels stechen zahlreiche Farbfotos von Pflanzen mir ins Auge... eine wahre Freude.
Das nächste Kapitel geht auf die pflanzensoziologische Zuordnung von Hecken im Land Salzburg ein, dann folgt etwas Tierökologie, und ja Kleinsäuger kommen auch vor (namentlich Insektenfresser: Spitzmäuse und Igel, Hasenartige/Feldhase, Wühlmäuse, Echte Mäuse, Marderartige, Fuchs und Dachs). Bei den Insekten schliesslich dominieren die Schmetterlinge, aber auch Heuschrecken, Schlupf- und Gallwespen und andere Wespen, Ameisen, Bienen, Käfer und Fliegen, Wanzen (Schnabelkerfe) und Zikaden werden behandelt, ferner noch Spinnen, Krebstiere (Asseln), Schnecken und zum Ausklang wird noch kurz auf die Bienenwirtschaft (Zitat: "Bienenwirtschaft ist Ausdruck für die hohe Nahrhaftigkeit einer Landschaft") eingegangen. Schaben werden leider nicht erwähnt (das muss ich hier auch noch betonen, um auch unserer Rolle als Schabenforum gerecht zu werden )
Das nächste Kapitel wartet mit dem provokativen Titel auf "Die installierte Vielfalt?", da geht es um den Landschaftschutz und wie Leute meinen, sie könnten einfach willkürlich Hecken pflanzen um die Biodiversität zu verbessern, ohne aber eine Ahnung vom Gebrauchswissen und der Nutzungsformen von Hecken und all dem Wissen, was dahinter steckt. Ein weiteres kurzes Kapitel behandelt die (Baum)Heckenbrauche, die Planung von Hecken, es folgen Beschreibungen von Heckengehölze, welche quasi den Abschluss des Buches bilden... nicht ganz, denn da ist noch ein Kapitel:
Da wären dann noch die Gliederung der Höhenstufen in Mitteleuropa und die Schlussbemerkungen, welche das Buch ausklingen lassen. Es folgen dann Danksagungen, Infos zu den Autoren und Literaturverzeichnis... total 440 Seiten.
Also sollte man das Buch haben? UNBEDINGT! _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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