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Ernährung bei Hefenbefall

 
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buki
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 18.03.2011
Beiträge: 44
Wohnort: Nahe Heidelberg

BeitragVerfasst am: 18.03.2011 17:52    Titel: Ernährung bei Hefenbefall Antworten mit Zitat

Hi,

ich versuche gerade herauszufinden, wie und von was sich Hefepilze im Kaninchendarm ernähren und was bei einem Befall genau vor sich geht. Sämtliche Sekundärquellen, die ich dazu finde, erscheinen mir mehr als unlogisch. Tierarztpraxen raten zu Heudiäten und von jeglicher Stärk ab, der ph-Wert würde bei einem Hefenbefall in den sauren Bereich sinken. Wenn man die gemachten Angaben auf ihren Ursprung zurückverfolgt, landet man fast immer bei einer rennomierten Ärztin aus der Nähe von Stuttgart.

Zitat:
Die wichtigste Nahrungsquelle der Hefen ist Zucker. Durch stärke- und zuckerreiches Futter bietet man ihnen die perfekte Grundlage. Die Stärke wird im Darm zu Zucker umgewandelt, der durch die Hefen vergoren wird. Es entstehen Gase, die auf die Darmwand drücken. Dadurch werden die Blutgefäße komprimiert und die Blutversorgung des Darmgewebes stark beeinträchtigt. Diese Aufgasungen können nicht nur lokal das Darmgewebe schädigen, sondern auch zu Kreislaufversagen und Herzstillstand führen. Zusätzlich sinkt durch den Zucker der pH-Wert in den sauren Bereich, wodurch essentielle Darmbakterien – v. a. Laktobazillen – absterben und somit mehr Angriffsfläche für Hefen und schädliche Bakterien wie e.coli geboten wird. Diese unerwünschten Keime können die Zellulose (Rohfaser) in der Nahrung nicht aufspalten und so auch nicht die für den Stoffwechsel wichtigen Stoffe und Vitamine synthetisieren. Durch die verminderte Fähigkeit des geschädigten Darms, dem Verdauungsbrei Wasser zu entziehen, kommt es zu Durchfall. Die Folgen sind Nährstoff- und Wassermangel, der das Stoffwechselsystem des Kaninchens nachhaltig und negativ beeinflusst.


Erklärungen wie diese empfinde ich als sehr merkwürdig, bin mir aber selbst sehr unsicher, was bei einem Hefenbefall genau im Darm passiert. Ich komme momentan auf folgende Theorie: Hefen ernähren sich in erster Linie von Einfachzuckern und müssten ab dem Grimmdarm (?) / im Dickdarm auftreten. Der ph-Wert liegt hier normalerweise bei ≦ ph 6,5 (standardisierte Nährmedien für Hefen haben denselben ph-Wert, die leicht saure Tendenz klingt für mich nach "Wohlfühlfaktor"). Bei einem Befall müsste er dann doch eher in den basischen Bereich steigen, als noch mehr in den sauren sinken? Wenn dem so ist, würden sich die Pilze von Monosacchariden, die im Dickdarm ankommen, ernähren. Nur – werden die Zucker (insofern frei zugänglich) nicht schon vorher alle verwertet? Ebenso die Mehrfachzucker – jene müssten schon beim Speichel angefangen vor dem Dickdarm gespalten, abgebaut und bereits aufgenommen werden. Das Einzige, was mir nun noch für den Dickdarm einfällt, wäre der Zucker aus den groben / unverdaulichen Partikeln bzw. der Cellulose...aber wird jene dort überhaupt noch abgebaut? Falls ja – wäre es denn dann nicht völlig egal, ob das Kaninchen mehr Zucker frisst? Eine "cellulosearme Ernährung" wäre ja der Supergau Wink. Der einzige sinnvolle Rat, der mir zu Hefen nach dieser Überlegung einfällt wäre ein hoher Durchspüleffekt (Nahrungsvolumen, Wassergehalt...). Ich verstehe die Zusammenhänge hier gerade alle absolut nicht, ich glaube, es war ein Fehler, Biologie damals abzuwählen Very Happy. Für etwas Hilfestellung wäre ich sehr dankbar.

---

Eine weitere Interessenfrage wäre, ob im Blinddarm Cellulose (Partikel < 0,5mm) mit abgebaut wird, oder mit dem BDK ausgeschieden.

Zitat:
Der Faserabbau erfolgt im Blinddarm. Die Blinddarmflora weißt nur eine geringe zellulolytische Aktivität auf, wodurch das Kaninchen die für die Assimilation von NH 3 notwendige Energie nicht durch den Abbau von Cellulose, sondern durch den Abbau von Pektin und Xylan gewinnt.

(Fekete 1993).

Viele Grüße,
Simone
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 18.03.2011 23:03    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Simone,

das sind interessante Fragen, die Du da stellst. Falls Du mit einem Kontakt mit der besagten Tierärztin liebäugelst: ich habe das mal versucht. Das Ergebnis war nicht nur suboptimal, sondern schlicht verheerend.

Leider habe ich im Moment wenig Zeit, weil noch einige andere Baustellen offen sind. Ich möchte nur nicht, dass Du denkst, es würde hier niemanden interessieren. Deswegen erst einmal nur kurz: vielleicht kommst Du einfacher zum Ziel, wenn Du nicht am "Ende" anfängst, sondern ganz vorn.

Warum vermehren sich Hefepilze abnorm? "Saccharomyces guttulatus" kommt durchaus auch in der normalen Darmflora vor. Eine übermäßige Vermehrung ist immer eine sekundäre Geschichte. Das heißt, man muss irgendwas versauen, damit dieser Fall eintritt. Wenn man diese unangenehmen Darmbegleiter "aushungern" will, wie es immer so schön formuliert wird, müsste man gerade das Heu weglassen, weil das auch viel Zucker enthält (>10%). Spätestens jetzt kommt besagte Tierärztin fürchterlich in's Schleudern... Wink

Wenig Stärke und viel Rohfaser birgt ein neues Problem: es bildet sich nämlich Ammoniak im Blinddarm. Das ist ein teuflisches Gas und dürfte für so manches Ungemach verantwortlich sein. Eben in Zusammenhang mit dieser unseligen Heudiät und dem "Aushungern" von Feinden. Deswegen werden so "behandelte" Tiere eigentlich auch nie richtig gesund.

