Merriams Kängururatte
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Version vom 09:21, 11. Jun 2016
Inhaltsverzeichnis |
Systematik
- Merriams Kängururatte, Merriam’s kanaroo rat /Dipodomys merriami (Shaw 1800)
- Ordnung: Nagetiere (Rodentia)
- Familie: Taschenmäuse (Geomyidae)
- Gattung: Kängururatten (Dipodomys) mit 22 Arten
Verwandtschaft
Vermutlich vor rund 30 Mio. Jahren spalteten sich die Taschenmäuse (Heteromyidae) von den unterirdisch lebenden Taschenratten (Geomyidae) ab, mit denen sie nach genetischen und molekulargenetischen Untersuchungen als Vertreter der Biberverwandten (Castorimorpha) eine Überfamilie bilden (Taschennager, Geomyoidea). Die Familie der Taschenmäuse umfasst drei heute noch lebende Unterfamilien (Heteromyinae, Perognathinae, Dipodomyinae) mit jeweils zwei Gattungen, die in Nord- und Mittelamerika weit verbreitet sind. Die Kängururatten (Dipodomys), zu denen auch Merriams Kängururatte zählt, bilden zusammen mit den Kängurumäusen (Microdipodops) die Unterfamilie der Dipodomyinae.
Beschreibung
Der Körper ist rund und besonders durch großen Kopf auffallend. Kopfrumpflänge 12–15 cm, Gewicht von 40–50. Kleinere Art ihrer Gattung und Gruppe der Arten mit vier Zehen. Das feine Fell der Oberseite, das durch Sekrete einer am Rücken liegenden Drüse oft etwas striemig wirkt, ist gelblich braun gefärbt und scharf vom weißen Bauch abgegrenzt. Hinter den kleinen, dreieckigen Ohren sowie über den Augen ist das Fell weißlich gezeichnet. Der Schwanz weist einen hohen Weißanteil auf, seine Länge entspricht etwa 130 % der Kopf-Rumpf-Länge. Lässt sich durch deutlich breiteres weißes Band am Schanz von der Fresno-Känggururatte (D. nitradiodes) unterscheiden. Die Ohren sind im Gegensatz zu den löffelartigen der Wüstenspringmäusen dreieckig während durch die flache und breite Paukenblase (Bulla tympanica) die Hörleistung im unteren Frequenzbereich (75-3000 Hz) besonders weitreichend und wesentlich für die Orientierung ist. Hierbei unterstützen auch die langen Vibrissen. Eine weitere Besonderheit sind die von innen behaarten Backentaschen, in denen ähnlich wie bei einigen Hörnchen (Sciuridae) Nahrung gesammelt und anschließend in Futterkammern verscharrt wird. Diese ist mit verschiedenen Gängen und weiteren Kammern und Lagern in bis zu 1,2 Metern Tiefe verbunden. Kängururatten haben sich in besonderer Weise ihren kargen und unwirtlichen Lebensraum, in dem monatelang kein Regen fällt, angepasst. Die stark ausgeprägten Nieren und die damit verbundene hohe Leistung machten die Kängururatte zum idealen Forschungsmodell: Sie sind in vielen Lehrbüchern ein Beispiel für ökologische Nischen, Temperaturregulation und besonders hohe Nierenfunktionalität. Aufgenommen wird der gesamte Wasserbedarf durch die Atemluft und Nahrung. Somit ist es ihnen möglich ihre Ausscheidungen fünf Mal mehr zu konzentrieren als der Mensch. Die Temperaturen in den Bauten liegen meist nicht höher als 30°C. Bei 43°C müssten pro Stunde 10% des Körpergewichts für die Temperaturregulation genutzt werden. Da im Bau die Temperatur immer 20°C niedriger und die Luftfeuchte etwa 20% höher liegt als oberhalb ist eine optimaler Ausgleich zwischen Mikroklima und Körperhaltung gegeben (nach Gansloßer).
Verbreitung und Lebensweise
Das riesige Verbreitungsgebiet der Merriam Kängururatten in sandigen und steinigen Wüstenhabitaten verläuft von Nord-Nevada durch die meisten südwestlichen Staaten, Baja California, östlich zu den Trans-Pecos in Texas und südlich bis Aguascalientes im nördlichen Mexiko. Dort meist einzelgängerisch vorzufinden. Einfache Baue, bis zu 1,2 m tief.
