Murx Pickwick Quoten-Kobold
Anmeldungsdatum: 23.07.2005 Beiträge: 4622 Wohnort: Runkel
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Verfasst am: 14.08.2005 11:28 Titel: Re: Fragenkatalog |
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huhu,
Ein paar Dinge kann ich denke ich schon beantworten, ich versuche allerdings immer noch, an diverse auch ältere Literatur ranzukommen.
davX hat Folgendes geschrieben: |
Lebensweise und Verhalten
- Können Degus im Ultraschallbereich kommunizieren?
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Degus können zumindest höhere Töne wahrnehmen wie Menschen. Meine Degus reagieren auf Mäusekontaktlaute, die ein normaler Mensch nicht wahrnehmen kann und bei mir an der Hörgrenze sind. (Ich höre höhere Töne wie andere, Hundepfeifen höre ich problemlos, selbst wenn sie für die Hundebesitzer absolut lautlos sind. Leider hat mich noch nie jemand durchgetestet, wie hoch ich wirklich höre, da Ohrenärzte etc lieber ihre Meßinstrumente in Reperatur geben, wie den Meßwerten zu trauen.)
Ich hab bisher keinen meiner Vier so hoch reden hören.
davX hat Folgendes geschrieben: |
Lebenserwartung in der Wildnis? (Stimmen die Zahlen von degus.org?
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Diese Zahlen stimmen mit Sicherheit nicht. Georg Fulk spricht von einem Durchschnittsalter von 1 - 3 Jahren. Da Degus sehr alt werden können, wird das Alter auch eine Rolle im Gruppenzusammenleben spielen, wobei offenbar nur sehr wenige Tiere alt werden. 15 Jahre ist eindeutig zu hoch gegriffen, 6 Jahre ist wahrscheinlicher.
Zitat: |
Woher kommt die Angabe mit 15 Jahre in der Wildnis? Welches sind die Quellen von degus.org bzw. welche Wissenschaftlichen Berichte/Studien gibts dazu?)
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Zuverlässige Feldbeobachtungen gibt es von Georg Fulk (1975), sowie auch Bridges (1843), Waterhouse (1848), Fischer (1940), Wolffsohn (1927). Das Höchstalter von Degus in freier Wildbahn wurde von keinem Untersucht, wo aber Durchschnittsalter festgestellt wurden, lagen sie zwischen 1 - 3 Jahren. Literatur geb ich nach und nach in der Literaturliste an. Ich hoffe, die Arbeiten alle in Frankfurt/M zu bekommen.
Zitat: |
Wie leben Degus in der Wildnis? (Wie sieht die Konstruktion der Gangsysteme und Höhlen aus? Leben sie nomadisch wie Cururos?)
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Degus wandern nur dann weiter, wenn der Hunger sie treibt, ansonsten bleiben sie ihrem Standort treu. Das Gangsystem ist stark verzweigt, großräumig angelegt und beeinhaltet mehrere Kammern. Übrigens lebt im selben Gangsystem häufig die nachtaktive Abrocoma bennetti zusammen mit den Degus. Allerdings sind es die Degus, die das Gangsystem graben.
(G. Fulk, 1975)
Zitat: |
Anatomie
- Wie funktioniert die Verdauung?
- Herstellung von Vitamine (genauer Nachweis, welche Vitamine können mit Sicherheit hergestellt werden? Beim Meerschweinchen sind es das Vitamin B und noch ein anderes)
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Ursprünglich konnten Säugetiere alle Vitamine im eigenen Körper oder mit Hilfe ihrer Darmbakterien herstellen. Dies ist bei etlichen Taxa durch Verlustmutationen nach und nach verloren gegangen, das Säugetier, welches die wenigsten Vitamine herstellen kann, scheint der Mensch zu sein.
Da die Octodontidae sehr viele ursprüngliche Merkmale haben und sich schon früh von den anderen Caviomorpha abgespalten haben, ist es zumindest sehr wahrscheinlich, daß neben dem Cururo auch der Degu alle Vitamine bis heute herstellen kann.
Ich bin noch auf der Suche zur zugehörigen Literatur ... wird noch etliches dauern.
Zitat: |
Ernährung
- Speiseplan: Unterschiede zwischen Sommer/Winter? (Saisonale Unterschiede?)
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Gibt es, allerdings frißt der Degu, was er findet. Die saisonalen Schwankungen sind also von der Umgebung diktiert und nicht angeboren. Um Santiago de Chile sowie auch in Coquimbe in den drei landwirtschaftlich intensiv genutzten Tälern hat er sich so an die Kulturpflanzen angepaßt, daß dort keine saisonalen Schwankungen mehr zu beobachen sind.