Mit Deinen Überlegungen bist Du absolut auf dem richtigen Weg...

In den Blinddarm gelangen nur Partikel, die kleiner als 0,3mm sind. Grobe Rohfaser wird schnell und unverdaut wieder ausgeschieden. Kaninchen verdauen Cellulose sehr schlecht, ihre Nahrung selektieren sie deswegen auch gegen Rohfaser. Das Märchen vom "Rohfaser"-verdauenden Kaninchen hält sich leider sehr hartnäckig, diese Tierärztin trägt wesentlich dazu bei. Kaninchen sind Herbivore, deswegen besteht ihre Nahrung auch zwangsläufig zu einem Teil aus Fasern. Aber es sucht sich prinzipiell die Teile der Pflanze aus, die die geringsten Anteile an Cellulose haben: die Blattspitzen.

Soweit erst einmal grob und zusammenhangslos zu Deinen Fragen...

freundliche Grüße,
Andreas
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buki
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 18.03.2011
Beiträge: 44
Wohnort: Nahe Heidelberg

BeitragVerfasst am: 19.03.2011 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Andreas,

vielen Dank für deine schnelle Antwort. Eine abnormale Hefenvermehrung wird sowohl als Sekundärerkrankung, als auch als alleinige Folge von "zu zucker-/stärkehaltiger Ernährung" angegeben. Bei letzterem bin ich mir nicht sicher, ob die Aussage stimmt – und falls doch, wie das genau funktioniert, da ich gerade nicht verstehe, welche Einfachzucker den Hefen in dem Fall überhaupt noch zur Verfügung stehen (ich fürchte, mein erster Beitrag war da etwas wirr formuliert Embarassed).

Andreas hat Folgendes geschrieben:
Wenn man diese unangenehmen Darmbegleiter "aushungern" will, wie es immer so schön formuliert wird, müsste man gerade das Heu weglassen, weil das auch viel Zucker enthält (>10%).


Inwiefern würde diese "Melasse" denn ins Gewicht fallen? (s.o.)

Andreas hat Folgendes geschrieben:

Wenig Stärke und viel Rohfaser birgt ein neues Problem: es bildet sich nämlich Ammoniak im Blinddarm. Das ist ein teuflisches Gas und dürfte für so manches Ungemach verantwortlich sein. Eben in Zusammenhang mit dieser unseligen Heudiät und dem "Aushungern" von Feinden. Deswegen werden so "behandelte" Tiere eigentlich auch nie richtig gesund.


Bei einem hohen Ballastgehalt der (zu trockenen) Nahrung wäre die Verweildauer hochverdaulicher Partikel im Blinddarm länger, die Bakterienflora "kippt" dann dort und produziert mehr Ammoniak...der ph-wert steigt und schafft einen besseren Nährboden für Erreger, die dann vom Blinddarm in den Grimmdarm weitertransportiert werden und dort den Darmabschnitt überwuchern?

Viele Grüße,
Simone


Zuletzt bearbeitet von buki am 19.03.2011 01:23, insgesamt einmal bearbeitet
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davX
Team


Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 19.03.2011 00:41    Titel: Re: Ernährung bei Hefenbefall Antworten mit Zitat

Huhu,

mit Literatur kann ich zur Zeit gerade nicht dienen - die liegt zuhause. Allerdings hatte ich mich vor einigen Jahren ziemlich tief in die Verdauungsliteratur reingekniet, so dass ich sicher das eine oder andere zusammenkratzen kann (Und Literaturangaben dazu kann ich selbstverständlich nachliefern).

Aber der Reihe nach:

Zuerst vielleicht mal ein paar wenige Worte zur Funktion des Darms als Grundlage: Kohlenhydrate werden in verschiedenen Formen aufgenommen... sind zwar wirkliche Basics, aber ich habe schon im Gespräch mit anderen Haltern gemerkt, dass das manchmal wichtig ist, von ganz vorne anzufangen. Also wir haben neben den Einfachzucker, die direkt verdaut werden können also auch Mehrfach bzw. Vielfachzucker (Oligo-(Polysaccharide), bei denen es jedoch Unterschiede bezüglich der Verdaubarkeit gibt: leicht verdaubar ist die Stärke, schwerer verdaubar sind die Hemicellulosen (wobei diese nicht homogen sind wie die Cellulosen, sondern aus verschiedenen Zuckerarten bestehen... ob auch Lipide und andere Komponenten noch dazu gehören, das kann ich jedoch nicht sagen, da ich das nicht mehr so genau im Kopf habe und nie mich richtig tief damit konkret beschäftigt habe) und als schwer verdaulich gelten die Cellulosen. Letztere können aufgrund ihrer Bindungen erst im Dickdarm (Grimmdarm und Blinddarm) dank entsprechenden Mikroorganismen aufgespalten werden und passieren den Dünndarm beim gesunden Tier unverdaut. Die Stärke dagegen wird zu guten Teilen (aber nicht komplett) von den Enzymen (von Bedeutung ist da die Enzymaktivität und die Menge an Stärke) aufgeschlossen.

Bei kranken Tieren kann es natürlich unter anderem auch zur Besiedelung des Dünndarms mit Mikroorganismen kommen, was wiederum Probleme verursachen kann. Ich muss aber zugeben, dass ich mich konkret mit der Pathologie nicht näher beschäftigt habe. In dem Bereich dürfte man aber auch eher in der Humanmedizin fündig werden. Das Thema Verdauung ist nämlich auch sonst schon komplex genug.

Nun aber zu deinen konkreten Überlegungen und Fragen:

Zitat:

Hefen ernähren sich in erster Linie von Einfachzuckern und müssten ab dem Grimmdarm (?) / im Dickdarm auftreten.

Im Normalfall ja, aber soweit ich weiss kann es auch zu Fehlbesiedelungen im Dünndarm kommen. Ob davon auch Pilze betroffen sind oder nur Bakterien ist mir allerdings nicht bekannt. Aber dieser Punkt müsste sicher genauer unter die Lupe genommen werden. Bzw. würde ich bi einem kranken Tier nicht per se ausschliessen, dass pathogene Mikroorganismen sprich Pilze auch im Dünndarm vorkommen, wo sie eigentlich nicht hingehören.