Über das Sozialsystem der Kängururatten ist nur wenig bekannt. Nach Untersuchungen von Randall gibt es eine deutlich bessere Duldung unter familienverwandten Individuen, was eine gewisse Aggregation oder der Bauten zur Folge hat. Fremde Tiere werden vehement verjagt. Interessant ist diese Arbeit auch im Hinblick auf die möglichen Gruppenhaltung in manchen Institutionen (siehe Abschnitt Haltung und Pflege). Die Tiere bewohnen einen eigenen Bau mit 2 bis 8 Ausgängen. Es werden verschiedene Kammern, wie Schlaf- oder Futterabteile, genutzt. Für ihre geringe Körpergröße scheint die etwa 0.3 bis 3.7 Hektar Reviergröße enorm.
Haltung & Fütterung
Kängururatten werden selbst in Amerikanischen Zoos nur sehrt selten gezeigt. Von der erfolgreichen Haltung und Zucht in Laboren wird in der Literatur mehrmals berichtet (siehe beispielsweise Daly et al.). Hier scheinen die Merriams Kängururatte und die Ord-Kängururatte (Dipodomys ordii) besonders häufig gehalten worden zu sein. In Europa werden seit den 1990iger Jahren Merriams Kängururatten in Zoologischen Gärten gezeigt und auch in Privathand gehalten. In Deutschland ist es der Zoo Berlin, der im Jahr 1998 die erste Haltung verzeichnet. Für das Konzept „Burgers Bush“ erreicht den Zoo Arnhem 1998 ein Pärchen von einem niederländischen Händler. Eine solide Zucht wird dort nach der Erstzucht im Jahr aufgebaut und 2001 wird den Tieren sogar ein Monitoring-Zuchtbuch eingerichtet. Zwischenzeitlich züchtet auch der Zoo Bristol (UK). Heute ist es nur noch der Zoo Poznan in Polen, der diese Art kontinuierlich nachzüchtet. Einige wenige Geburten konnten in den letzten zwei Jahren aber auch in Pilsen verbucht werden. Während der Herbsttagung der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Kleinsäuger e.V. im Zoo Poznan 2012 erhielt ich ein Pärchen. Die Tiere bezogen zwei Terrarien mit den Kantmaßen 1,2 x 0,6 x 0,6 Meter. Als Bodensubstrat kommt Sand zum Einsatz, der möglichst hoch in das Becken eingefüllt werden sollte, um den natürlichen Grabtrieb befriedigen zu können. Das Baden im Staub dient der natürlichen Pflege, weshalb immer eine Schale Chinchillasand zur Verfügung stehen sollte. Um verfettetes Fell zu vermeiden, muss der Sand ständig sauber gehalten werden. Einige trockene Wurzeln, Korkverstecke und wenige, gut befestigte Steine bilden die Einrichtung. Als Versteck und Schlafplatz werden Röhren und kleinere Steinaufbauten angeboten. Im Terrarium des Weibchens kommt ein Nistkasten zum Einsatz, der durch ein Rohr erreichbar ist. Eine Waldvogelmischung mit Grassamen, vermischt mit ein wenig Weizen, Wellensittichfutter und gelegentlich etwas Leinsamen, dient als Grundfutter und wird am späten Nachmittag in den Terrarien verteilt. Gerne angenommen aber rationiert gereicht wird rote Kolbenhirse. Bei der Gabe von Samen verfetten die Tiere sehr schnell, was nicht besonders förderlich für die Zucht ist. Frischfutter in Form von Gurke, Endiviensalat, Rukola-Salat, Rote Beete und Karotte wird nur in kleinen Mengen gefressen, meist aber nur angeknabbert. Wildpflanzen, wie Löwenzahn, Vogelmiere oder ein wenig Luzerne fressen die Tiere hingegen sehr gerne. Die Gabe von Katzenfutter erfolgt ein bis zwei Mal wöchentlich mit je einem Brocken pro Tier. Insekten, die laut Literatur einen Teil der Nahrung ausmachen, werden in jeglicher Form verschmäht. Im Umgang sind diese Tiere recht zurückhaltend, sie nahmen allerdings nach einiger Zeit auch Futter aus der Hand an. Die Aktivität ist bei natürlichem Lichteinfall im Winter bereits ab 18:00 h zu beobachten, wohingegen die Tiere im Frühjahr erst gegen 22:00 h bis 24:00 h aus ihren Verstecken hervorkommen. Im Dezember kann man die Tiere sogar am Morgen um 7:00 h beobachten. In ihrer Aktivitätszeit verbringen die Tiere meiste Zeit damit, Nahrung zu sammeln und diese in ihre Futterlager zu bringen. Die Tiere nutzen feste Kotplätze, die mit der Zeit immer wieder gewechselt werden. Alle neuen Gegenstände werden von den Tieren sofort markiert und oft verräumt, sofern dies möglich ist. Am Tag ist der Versteckeingang durch Sand oder Heu das von den Tieren zerkleinert wird verschlossen. Zellstoff, Papprollen oder kleine Äste werden zur Beschäftigung in die Terrarien gegeben und mit Freude zerlegt.
