davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
|
Verfasst am: 26.05.2013 23:33 Titel: Zen verstehen... |
|
|
Huhu,
der Titel suggeriert etwas, das viele Bücher wohl tatsächlich beabsichtigen. Jedoch scheint es so zu sein, dass dies für unsere Denkweise fast unmöglich zu sein scheint, denn diese Denkweise ist von unserer so verschieden.
Um es kurz, aber wohl auch recht unvollständig, zusammenzufassen, lässt sich sagen, dass die östliche Denkkultur, welche eng verbunden ist mit Zen (zumindest in Japan), sich auszeichnet durch die grosse Bedeutung des Nichts, der Darstellung und der Verwendung dieses in den verschiedenen Formen der östlichen Kunst (z.B. Teezeremonie, Theater, Bogenschiessen usw.), das Fehlen einer Dualität z.B. zwischen Geist und Körper und einem anderen Verständnis des Menschen, das nicht egozentrisch ist, als das Individuum als zentrales Subjekt, sondern viel mehr eine integrative, systemische Auffassung, bei der der Mensch Teil von etwas Grösserem ist (Gesellschaft, Natur usw.).
Dennoch oder gerade weil das folgende Buch versucht hier anzuknüpfen und versucht die Verschiedenartigkeit fassbarer zu machen und die Schwierigkeit des Vergleiches zu erläutern, macht es für mich das Buch zu einer glaubwürdigen und aufschlussreichen Lektüre.
Lange Rede, kurzer Sinn, das Buch ist schon von älterem Jahrgang, aber wie erwähnt m.E. sehr lesenswert:
Wendt, I.Y. (1961): Zen, Japan und der Westen. Zen - nicht Mode, sondern Aufgabe. Paul List Verlag, München. 165 S.
Kurze Inhaltsangabe und Info zum Aufbau des Buches:
Die Autorin beginnt mit der Aufnahmeprüfung, die ein Zenmönch bestehen muss, sie ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis von Zen und die darauf folgende Aufgabe, sich darin zu üben, Satori zu erreichen. Satori meint die Erleuchtung, wobei das nicht mit Emotionen, mit Ekstase, Rausch oder ähnlichem zu verbunden ist. Satori kommt aus dem Bauch (Hara), der innersten Mitte seines Selbst heraus, ein Zustand in dem man die Dinge so sieht, wie sie wirklich sind, ohne Störung von Egoismus, Geltungsbedürfnis, diverse Einflüsse die uns in unserem Alltag beeinflussen.Es ist eine schmucklose ohne Phantasie und Suggestion von Träumen, die alleine von der Fülle der Realität lebt und nur von ihr. Das was sonst als Leere bezeichnet wird, doch sie wird gerne bezeichnet als Zustand, bei dem die Dinge, die im Alltag als unklar erscheinen, so wie ein stürmisches Meer durch Ruhe und Stille plötzlich ganz glatt wird und an der Oberfläche lässt sich nun gut unterscheiden, wo das Meer aufhört, die Sicht auf die Dinge wird nun ganz klar. Dennoch ist wichtig zu wissen, dass all diese Umschreibungen, die ich jetzt nur annähernd hier näherbringen konnte, nicht von Zen-Meistern selbst kommen, Beschreibungen vom Zen kommen immer von aussen oder von Leute, die zwar sich intensiv mit Zen beschäftigt haben, aber Satori nicht erreicht haben, denn es scheint, so jemand Satori erreicht, dass das Mitteilen an die Mitwelt, was denn nun Zen sei, an Bedeutung verliere, der Alltag, er verliert an Bedeutung, was zählt ist das Praktizieren, die Stille, die Klarheit und alles was ablenkt wie grosse Worte und Gedanken (was zum Schreiben und Erklären zumindest in einem gewissen, aber schon genügend ablenkenden Masse nötig ist), das hindert daran. Von grossen Zen-Meistern gibt es offenbar auch keine so weisen Sprüche, wie sie oft zu lesen sind, oft scheinen ihre Antworten verwirrend und ohne Logik, vermutlich wegen einer anderen Sichtweise auf die Dinge, auf die Realität.