Zitat:

Der ph-Wert liegt hier normalerweise bei ≦ ph 6,5 (standardisierte Nährmedien für Hefen haben denselben ph-Wert, die leicht saure Tendenz klingt für mich nach "Wohlfühlfaktor"). Bei einem Befall müsste er dann doch eher in den basischen Bereich steigen, als noch mehr in den sauren sinken?

Wie sich der pH im Darm verhält bei Hefebefall ist mir nicht bekannt. Was aber die Ansäuerung angeht oder Übersäuerung, wie es so schön heisst, da ist die Theorie dahinter die folgende:

Es gibt Nahrungsmittel, bei denen der Harn saurer wird und andere welche diese Wirkung nicht haben. Der saure Harn wird gemäss jener einschlägigen Literatur bei Stärke/Kohlenhydrate, Fleisch und noch einige andere Produkte festgestellt. Die Theorie lautet nun, dass saurer Harn (beim Menschen) Indikator für einen übersäuerten Körper ist. Im Prinzip sagt das alles aber noch nicht viel aus über das was im Dickdarm selber abgeht, ausser eben dass vermutlich die verkürzte Botschaft Zucker = Säurebilder sich im Kopf der Leute festgesetzt hat und vermutlich in der oben zitierten Passage eingeflossen ist. Wieviel Wahres an der Übersäuerungstheorie dran ist und was die genauen Details sind, da bin ich allerdings zu wenig bewandert.
Aber wir hatten vor einer guten Weile mal das Thema saurer Harn bei Tiere und Krankheiten. Atropa belladonna kann dir da vielleicht was dazu erzählen, aber inwiefern das noch dem Thema selber dienlich ist, kann ich natürlich nicht sagen.

Zitat:

Nur – werden die Zucker (insofern frei zugänglich) nicht schon vorher alle verwertet? Ebenso die Mehrfachzucker – jene müssten schon beim Speichel angefangen vor dem Dickdarm gespalten, abgebaut und bereits aufgenommen werden.

Ich habe es zwar schon in der Einleitung erwähnt, aber nehme das Thema noch einmal auf. Wie erwähnt, es wird nicht zwingend alles verdaut, überhaupt ist die Effizienz der Verdauung niemals bei 100%, ein kleiner Rest bleibt immer unverdaut, aber wenn die Verdauung gut funktioniert sollte möglichst viel vom Speisebrei verdaut werden, klar. Das hängt aber eben von der Menge der Mehrfachzucker ab, je mehr das sind und je geringer die Enzymaktivität, desto mehr unverdaute Mehrfachzucker werden letztlich im Dickdarm ankommen. Bei den Einfachzuckern selber kommt es soweit ich weiss auch wiederum auf die Transportleistung der Carrier an, welche die Zucker aus dem Verkehr ziehen, um das mal etwas bildlich auszudrücken. Das sind also im Prinzip Kanäle in der Darmwand, welche auf diese Zucker reagieren und diese transportieren, wobei ihre Transportleistung wiederum biochemisch sich steuern lässt... Details dazu habe ich aber leider nicht mehr präsent.
Also auch hier gibt es Beschränkungen und Möglichkeiten das Nährstoffe unverdaut oder nur vorverdaut im Grimmdarm ankommen. Verstärkt wird dieses Problem noch durch Beschädigung der Darmwand im Dünndarm und deren Carrier. Oder mit anderen Worten: Fehlbesiedlungen, Entzündungen im Darm usw. können alle wiederum die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen und das Problem verschärfen (Teufelskreis).


Auch beim Speichel findet übrigens nur eine Vorverdauung statt, die auch nur partiell ablaufen kann. Ferner besitzen nicht alle Tiere Amylase im Speichel. Ich hatte zwar mal versucht dazu Genaueres in Erfahrung zu bringen, fand aber zumeist nur sehr ungenaue Angaben. Konkret zum Kaninchen könnte ich diese Frage also nicht beantworten und ich denke es dürfte auch schwierig sein.

Zitat:

Das Einzige, was mir nun noch für den Dickdarm einfällt, wäre der Zucker aus den groben / unverdaulichen Partikeln bzw. der Cellulose...aber wird jene dort überhaupt noch abgebaut? Falls ja – wäre es denn dann nicht völlig egal, ob das Kaninchen mehr Zucker frisst?

DAS ist der springende Punkt! Genau hier kommt der Clou bei der ganzen Zelluloseverdauung und zwar die Art und Weise wie das geschieht:
Enzyme bauen den Zucker in Einfachzucker ab, die dann von der Darmwand aufgenommen werden können. Im Dickdarm ist das so nicht möglich und die Mikroorganismen haben eine andere Verstoffwechslung. Diese bauen den Vielfach- und Mehrfachzucker letztlich in Milchsäure um. Durch die anaerobe Vergärung ensteht so quasi Essig im Darm, weil die Mikrorganismen nach der Spaltung zu Zucker (durch Zellulasen) ihn einfach weiter abbauen. Insofern wären wir also wieder beim sauren Millieu, wo ich mich oben gefragt habe, wieso man auf sowas kommt.
Es geht hier aber auf der anderen Seite um die Vergärung durch Mikroorganismen allgemein und nicht speziell Pilze.

Zitat:

Der einzige sinnvolle Rat, der mir zu Hefen nach dieser Überlegung einfällt wäre ein hoher Durchspüleffekt (Nahrungsvolumen, Wassergehalt...).

Das wäre in der Tat eine Schlussfolgerung, die auch mir logisch erscheint. Was viele Leute nämlich vergessen ist der Sinn des Durchfalls. Der Darm produziert mehr Flüssigkeit um problematische Stoffe aus dem Darm auszuscheiden, seien das nun Parasiten oder Giftstoffe usw.

Zitat:

Eine weitere Interessenfrage wäre, ob im Blinddarm Cellulose (Partikel < 0,5mm) mit abgebaut wird, oder mit dem BDK ausgeschieden.

Kleine Partikel werden durch den Trennungsmechanismus im Grimmdarm (CSM von engl. colon separation mechanism) zurückgehalten und durch antiperistaltische Bewegungen entlang der Poschen (Aussackungen der Darmwand) zurück in den Blinddarm transportiert. Grobe Partikel dagegen werden ausgeschieden. Wo genau der Schwellwert ist, weiss ich allerdings nicht auswändig.

Andreas hat Folgendes geschrieben:

Wenn man diese unangenehmen Darmbegleiter "aushungern" will, wie es immer so schön formuliert wird, müsste man gerade das Heu weglassen, weil das auch viel Zucker enthält (>10%).