Laut G. Fulk (1975) fressen Degus im Sommer hauptsächlich einjährige Kräuter, im Winter Rinde und Blätter von Büschen und Sträuchern. Laut Fischer (1940) dagegen fressen Degus frisches Gras und Kräuter unter Hecken und Büschen ganzjährig.
Ich brauch allerdings die Originalarbeiten, um genaueres zu sagen ... *seufz*
Dort, wo der Degu an ursprüngliche Nahrung angewiesen ist, nutzt er ein ganzes Spektrum giftiger Pflanzen, die andere Tiere und Menschen in geringen Dosen schon töten. Besonders häufig im Futter vertreten sind die folgenden Alkaloide: Nicotin, Solanin, Solasonin, Hyoscyamin/Atropin und Parquin. Hyoscyamin und Atropin bilden ein Racemat, im getrockneten Zustand von Pflanzen befindet sich mehr Atropin wie Hyoscyamin in den Pflanzen. Für Menschen ist Atropin weniger giftig wie Hyoscyamin.
Der Degu ist übrigens das einzige Säugetier in Chile, was Pflanzen derartig nutzen kann und ist daher konkurrenzlos. Andere Nager haben sich auf Gräser (Mara, Meerschweine, Agutis) oder Körner (Chinchillaartige) spezialisiert, also Pflanzenarten mit weitaus weniger giftigen Bestandteilen. Damit der Degu mit einem solchen Giftpotpourri überhaupt überleben kann, scheint er möglichst viele unterschiedliche Pflanzenarten zu fressen, um die Giftkonzentration einer Giftart möglichst gering zu halten. Mit Gras und Sämereien kann er den Giftdruck entschärfen, scheint aber nicht darauf angewiesen zu sein. Wo weniger giftige Pflanzen wie z. B. Reiherschnabel (Erodium cicutarium) eingeführt wurden, bevorzugt er diese - einschießlich aller Kulturpflanzen, deren er habhaft werden kann.
Meine Vier halten sich sogar daran, trotzdem sie eigentlich kein solch Giftpotpourri von mir bekommen ...
[G. Fulk, 1975; Bridges, 1843; Waterhouse 1848; Fischer 1940 und weitere]
Der Verdauungstrakt zeigt keine Besonderheiten gegenüber anderen Caviomorpha.
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Unterschiede zwischen den verschiedenen Deguarten?
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O. bridgesi und O. lunatus sind in allen Abmassen größer wie O. degus. Die oberen Molaren und der Prämolar unterscheiden sich deutlich. Der Schwanz von O. degus ist buschiger wie bei den andern beiden Arten.
(Waterhouse, 1948; Bennet, 1841; Cabrera and Yepes, 1960; Walker et al., 1946)
O. bridgesi bewohnt Wälder
O. lunatus bewohnt dickichtreiche Steppenlandschaften
O. degus bewohnt offeneres Gelände wie O. lunatus, es gehören aber auch Büsche und Steine zu seinem Revier.
(G. Fulk, 1975)
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verträgliche Pflanzen? bevorzugte Pflanzen? (deren Wirkstoffe?)
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Da ich nicht glaube, daß es sinnvoll ist, unsere Degus nun mit Nachtschatten zu füttern, sollten wir wohl doch besser bei unseren Erfahrungen bleiben. (s. o.)
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Aufnahme von Trinkwasser? Hinweise in spanischem Text
typisches Fressverhalten? Fressplätze?
Krankheiten
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Folgende auf den Menschen übertragbare Krankheitserreger kommen im Wilddegu vor: Linguata serrata, Echinococcus granulosus, Trympanosoma cruzi [Gajardo, 1943; Whiting, 1946; Tagle et al. 1956; Alvarez, 1960,1961,1963]
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- Diabetes: Welche(r) Typ(en) tritt/treten bei Degus auf?
- Zuckerwerte im Blut von gesunden und diabeteskranken Degus?
- Diabetes: Wirkung im Körper auf Organe? Auswirkungen/Schäden?
Zucht
- Genetische Details (Chromosonenzahl, etc.)
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diploider Chromosomensatz von 58,
der Rekombinationsindex liegt mit 73 für Nager sehr hoch und ist häufig ein Hinweis auf Inzuchtresistenz, jedoch nicht immer. Auf jeden Fall dürfte das der Grund sein, weshalb Degus ein derartig unterschiedliches Gewicht, Größe etc haben.