Dieses Themengebiet ist eines der zentralen Themen, welche das Buch behandelt und es scheint mir, dass es von zentraler Bedeutung ist, um das Thema besser einordnen zu können.
Ich habe das Buch noch nicht fertig gelesen, insofern bleibt hier noch etwas Raum offen, für all die Themen, die ich bis jetzt noch nicht gelesen habe. Aber schon nach wenigen Seiten merkt man, dass in diesem Buch viel Substanz steckt und auch hilft, den Hype um Zen in der westlichen Welt und insbesondere in den USA besser zu verstehen und vor allem auch im Kontext einzuschätzen. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
|
davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
|
Verfasst am: 29.05.2013 07:05 Titel: Re: Zen verstehen... |
|
|
Ich knüpfe hier an.
Schwierigkeit des Verständnisses der japanischen/fernöstlichen Kultur (hier insbesondere der japanische Zen)
Es ist eine ganz andere Denkensweise, die einen so prägenden Einfluss hat und welche die gesamte Kultur, den Alltag und die Interpretation der Welt beeinflusst (sprich Mentalität, Art und Weise wie gewisse Dinge angesehen und beurteilt werden).
Dass ich hier das Thema nochmals bewusst aufgreife, liegt daran, dass es sehr schwierig zu sein scheint, das Thema zu erfassen und zu verstehen, ganz zu schweigen davon es dann auch noch anwenden zu wollen. Letzteres liegt sicher ausserhalb meinen Absichten. Ich versuche vielmehr mittels interessanter Literatur die Möglichkeit eines Einstiegs zuvermitteln, der versucht dem Kern des Themas nahe zu kommen, indem er Irrwege falscher Interpretationen, möglichst vermeidet und der vor allem auch hilft, eine gewisse Orientierung zu bilden, anhand dieser weitere Literatur beurteilt werden kann hinsichtlich Zuverlässigkeit, Genauheit usw. Natürlich erhebe ich auch für die Literatur hier nicht den Anspruch, dass sie frei ist von Missverständnissen und ich bin mir auch nicht sicher inwiefern ein Verständnis nur über Literatur überhaupt möglich ist.
Zazen (von Za= sitzen, zen=Versunkenheit) - "Sitzen in Versunkenheit"
In Japan gibt es gemäss Mariko Fuchs (2007) zwei grosse Zen-Schulen (welche beide von China nach Japan gebracht wurden), die Rinzai- und die Sôtô-Schule, erstere war insbesondere bei den Kriegern sehr beliebt und wurde von der damaligen Kriegsregierung auch unterstützt. Der Schwerpunkt dieser Richtung liegt insbesondere beim Kôan, das sind Reden und Erzählungen alter Zenmeister, die als Übungen für die Schüler verwendet werden, während die Sôtô-Schule bewusst die Zivilisation der Städte mied und sich unter dem niederen Landadel und den Bauern verbreitete. Bei dieser Richtung liegt der Schwerpunkt bei der Praktizierung von Zazen, also der im Lotussitz praktizierten Ausübung von Zen zur Erlangung der Erleuchtung. Das Besondere daran ist, dass das Wissen auf praktische Weise vermittelt und gelehrt wird, eine Übermittlung von Zen in Form von Bücher und Literatur scheint weder nötig noch sinnvoll zu sein und unterscheidet sich insofern von den westlichen Vorstellungen sehr stark, als dass dies bei uns die Grundlage darstellt seit der Antike (viel unseres Wissen über die Griechen oder der Römer beispielsweise verdanken wir schriftlichen Überlieferungen). Eine praktisch übermittelte Kultur über viele Jahrhunderte hinweg, scheint jedoch dem Westen fremd zu sein, mir kommen spontan keine Beispiele in den Sinn, auch kann unser Klosterwesen von der Bedeutung her kaum mit Zen verglichen werden, auch wenn im Westen eine Rolle als Zentren der Bildung und Vermittlung von Wissen sicher auch zutrifft.