Gut, was ich mir hier für Fragen stellen würde wäre halt: wo sitzt dieser Pilz und wie ernährt er sich? Weil im Prinzip müsste er sich im Konkurrenzkampf zu den Mikroorganismen im Blinddarm behaputen, die ansonsten ihm die Zellulose zu für ihn wertlose Milchsäure vergären. Und damit wären wir wieder bei der intakten Darmflora. Ist diese vorhanden, hat der Pilz keinen Platz sich übermässig zu vermehren, weil die Konkurrenz schlicht zu gross ist.

Zitat:

Das Märchen vom "Rohfaser"-verdauenden Kaninchen hält sich leider sehr hartnäckig, diese Tierärztin trägt wesentlich dazu bei.

Naja, das Problem ist, dass es eben nur die halbe Wahrheit ist. Die Rohfaser wird verdaut wenn sie genug klein ist, dass sie im Darm zurückbleibt. Aber das wissen vermutlich nur die wenigsten, ebenso den Sinn, dass nach nährstoffreichen Pflanzen(teile) selektiert wird. Nichts ist mühsamer als eine halbwahre Sache, da man es nicht einfach ohne Widerrede von der Hand weisen kann.
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
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BeitragVerfasst am: 19.03.2011 01:07    Titel: Re: Ernährung bei Hefenbefall Antworten mit Zitat

Zitat:

Inwiefern würde diese "Melasse" denn ins Gewicht fallen? (s.o.)

Spielst du auf den Melassegehalt in Pellets an?
Falls ja, wir hatten das einmal irgendwo ausgerechnet, der liegt glaubs bei 4% oder so, jedenfalls im einstelligen Bereich und wenn man noch bedenkt, dass 50% der Melasse nur Zucker ist, dann ist der prozentuale Anteil von Zucker noch geringer. Eine junge Karotte kann zum Vergleich gut und gerne 6% Zucker haben und das ist auch nur für die wenigsten ein Grund sie nicht zu füttern.
Bei den Pellets habe ich persönlich andere Vorbehalte, u.a. dass in vielen Pellets fragwürdige Zusatzstoffe vie Vitamin K3 usw. drin sind.

Zitat:

Eine abnormale Hefenvermehrung wird sowohl als Sekundärerkrankung, als auch als alleinige Folge von "zu zucker-/stärkehaltiger Ernährung" angegeben.

Nur als kleiner Einwurf: Christina (Murx) hatte hier im Forum vor einigen Jahren schon erzählt, dass die Hefen auch bei probiotischen Joghurts gewachsen sind (Nachweis im Kot), während normale Nature-Joghurts keine negativen Effekte auf die Verdauung hatten. Die Reduktion auf zucker-/stärkehaltige Ernährung scheint mir angesichts dieser Beobachtung etwas zu einfach... ich denke halt da mehr in Richtung Störung der Darmflora und dazu braucht es offensichtlich nicht zwingend Zucker/verdauliche Kohlenhydrate.

Zum Zitat der Tierärztin, ich habe es mir jetzt nochmals durchgelesen... ich zerlege das mal Satz für Satz:

Die wichtigste Nahrungsquelle der Hefen ist Zucker.
-> das dürfte wohl richtig sein.

Durch stärke- und zuckerreiches Futter bietet man ihnen die perfekte Grundlage. Die Stärke wird im Darm zu Zucker umgewandelt, der durch die Hefen vergoren wird.
-> was in den Darm reingeht ist nicht zwingend mit dem gleichzusetzen, was rauskommt. Insofern fragwürdig, wie sehr diese Aussage zutrifft, sprich sie ist für meinen Geschmack wenig differenziert und müsste mit detaillierter Literatur untermauert werden.

Es entstehen Gase, die auf die Darmwand drücken. Dadurch werden die Blutgefäße komprimiert und die Blutversorgung des Darmgewebes stark beeinträchtigt. Diese Aufgasungen können nicht nur lokal das Darmgewebe schädigen, sondern auch zu Kreislaufversagen und Herzstillstand führen.
-> Das mag alles richtig sein, aber setzt voraus, dass die Hefen ihre Kohlenhydrate bekommen und nicht aufgrund einer gesunden Darmflora (Konkurrenzkampf) die Hefen ausgebremst werden.

Zusätzlich sinkt durch den Zucker der pH-Wert in den sauren Bereich, wodurch essentielle Darmbakterien – v. a. Laktobazillen – absterben und somit mehr Angriffsfläche für Hefen und schädliche Bakterien wie e.coli geboten wird.
-> Bei der Vergärung sinkt der pH ja. Allerdings auch durch die Aktivität der Lactobazillen, denn diese stellen ja die Milchsäure her und sterben - Irnie des Schicksals an ihren eigenen Abfällen (Milchsäure). Das Problem ist m.E. weniger das saure Millieu, denn die Nebenprodukte, die erzeugt werden bei übermässigem Wachstum pathogener Keime, was aber wieder ein gestörtes Gleichgewicht der Darmflora benötigt.

Diese unerwünschten Keime können die Zellulose (Rohfaser) in der Nahrung nicht aufspalten und so auch nicht die für den Stoffwechsel wichtigen Stoffe und Vitamine synthetisieren.
-> auch hier wieder geht es um die Konkurrenz im Darm und die Vielfalt

Durch die verminderte Fähigkeit des geschädigten Darms, dem Verdauungsbrei Wasser zu entziehen, kommt es zu Durchfall.
-> Es fragt sich ob der Durchfall das Problem ist oder ein Versuch zur Lösung des Problems? Wenn Durchfall als Reinigungsversuch des Darms gewertet wird, wäre nicht der Durchfall selber das Problem, sondern dass das Problem durch den Durchfall nicht behoben werden kann.