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Gibt es verlässliche Inditkatoren für Inzucht?
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Ein sog. Fingerprint wäre ausreichend. Da aber bisher keine Referenzgene veröffentlicht wurden, wäre dies erstmal eine sehr teure Angelegenheit!
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Kann der Einfluss durch Vererbung auf den Ausbruch von Diabetes herausgefunden werden? Wenn ja, wie stark ist dieser Einfluss?
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Alle diabeteskranken Degus in den Laboren stammen aus einer Gefangenschaftspopulation in Vermont. Damit ist auch der Beweis erbracht, daß Diabetes erblich ist. Es deutet vieles auf einen dominanten Erbgang hin.
Diabetes wurde im Institut Wellcome dagegen nicht beobachtet, dafür aber eine von Diabetes unabhängige Linsentrübung. Auch die ist erblich, sie kommt nämlich nicht in allen Labors mit Ausgangstieren aus der Wildbahn, dafür aber in fast allen Populationen mit Ausgangstieren aus Wellcome vor. Die Ausgangstiere dieser Population stammen aus der Umgebung von Santiago de Chile. Woher die Vermont-Tiere ursprünglich kommen, hab ich noch nicht rausfinden können.
Ich versuch nun herauszufinden, ob auch unsere Degus von diesen Laborpopulationen abstammen, ist aber ein wenig knifflig, weil ich an die Versandlisten der Tierhändler ran muß. Die meisten Deguimporte scheinen aber tatsächlich über die USA gelaufen zu sein.
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Unterschiede in Genetik und Zucht der 4 Deguarten?
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Bisher wurde nur O. degus gehalten, ich hab zumindest bisher noch keinen Hinweis für die Haltung und Zucht der andern Deguarten gefunden.
Die Chromosomenzahl ist bei allen vier Deguarten gleich, Hinweise auf eine Chromosomenzahl von 52 scheinen Abschreibfehler zu sein.
Bisher ist nur O. degus in das Animal Genome Project aufgenommen.
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Sonstiges
- Wie lautet der korrekte wissenschaftliche Namen des Walddegus? O. bridgesi oder O. bridgesii? (In deutschen Quellen findet man fast ausschliesslich die Schreibweise bridgesi in englischen dagegen beide Schreibweisen)
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Die richtige Schreibweise ist mit Sicherheit O. bridgesi, das doppelte i ist nur eine Konjugation (ich glaub Mehrzahl, kann man aber im Lateinlehrbuch nachschauen, wenn es wichtig ist.) von bridgesi, die dann aber offenbar irgendwann falsch abgeschrieben wurde.
Ich habe mir erlaubt, die Originalarbeiten anzuführen, trotzdem ich die meisten Infos aus Charles, A. Woods und David K. Boraker (1975) habe. Ich denke, so kann dann derjenige, der einen Teilbereich genauer bearbeitet, gleich gezielt die wichtigste Literatur zu versuchen zu bestellen. |
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davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 08.01.2007 03:13 Titel: Re: Fragenkatalog |
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*g* ich antworte auf meine eigenen Fragen.
davX hat Folgendes geschrieben: |
- Können Degus im Ultraschallbereich kommunizieren?
- Welches Farbspektrum können Degus wahrnehmen?
- Lebenserwartung in der Wildnis? (Stimmen die Zahlen von degus.org? Woher kommt die Angabe mit 15 Jahre in der Wildnis? Welches sind die Quellen von degus.org bzw. welche Wissenschaftlichen Berichte/Studien gibts dazu?)
- Wie leben Degus in der Wildnis? (Wie sieht die Konstruktion der Gangsysteme und Höhlen aus? Leben sie nomadisch wie Cururos?)
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- zu US sind mir keine Studien bekannt, die das untersuchten. Möglich wärs, aber mir ist nichts darüber bekannt.
- Farbspektrum, dazu ist mir wenig bekannt. In Gneiser gibts eine kurze Aussage dazu und neben der Feststellung mit dem UV sehen dürfte wohl auch in den Originalpublikationen das eine oder andere Detail über das Farbsehen entnehmbar sein, sofern man es versteht, was drin steht.
- Lebenserwartung in der Wildnis: da bin ich nicht weiter gekommen, ausser dass ich mit Meserve et al. (1993) eine erste grobe Quelle über das Überleben von Degus in der Wildnis habe, welche aber nicht wirklich das Alter berücksichtigt sondern die Überlebensdauer von Degus.