Zucht
Über die Fortpflanzung im Freiland ist bisher kaum etwas bekannt. In den USA wurden mehrere Kängururattenarten aus Forschungsgründen in Laboren gehalten und erfolgreich nachgezüchtet. Dies wurde bei D. merriami ausführlich festgehalten (Daly et al.). Sie berichten, dass Weibchen nur im Zeitpunkt des Östrus mit dem Männchen zusammengesetzt werden können. Anderenfalls komme es zu heftigen Auseinandersetzung, die bis zum Tod eines Tieres führen können. Sie empfehlen den Zyklus-Status des Weibchens täglich zu kontrollieren und die Tiere bei deutlicher Veränderung des Geschlechtstrakts zusammenzusetzen. Auch der Zoo Bristol machte diese Erfahrungen, dass einige Paare nicht gut harmonieren. Meine Tiere wurden vorerst mit der alt bekannten „Schmusegittermethode“ zusammengeführt. Ähnlich wie man es von Rüsselspringern und anderen unter Umständen schwierig zusammenzuführenden Kleinsäugern kennt, lernen sich Männchen und Weibchen schonungsvoll durch einen Gitterschieber kennen und können im Ernstfall recht schnell wieder getrennt werden. Eine Tipp von Björn Jordan war es, die Tiere einer Temperaturabsenkung zu unterziehen – so geschieht es zwangsläufig in Poznan durch die Haltung der Kowaris. Letzere benötigen einen Temperaturabfall zum Winter hin um in den Östrus zu kommen.
Dies soll ein Paarungsauslöser sein. Auch Ehrlich geht auf die stimulierende Winterruhe ein und empfiehlt eine „leichte“ Winterruhe mit einer Trennung der Paare.
Literatur
- Brown, J. H; Genoways, H. H. (Hrg.) (1993): Biology of the Heteromyidae, American Society of Mammalogists.
- Daly, M., Margo, I. M. & P. Behrends (1984): Breeding of Captive Kangaroo Rats, Dipodomys merriami and D. microps, Journal of Mammalogy 62, S. 338-41.
- Ehrlich, C. (2006): Kleinsäuger im Terrarium – Biologie, Haltung und Zucht, NTV-Verlag.
- Ganslosser, U. (2005): Kleinsäuger in der Wüste – wie machen die das? Über erstaunliche Anpassungen an ein Leben in Extrembiotopen, Rodentia 23, S. 22-25.
- Hafner, J. C. (1993): Macroevolutionary diversification in heteromyid rodents: heterochrony and adaptation in phylogeny,. In: H. H. Genoways & J. H. Brown (Hrg.). Biology of the Heteromyidae, S. 291-318, American Society of Mammalogists.
- Kays, W., K. & D. E. Reeder (2009): Mammals of North America, Princeton University Press (Ebook).
- Mares, M. A. (1992): Heteromyids and their encological counterparts: a pandesrtic view of rodent ecology and evolution. . In: H. H. Genoways & J. H. Brown (Hrg.). Biology of the Heteromyidae, S. 652-714, American Society of Mammalogists.
- Randall, J. A. (1989): Neighbor Recognition in a Solitary Desert Rodent (Dipodomys merriami), Animal Behaviour 35, S. : 123–133.
- Schoo, W. & E. Vrijhof (2008): Husbandry and management of Merriams’ kangaroorats (Dipodomys merriami) (unpubl.).
- Suckow, A. M.; Stevens, K; Wilson, P. W. (2012): The Laboratory Rabbit,Guinea Pig, Hamster, and Other Rodents, Elsevier.
- Wilson, Don E./Reeder DeeAnn (2005): Mammal species of the world: a taxonomic and geographic reference, Vol. 1., The John Hopkins University Press.