Die Folgen sind Nährstoff- und Wassermangel, der das Stoffwechselsystem des Kaninchens nachhaltig und negativ beeinflusst.
-> Die Aussage mit dem Nährstoffmangel ist fragwürdig, zumal die meisten Nährstoffe im Dünndarm resorbiert werden (ausser Elektrolyte, kurzkettige Fettsäuren und eben Wasser). Dazu kommt, dass es Studien gibt, die belegen, dass der Blinddarmkot für Kaninchen offenbar nicht essentiell ist, obwohl lange Zeit Gegenteiliges angenommen wurden, da durch die Verhinderung des Kotfressens lange Zeit die Tiere starben. Die wahre Bedeutung des Blinddarmkots scheint auch heute noch von der überwiegenden Mehrheit wenig verstanden zu sein. Dieser Kot scheint nämlich eine Art Notnahrung darzustellen. Auch die Vitaminproduktion ist wahrscheinlich eher ein nützliches Nebenprodukt, denn eine (überlebens)wichtige Funktion für die Kaninchen. Da er vor allem nährstoffreich ist (wegen den nährstoffreichen Mikroorganismen, die sich darin befinden), wird er oft auch vermehrt bei Nahrungsmangel gefressen. Dies ist dann noch extremer beim Hartkotfressen ausgeprägt, was neben Hasen aus der Gattung Lepus auch bei den Hauskaninchen beobachtet wurde.
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buki
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 18.03.2011
Beiträge: 44
Wohnort: Nahe Heidelberg

BeitragVerfasst am: 19.03.2011 01:30    Titel: Re: Ernährung bei Hefenbefall Antworten mit Zitat

davX hat Folgendes geschrieben:

Spielst du auf den Melassegehalt in Pellets an?


Nein, ich meinte den Zuckeranteil im Heu.

Danke für deine ausführlichen Antworten! Ich muss das erst Mal bis morgen sacken lassen Smile
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 19.03.2011 01:50    Titel: Re: Ernährung bei Hefenbefall Antworten mit Zitat

Ich hoffe du findest dich in meinen unstrukturierten Äusserungen zurecht.

Zur Melasse, ah ok, dann habe ich das missverstanden.
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buki
Nager-Erforscher


Anmeldungsdatum: 18.03.2011
Beiträge: 44
Wohnort: Nahe Heidelberg

BeitragVerfasst am: 19.03.2011 22:36    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo nochmal,

deine Ausführungen sind wirklich sehr aufschlussreich und haben mir sehr weitergeholfen, vielen Dank!

Darüber, ob die Pilze auch im Dünndarm auftreten können, habe ich bisher leider noch nichts gefunden. Dank deinem Input bin ich über folgende Zusammenfassung gestolpert, die den Kreis für mich schliesst:

Zitat:
Cecal dysbiosis occurs when the rabbit consumes a diet that is too rich in sugars and simple carbohydrates. Owners frequently feed a ration that has whole or cracked corn as well as dried fruits and seeds in it. Excessive amounts of fruit, crackers, cereals, and commercial “yogurt drop” treats are often fed. If one stops to think about the way the cecum functions, it quickly becomes obvious why this creates a problem. In the rabbit colon, large particles are propelled out and are excreted in the form of dry, fibrous “waste” droppings. Small particles are moved retrograde back up to the cecum where they are processed by a well-balanced population of bacteria and yeast. The dominant bacterial population is Bacteroides species (Cheeke, 1987). The dominant yeast is Saccharomyces guttulatus. The main end product of fermentation by the Bacteriodes organisms is the volatile fatty acid, butyric acid. A considerable amount of energy is needed by these hindgut tissues because the rabbit colon is extensively responsible for absorption of electrolytes and nutrients. Butyric acid is the preferred fuel for this hindgut metabolism (Cheeke, 1987). Hence, Bacteriodes plays a significant role in the health and function of these tissues.

In cases of cecal dysbiosis, a large amount of Saccharomyces guttulatus is frequently seen on microscopic examination of the malformed cecotropes. Excessive sugars and simple carbohydrates causing this yeast overgrowth and an imbalance of the bacterial flora can be understood if one considers how yeast react in general. Consider that when making bread or beer it is essential to add sugar to the yeast mixture initially to “activate” the yeast. Adding excessive sugars to the “fermentation vat” of the cecum can quickly cause an overgrowth of yeast. Yeast overgrowth and cecal dysbiosis in general are best addressed with supportive care as indicated by the patient’s status, and strict diet changes. All forms of sugars and simple carbohydrates must be eliminated from the diet and the rabbit needs to be encouraged to consume adequate amounts of coarse fiber. It is best to eliminate concentrated nutrition sources such as pellets at this time and put the rabbit on a diet strictly limited to hay and leafy green vegetables.

(Rabbit GI Disease, S.A. Kelleher, 80th Western Veterinary Conference)

Saccharomyces guttulatus sind Teil der Darmflora im Blinddarm. Wenn ich das richtig verstehe, ist die Aussage von Frau Kelleher die, dass ein zu hoher Zucker-/Kohlenhydratanteil in der (nicht artgemäßen) Nahrung die Darmflora im Blinddarm deiner Beschreibung entsprechend aus dem Gleichgewicht bringt. Die Zucker/Kohlenhydrate aus den hochverdaulichen Partikeln kurbeln die Gärprozesse dort an, mehr Buttersäure wird freigesetzt, die Bakterienflora im Dickdarm kommt zugunsten der Hefen aus dem Gleichgewicht, v.a. wenn das Tier sonst nur noch Heu frisst...

davX hat Folgendes geschrieben:
Weil im Prinzip müsste er sich im Konkurrenzkampf zu den Mikroorganismen im Blinddarm behaputen, die ansonsten ihm die Zellulose zu für ihn wertlose Milchsäure vergären. Und damit wären wir wieder bei der intakten Darmflora. Ist diese vorhanden, hat der Pilz keinen Platz sich übermässig zu vermehren, weil die Konkurrenz schlicht zu gross ist.


Klingt logisch Mr. Green
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Andreas
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Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 20.03.2011 22:09    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Simone,

normalerweise ist der gesamte Darm leicht sauer. Der höchste Bakteriengehalt wird im Dickdarm und vor allem Blinddarm gemessen. Im Dünndarm ist er relativ niedrig. Vorherrschend sind grampositive Bakterien, wobei 50% aerobe Sporenbildner und 39-45% anaerobe, sporenlose Laktobazillen sind. Einzig Im Ileum liegt schwankt der pH-Wert zwischen 6,5 – 7,5, also einem neutralen Bereich. Diese Werte wurden von Matthes (1981) gemessen und sie stimmen weitgehend mit denen von Lebas überein (Blinddarm pH = 6,1).