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Anatomie
- Wie funktioniert die Verdauung?
- Herstellung von Vitamine (genauer Nachweis, welche Vitamine können mit Sicherheit hergestellt werden? Beim Meerschweinchen sind es das Vitamin B und noch ein anderes)
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- Die Verdauung ist mir dank dem Studium von Literatur zu Chinchillas und allgemeinerer Literatur so ungefähr bekannt. Im Mund wird das Futter in kleine Stücke zurechtgestutzt, im Magen vorverdaut, in dem Darm dann ein Teil resorbiert zusammen mit unterschiedlichen Mechanismen wie Mithilfe von Körpersäfte (Pankretas, Galle) oder Mikroorganismen (Bakterienkulturen), welche bei der Umwandlung in resorbierbare Stoffe helfen. Bei der Verzweigung Colon/Caecum gibt es bei den caecotrophen Nagern einen Separationsmechanismus, der feine Teile in den Caecum leitet und grobes Gut weiterleitet Richtung Anus.
- Bei der Herstellung von Vitaminen gibt es immer noch ein paar Unklarheiten. Die Vitamine des B-Komplex und Vitamin K wird im Caecum von Mikroorganismen synthetisiert und mit dem Caecotrophe wiederaufgenommen. Wie es genau mit den anderen Vitamine, insbesonder Ascorbinsäure steht, weiss ich immer noch nicht so genau, mal abgesehen von dem was gesagt wird. Aber da Frischfutter ohnehin wichtig ist und damit der Vitaminbedarf gedeckt werden kann, ist diese Frage nicht mehr so wichtig.
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Ernährung
- Speiseplan: Unterschiede zwischen Sommer/Winter? (Saisonale Unterschiede?)
- Unterschiede zwischen den verschiedenen Deguarten?
- verträgliche Pflanzen? bevorzugte Pflanzen? (deren Wirkstoffe?)
- Aufnahme von Trinkwasser? Hinweise in spanischem Text
- typisches Fressverhalten? Fressplätze?
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- Saisonale Unterschiede in der Ernährung sind aus Meserve, Meserve et al. ersichtlich
- zu den anderen Deguarten ist wenig Infomaterial vorhanden. Ausserdem fehlen mir wichtige Studien, welche zum einen oder anderen Aufschluss bieten könnten.
- über die Verträglichen Pflanzen machen wir uns jetzt noch Gedanken, ein (erhofftes) Musterkonzept gibt es aber nicht.
- Zur Aufnahme von Trinkwasser wissen wir, dass dies über die Nahrung erfolgt, in trocknenen Sommermonate angeblich auch über A. caven Rinde und Kuhdung.
- Fressverhalten wurden in div. Studien dokumentiert
Zitat: |
Krankheiten
- Diabetes: Welche(r) Typ(en) tritt/treten bei Degus auf?
- Zuckerwerte im Blut von gesunden und diabeteskranken Degus?
- Diabetes: Wirkung im Körper auf Organe? Auswirkungen/Schäden?
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- über Diabetes ist mir bisher wenig bekannt.
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Zucht
- Genetische Details (Chromosonenzahl, etc.)
- Gibt es verlässliche Inditkatoren für Inzucht?
- Kann der Einfluss durch Vererbung auf den Ausbruch von Diabetes herausgefunden werden? Wenn ja, wie stark ist dieser Einfluss?
- Unterschiede in Genetik und Zucht der 4 Deguarten?
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- Chromosomenzahl siehe unten. Zu weiteren Details fehlt mir das Wissen.
- Nein, weil nicht unterscheidbar von anderer Zucht
- Einfluss von Diabetes herausfinden: hmmm, keine Ahnung, hat für mich heute allerdings auch kaum noch Bedeutung.
- Es gibt Unterschiede in der Chromosomenzahl, Während der Degu 2n=58 hat, haben mindest eine Art 2n=78.
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Sonstiges
- Wie lautet der korrekte wissenschaftliche Namen des Walddegus? O. bridgesi oder O. bridgesii? (In deutschen Quellen findet man fast ausschliesslich die Schreibweise bridgesi in englischen dagegen beide Schreibweisen)
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- O. bridgesi ist usus. Die bisherige Erklärung tönt einleuchtend.
Fazit:
Eigene Fragen beantworten... das ist schon eher etwas aussergewöhnlich, wenn nicht schon freakig . Jedenfalls zeigt es, was mich damals interessierte und wie ich heute entweder zu fast allem eine Antwort habe, oder mich das nicht mehr wirklich interessiert. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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