Körper und Geist - Praxis statt Theorie
Eine wichtige Erkenntnis, die ich hier noch festhalten möchte, und deren Wichtigkeit ich unterstreichen will, das ist die Betonung von Körper und Geist und eine andere Form der Wissensvermittlung. Wie mit Zazen der Praktizierung in der Sôtô-Schule (auf die übrigens auch Wendt eingeht und sich bezieht) wird Wissen in erster Linie sehr praktisch vermittelt in einer Form, die Geist und Körper zugleich anspricht und nicht eine Unterscheidung macht, wie wir sie hier im Westen beispielsweise insbesondere in der Sichtweise kennen, dass viel von unserem Wissen nur theoretisch und geistig weitergegeben wird und dass das praktische Wissen, das sich in der Übung manifestiert und das nur durch Übung erhalten bleiben kann, heutzutage ein Schattendasein fristet, das sogenannte Gebrauchswissen, von dem zum Beispiel auch Michael Machatschek in seinem Buch Laubgeschichten spricht. Das heisst, dass unser Schul- und vor allem auch Hochschulwesen sich in diesem Punkte stark von der Praxis und dem Alltag verabschiedet hat, auch wenn es gewisse Ausnahmen gibt, Berufe, die ohne Praxis nicht gehen, so ist die Praxisferne und die oft kritisierte "Verschulung" (die übrigens durch die Bologna-Reform wiederum gestärkt wurde) auch einer der grossen Schwachpunkte unseres Bildungssystems. Mit diesem Bogen zu sehr alltäglichen Themen hier aus unserem Forum, denke ich, lässt sich die Bedeutung von Zen auch etwas besser in das Forum integrieren. Inwiefern bessere Kenntnisse von praktischem Nutzen sind, lasse ich hier noch offen und sehe das zur Zeit auch eher als Bereicherung des Geistes und des Denkens, sich nicht in enge Schemata einzuengen. Und es soll auch helfen die Verklärung der fernöstlichen Ideen und Lehren zu entschleiern und deren Nutzen als auch Probleme (welche oftmals hierzulande unbekannt sind) besser zu verstehen. Alles Exotische klingt zuerst mal schön und gut (sofern man nicht ins andere Extrem verfällt und es als Bedrohung wahrnimmt) und wirkt wie eine Fassade, von der man nur die aufgehübschte Vorderseite kennt.
Pädagogik des Zenmeisters
Diese Dissertation beschäftigt sich mit der Pädagogik der Zenmeister, versucht anhand von westlichen Methoden diese genauer zu untersuchen und zu analysieren. Inwiefern das gelingen mag, das entzieht sich meiner Kenntnis, ich habe auch noch nicht alles durchgelesen, aber mir scheint der Ansatz sehr interessant zu sein und ich habe den Eindruck, dass ein realitätsnaher Erkenntnisgewinn so möglich sein sollte, der zudem auch mehr den Schwerpunkt auf die Praxis (Alltag) legt, als auf die Theorie (Wunschvorstellung, Ideologie, verallgemeinerte Vorstellung). Anhand der Komplexität der Materie ist eine solche Aussage natürlich gewagt, aber es ist natürlich auch wichtig, dass überhaupt erst Anknüpfungspunkte vorhanden sind, in ein Thema einzusteigen und dazu scheint mir die Literatur sehr interessant zu sein.
Was mir zudem gefällt ist der geschichtliche Hintergrund, der hier auch knapp vermittelt wird und sicher beim Verständnis auch hilfreich sein sollte.
Literatur:
Fuchs, Mariko (2007): Pädagogik des Zenmeisters. Darstellung und Analyse. Inaugurial-Dissertation, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-5809/P%C3%A4dagogik%20des%20Zenmeisters.pdf _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
|