Für das leicht saure Milieu sind natürlich auch die Laktobazillen verantwortlich, denn sie produzieren aus Zucker Milchsäure. Das heißt schlicht und ergreifend, sie brauchen Zucker. Außerdem ist für den Prozess der Gärung (so wird dieser Prozess genannt) Wasser nötig. Theoretisch würde bei einer gesteigerten Aktivität Der Gärung der pH weiter sinken. Ich vermute, dass sich die Tierärztin auf diese Theorie bzw. den Vorgang der Silierung bezieht. Theoretisch kann ich ihr folgen, allerdings gibt es keine Belege, dass dieser Prozess in der von ihr beschrieben Form zu Krankheiten führt. In all der Literatur, die ich in den letzten Jahren verschlungen habe, gibt es nicht einen Hinweis auf einen solchen, stark niedrigen pH-Wert im Darm (egal, in welchem Abschnitt). Ein offensichtlicher Fehler ist ihre Darstellung, dass der pH-Wert durch falsche Fütterung in den sauren Bereich absinken würde. Das setzt voraus, dass er sich vorher, bzw. normalerweise im basischen Bereich befindet und das ist falsch.

Stärke wird durch Amylase zu Glukose abgebaut. Amylase kommt entweder aus dem Speichel, dem Futter oder von Bakterien aus dem Blinddarmkot. Leichtlösliche Kohlenhydrate werden im Dünndarm verdaut und resorbiert (in die Blutbahn befördert).

Diese Umwandlungsprozesse von Zucker und Stärke sind also etwas völlig normales und nicht wie von der Ärztin dargestellt, abnorm. Dass Kaninchen auf Zucker und auch Stärke angewiesen sind, zeigt sich schon allein an ihrer Nahrung: die besteht nicht umsonst zu einem großen Teil aus Süßgräsern und nach Verfügbarkeit auch aus den kultivierten Süßgräsern, Getreide genannt. Wir füttern unsere Tiere schon jahrelang an allen, gängigen Empfehlungen vorbei. Das heißt, sie bekommen Massen an frischen Grün und natürlich auch Getreide. Vor allem im Winter ist der Anteil an diesem Teufelszeug recht hoch. In der Literatur findet sich oft die Feststellung, dass die Fähigkeit junger Kaninchen, Stärke abzubauen, erst ab einem Alter von 8 Wochen voll intakt ist. Mal abgesehen davon, dass dann wachsende Wildkaninchen, die ab der 2.-3. Woche das Nest verlassen und selbstständig Nahrung aufnehmen, ein großes Problem hätten: unsere Jungtiere fanden nach dem Verlassen des Nestes immer genau das vor, was auch die Elterntiere fressen. Dazu gehört eben auch Getreide, und das nicht zu knapp. Wwir stellen in der Regel von allem, was wir anbieten, sehr reichlich zur Verfügung. Ich traue mich jetzt aber nicht, „ad libitum“ zu schreiben, weil ich nicht weiß, ob der Begriff inzwischen patentiert ist. Wink

Im Blinddarm wird nicht Rohfaser an sich, sondern Fraktionen (Anteile) von dieser von Bakterien vernascht: das sind die Pektine und Xylane (Hemizellulosen). Diese gelangen aber nur dann in den Blinddarm, wenn sie kleiner als 0,3mm sind, der Rest geht durch Dickdarm in den „Hartkot“. Bei dem Abbau dieser Faserfraktionen entstehen flüchtige Fettsäuren, die durch die Darmwände in die Blutbahn gelangen. Hier ergibt sich schon ein erster Hinweis auf ein mögliches Problem in der Verdauung: ein Teil der Nahrung geht nämlich relativ schnell durch den Darmtrakt und sorgt so für die nötige Peristaltik, ein anderer wird vom „Fusus coli“ aus, einem Abschnitt im Dickdarm, wieder zurück (also gegenläufig zum Nahrungsstrom) in den Blinddarm befördert, wo ihn Bakterien nutzen.

Normalerweise, das heißt, bei einer arttypischen Nahrung, befindet sich alles im Gleichgewicht. Kohlenhydrate, Rohfaser, Wasser, pH-Werte – alles passt. Manche pathogene Keime befinden sich auch im gesunden Kaninchen, sie haben aber keine Chance, weil die anderen schon da sind und für Ordnung sorgen.

Fekete (1993) hat Folgendes geschrieben:
Kaninchen nehmen Futter mit fester Struktur lieber auf. Wird ihnen feingemahlenes Futter als alleinige Nahrungsquelle gereicht, so verweigern sie in drei Tagen jegliche Futteraufnahme. Deshalb muß Mischfutter pelletiert bzw. feuchtkrümelig verabreicht werden. Die Pellets sollten einen Durchmesser von 3 - 5 mm haben und nicht länger als 10 -12 mm sein. Wird Getreide als Beifutter verabreicht, ist es grundsätzlich unzerkleinert einzusetzen.“

Ein weiterer Hinweis auf ein mögliches Problem - die Partikelgröße eines Futters. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: weil Kaninchen eine bestimmte Futterkonsistenz verweigern, muss man es halt zusammenpappen. Dann fressen sie es auch. Das machen ja manche Hobbypanscher heute auch.

Die Tiere haben dabei einen guten Grund, solches Futter zu verweigern, es macht sie nämlich krank. Darmkrank. Eine ganz wichtige Größe wird jetzt nämlich völlig missachtet – die nötige Peristaltik. Ich gehe jetzt nur auf die Partikelgröße ein, dass eine Reihe anderer Probleme mit solchem Mist entstehen, liegt auf der Hand. Das Futter enthält hochenergetische Bestandteile, die in sehr kleiner Form vorliegen. Der größte Teil dieses Futter geht also nicht mehr am Blinddarm vorbei, sondern wird in den Blinddarm befördert. Dort machen sich Bakterien darüber her. Dieses Futter darf nur rationiert angeboten werden, weshalb auch die gesamte Menge im Darm sehr gering ist. Die Bakterien haben also schön lange Zeit, sich mit den Krümeln zu beschäftigen. Das gärt jetzt alles vor sich hin und wird nicht erneuert. Dadurch kippt das Darmmilieu. Die Folgen sind aber kein zu niedriger pH-Wert, sondern ein steigender.

Matthes (1981) hat die pH-Werte darmkranker Tiere gemessen – sie lagen alle über 7, also im basischen Bereich. Das ist auch der Bereich, in dem sich pathogene Keime aller Art so richtig wohlfühlen. Das sich die Erkrankungen im Blinddarm abspielen, wird dadurch festgestellt, das der höchste Keimgehalt (auch Hefen) sich zuerst im Blinddarmkot findet.

Der Punkt „Darminhalterneuerung“ spielt auch bei anderen Fütterungsfehlern eine Rolle: bei exzessiver Heufütterung und/oder rationierter Ernährung. Dadurch entstehen „Leerräume“, die von Bakterien genutzt werden, die nicht in den gesunden Darm gehören (jedenfalls nicht in großer Zahl).

Durchfall ist eigentlich eine typische Reaktion des Darms, schädliches Zeug loszuwerden. Er versucht praktisch, sich frei zu spülen. Der Mensch macht ihm aber zum Beispiel mit einer „Heudiät“ einen Strich durch die Rechnung. Der Halter jubelt, weil der Durchfall weg ist (logisch bei viel trockener Nahrung), aber der Körper wird die Gifte nicht los.

Ich muss an der Stelle erst einmal schließen, weil mir die Zeit nicht reicht – habe zur Zeit leider jede Menge Baustellen… Wink
freundliche Grüße,
Andreas

Literatur:
Fekete, S. (1993): Ernährung der Kaninchen. In: Ernährung monogastrischer Nutztiere, Kapitel 4. Wiesemüller, W. und Leibetseder, J. [Hrsg.]. Jena, Stuttgart: G. Fischer. ISBN 3-334-60428-4.

Lebas, F. et al. (1997): The Rabbit - Husbandry, Health and Production. FAO Animal Production and Health Series No. 21. Rome: Agriculture and Consumer Protection of Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO). ISBN 92-5-103441-9

Matthes, S. (1981): Untersuchungen über die bakterielle Darmflora von Kaninchen. Kleintierpraxis 26. 383 386.
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Andreas
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Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 21.03.2011 14:32    Titel: Antworten mit Zitat

Vergessen: Zu dem Auszug aus "Rabbit GI Disease":
Dort wird der Begriff "excessive sugars" benutzt. Mit anderen Worten, ein übermäßiger Einsatz von Zucker in der Nahrung. Nun ist es aber so, dass sehr häufig Halter mit Laborzetteln herumwedeln, auf denen der Befund "Hefen" steht, die gar keine kommerziellen Trockenfutter füttern. Die machen alles schön vorbildlich so, wie es der jeweilige Forenbetreiber es vorgibt: kein Trockenfutter und kein Getreide. Wo soll denn jetzt der viele Zucker herkommen? Aus der Möhre? Das glaubt doch keiner im Ernst, oder? Wink

Kohlenhydratgehaltgehalt:
Löwenzahn: 9,1 g/100g
Mohrrübe : 4,8 g/100g

Quelle: https://www.uni-hohenheim.de/wwwin140/info/interaktives/lebensmittel.htm

Der Kohlenhydratgehalt im Löwenzahn ist doppelt so hoch wie der in der Möhre, die neuerdings als Übeltäter schlechthin gilt. Unsere Tiere müssten jetzt seit Anfang März herumlaufen wie Hefebottiche, weil die an Löwenzahn 'reinspachteln, was nur geht.
Man darf bei den ganzen Fachquellen eines nicht vergessen: Die Untersuchungsergebnisse wurden ausschließlich (zumindest die, die ich kenne) mit kommerziellen Futtermitteln für die Mast bzw. Zucht gewonnen.

Kaninchen brauchen Kohlenhydrate, weil sich davon die Laktobazillen ernähren. Das Problem ist ein ganz anderes...

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Andreas
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Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 21.03.2011 14:34    Titel: Antworten mit Zitat

Vergessen: Zu dem Auszug aus "Rabbit GI Disease":
Dort wird der Begriff "excessive sugars" benutzt. Mit anderen Worten, ein übermäßiger Einsatz von Zucker in der Nahrung. Nun ist es aber so, dass sehr häufig Halter mit Laborzetteln herumwedeln, auf denen der Befund "Hefen" steht, die gar keine kommerziellen Trockenfutter füttern. Die machen alles schön vorbildlich so, wie es der jeweilige Forenbetreiber es vorgibt: kein Trockenfutter und kein Getreide. Wo soll denn jetzt der viele Zucker herkommen? Aus der Möhre? Das glaubt doch keiner im Ernst, oder? Wink

Kohlenhydratgehaltgehalt:
Löwenzahn: 9,1 g/100g
Mohrrübe : 4,8 g/100g

Quelle: https://www.uni-hohenheim.de/wwwin140/info/interaktives/lebensmittel.htm

Der Kohlenhydratgehalt im Löwenzahn ist doppelt so hoch wie der in der Möhre, die neuerdings als Übeltäter schlechthin gilt. Unsere Tiere müssten jetzt seit Anfang März herumlaufen wie Hefebottiche, weil die an Löwenzahn 'reinspachteln, was nur geht.
Man darf bei den ganzen Fachquellen eines nicht vergessen: Die Untersuchungsergebnisse wurden ausschließlich (zumindest die, die ich kenne) mit kommerziellen Futtermitteln für die Mast bzw. Zucht gewonnen.

Kaninchen brauchen Kohlenhydrate, weil sich davon die Laktobazillen ernähren. Das wirkliche Problem ist ein ganz anderes...

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buki
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Anmeldungsdatum: 18.03.2011
Beiträge: 44
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BeitragVerfasst am: 22.03.2011 01:23    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Andreas,

vielen, vielen Dank, dass du dir soviel Zeit für eine ausführliche Antwort genommen hast! Das ist wirklich Wahnsinn.

Das wirkliche Problem ist ein anderes...mhm. Du schreibst, dass die ph-Werte darmkranker Tiere Messungen zufolge im basischen Bereich lagen. Ebenso, dass "wenig Stärke und viel Rohfaser" die Ammoniakkonzentration im Blinddarm steigen lassen. Da Ammoniak basisch ist, würde ich mir so den Anstieg des ph-Wertes und das veränderte Darmmilieu erklären. Vermutlich bildet ein basisches Klima auch eine bessere Plattform für Krankheitserreger. Stärke wird zu Zucker abgebaut, der Zucker wird von den Laktobazillen verwertet, die produzieren Milchsäure. Wenn die Laktobazillen also weniger Zucker bekommen, wird weniger Milchsäure produziert, die den ph "unten hält" bzw. dem Ammoniak entgegenwirkt.

Nun scheint von einem Ernährungsstandpunkt aus eher die Richtung "zu wenig Zucker" bzw. eine zu ballaststoffreiche Nahrung / hohe Verweildauer hochverdaulicher Partikel im Blinddarm das Problem. Das bekomme ich z.B. mit zu viel Rohfaser (Heu) hin, mit beschädigter Rohfaser / feingemahlener Nahrung, einer hohen Trockensubstanz...eine Fütterung, die größtenteils aus Heu besteht, "vergiftet" sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes über zuviel Ammoniak den Darm? Shocked

Was ich nicht ganz verstehe – Ammoniak wird als "Abbauprodukt der Aminosäuren" angegeben. Wenn ein Kaninchen eine ballastoffreiche Mangelernährung erfährt, müsste es doch auch einen Aminosäurenmangel haben. Wie genau kommt es zu einem solchen Anstieg des Ammoniakgehalts im Blinddarm? Über den Abbau von Proteinen oder auch anderweitig?
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Andreas
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Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 22.03.2011 13:22    Titel: Antworten mit Zitat

buki hat Folgendes geschrieben:
Du schreibst, dass die ph-Werte darmkranker Tiere Messungen zufolge im basischen Bereich lagen. Ebenso, dass "wenig Stärke und viel Rohfaser" die Ammoniakkonzentration im Blinddarm steigen lassen. Da Ammoniak basisch ist, würde ich mir so den Anstieg des ph-Wertes und das veränderte Darmmilieu erklären. Vermutlich bildet ein basisches Klima auch eine bessere Plattform für Krankheitserreger. Stärke wird zu Zucker abgebaut, der Zucker wird von den Laktobazillen verwertet, die produzieren Milchsäure. Wenn die Laktobazillen also weniger Zucker bekommen, wird weniger Milchsäure produziert, die den ph "unten hält" bzw. dem Ammoniak entgegenwirkt.

Nun scheint von einem Ernährungsstandpunkt aus eher die Richtung "zu wenig Zucker" bzw. eine zu ballaststoffreiche Nahrung / hohe Verweildauer hochverdaulicher Partikel im Blinddarm das Problem. Das bekomme ich z.B. mit zu viel Rohfaser (Heu) hin, mit beschädigter Rohfaser / feingemahlener Nahrung, einer hohen Trockensubstanz...eine Fütterung, die größtenteils aus Heu besteht, "vergiftet" sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes über zuviel Ammoniak den Darm?

Simone, Du bist echt Klasse!

Das ist eine Zusammenfassung zu einem Problem von Wenger, die auch Deine zweite Frage beantworten sollte:
Wenger 1997 hat Folgendes geschrieben:
MORISSE et al (1985) beschreiben die Gefahr von Durchfällen durch eine Ration mit viel Faser und wenig Stärke. Ein reichliches Angebot an fermentierbaren Kohlenhydraten bewirkt, wie auch von HERRMANN (1989) beobachtet, durch die Bildung flüchtiger Fettsäuren eine Absenkung des pH-Wertes im Caecum. Diese wiederum führt dazu, daß sich Clostridien nicht vermehren können. Wird nun mehr unverdauliche Faser und weniger Stärke mit dem Futter, aufgenommen, steigt der pH-Wert im Blinddarm und auch der Gehalt an Ammoniak, da die bakterielle N-Fixierung (Bildung von Bakterienprotein) zurückgeht. Die Milieubedingungen sind somit ungünstiger für die normale Flora, und Clostridien können sich gut vermehren. Weiterhin können zu hohe Gehalte an unverdaulicher Faser eine Anschoppung im Blinddarm bewirken (CHEEKE 1983).


Übrigens: Proteine sind immer da, auch aus dem Heu – der Anteil darin ist sogar recht hoch. Wenn einzelne Aminosäuren fehlen oder nur in geringen Mengen vorliegen, heißt das nicht, dass der Gesamtproteingehalt niedrig ist. Wink Das Protein ist dann „nur“ qualitativ geringwertiger (Stichwort „Liebig’sches Fass“). Die Verdaulichkeit sinkt, weshalb auch unverdautes Eiweiß im Blinddarm zurückbleibt. Das ist alles sehr komplex und nie ein einzelnes, isoliertes Problem. Für den Gärprozess bzw. dessen Gleichgewicht ist ja auch z. B. ein bestimmter Wassergehalt wichtig. Und so stürzt man von einem Problem zum nächsten wenn man anfängt, vom Optimum abzuweichen.

Die Hefen profitieren von einem veränderten Darmmilieu genauso wie pathogene Keime. Außerdem natürlich von weiteren, primären Faktoren.

Ewringmann 2005 hat Folgendes geschrieben:

Darmmykose: Nicht kontagiöse, stets sekundär bedingte Infektion; sehr häufig vorkommend.

Ätiologie & Pathogenese:
Darmmykosen werden durch Saccharomyces guttulatus hervorgerufen. Einzelne dieser Hefepilze sind fast immer im Darm von Kaninchen zu finden; bei Veränderung des Darmmilieus kommt es jedoch zu explosionsartiger Vermehrung und Durchfall. Im Darm gesunder Tiere können die Hefen sich nicht ansiedeln, so dass keine Ansteckungsgefahr von Tier zu Tier besteht.


Und jetzt schließen wir den Kreis: Warum können sich Hefen im Darm gesunder Tiere nicht ansiedeln? Weil ihnen dort das Milieu zu "unangenehm" ist. Wink

freundliche Grüße,
Andreas

Literatur:

Ewringmann, A. (2005): Leitsymptome beim Kaninchen: diagnostischer Leitfaden und Therapie. Stuttgart: Enke. ISBN 3-8304-1020-4.

Wenger, A. (1997): Vergleichende Untersuchungen zur Aufnahme und Verdaulichkeit verschiedener rohfaserreicher Rationen und Futtermittel bei Zwergkaninchen, Meerschweinchen und Chinchilla. Hannover: Tierärztl. Hochsch. Diss.
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buki
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Anmeldungsdatum: 18.03.2011
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BeitragVerfasst am: 22.03.2011 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

Ich danke dir ganz arg! Wieder was gelernt Mr. Green

Wenn ich mir überlege, wie oft bei einem Hefenbefall von Tierärzten zu einer "Heukur" geraten wird, ist das unter den Aspekten wirklich noch heftiger. Puh...
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