davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 24.09.2017 10:10 Titel: Beifuss - oder Ansichten im Wandel |
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Huhu,
auch wenn wir hier vermutlich viele Pflanzen schon beiläufig besprochen haben, fällt mir immer wieder auf, dass viele Pflanzen keinen eigenen Beitrag haben. Der Vorteil von einem eigenen Beitrag ist jedoch, dass man sich auch mal Gedanken macht, wie hat sich das Ansehen dieser Pflanze im Laufe der Zeit geändert. Gerade beim Beifuss ist das schön zu beobachten.
Fangen wir mal an mit dem Jahre 2005:
Murx Pickwick hat Folgendes geschrieben: |
Scheinbar reagieren Degus empfindlich auf Thujon, also folgende Pflanzen sollten vorsichtshalber erst gar nicht mehr angeboten werden: Salbei, Wermut, Lebensbaum, Rainfarn, Beifuß und alle anderen thujonhaltigen Pflanzen.
Der Degu ist durch das Vorkommen vieler thujonhaltiger Pflanzen in seiner Heimat zwar an dieses Gift angepaßt und kann es im Futter erkennen, aber Tiere, die nicht mehr ihre Nahrung aussuchen können, sondern limitiert vorgesetzt bekommen, fressen unter Umständen aus Langeweile oder aus Hunger mehr wie ihnen bekommt.
(...)
Der Thujongehalt im Rainfarn ist höher wie im Beifuß und niedriger wie der Thujongehalt im Gartensalbei oder im Wermuth. Der Lebensbaum hat den höchsten Thujongehalt. Deshalb verstehe ich ehrlich gesagt nicht, weshalb der Gartensalbei und der Wermuth nicht als Giftpflanze in der CliniTox geführt werden. Salbei ist weitaus giftiger wie der Milchsaft von Löwenzahn!
Beim Rainfarn haben sie die LD50 von Thujon für Mäuse angegeben, beim Lebensbaum nicht. Da ist nicht mal erwähnt, daß auch der Lebensbaum Thujon enthält.
(...)
Beifuß fressen meine Degus auch nicht (allerdings auch nicht meine Kaninchen, wenn sie gesund sind, Salbei dagegen wird von den Kaninchen gern gefressen).
Quelle: http://degus-online.de/phpbb/viewtopic.php?f=5&t=3774&hilit=beifu%C3%9F#p32310
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davX hat Folgendes geschrieben: |
so wie ich das sehe ist der beifuss ein verwandter des wermuths und enthält ebenfalls thujon. in grösseren mengen ist das ungesund (der berüchtigte stoff im absinth ). ob dieser ein problem ist weiss ich allerdings nicht. wenn.
zum thema thujon hab ich doch noch was gefunden:
Zitat: |
Thujon, das sich auch in Wermut, Salbei, Lebensbaum (Thuja) und nach manchen Quellen in Eberraute findet, ist ziemlich giftig und wird allgemein für die gesundheitsschädliche Wirkung von mit Wermut aromatisierten Alkoholika verantwortlich gemacht. Absinth, die Modedroge des Fin de siècle vor einhundert Jahren in Frankreich, ist ein Wermutlikör, der auch große Mengen an anderen Gewürzextrakten (vor allem Anis und Fenchel) enthielt und der gemeinsam mit Zucker und Wasser getrunken wurde. Seine psychoaktive Eigenschaften werden sowohl auf den hohen Alkoholgehalt (60% und mehr) als auch auf das Thujon (typischerweise 50 ppm) zurückgeführt. Da sich beim Dauergebrauch schwerste Nervenleiden entwickeln, wurde Absinth in den meisten europäischen Ländern (außer Spanien und Portugal) verboten; als Ersatz konnten sich reine Anisliköre (z.B. Pastis, Pernod) etablieren.
Das Absinth-Verbot wurde 1998 in der Europäischen Union wieder aufgehoben, und Absinth mit einem Thujon-Gehalt von max. 35 ppm ist nun wieder legal erhältlich. Es wird sich herausstellen, ob diese Spirituose einen Teil ihrer früheren Beliebtheit zurückerobern kann.
Da Wermut sehr bitter schmeckt, ist es fast unmöglich, versehentlich toxisch relevante Mengen der Pflanze aufzunehmen. Selbst wenn man das bittere Absinthin vom Thujon durch Destillation abtrennt, ist das resultierende Getränk nur mit Zucker zu genießen. Mit Wermut aromatisierte Weine (Vermouth) enthalten nur ganz geringe Mengen Thujon.
Quelle: http://www.uni-graz.at/~katzer/germ/generic_frame.html?Arte_abr.html
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ich würde sie eher nicht verfüttern, wenn sie schon nicht besonders schmecken sollte und daher die vergiftungsgefahr relativ gering ist würde ich es trotzdem lassen.
Quelle: http://degus-online.de/phpbb/viewtopic.php?f=5&t=6858&hilit=beifuss
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Schon damals war klar, dass Beifuss wahrscheinlich nicht so problematisch sein dürfte trotz dem ganzen Thujon-Thema (und wie Murx damals schon schön aufdröselte, empfahl man damals andere Pflanzen mit höherem Thujongehalt ohne Bedenken), war eine gewisse Skepsis und Vorsicht bemerkbar.
Fünf Jahre später (ab 2010) sah die Situaiton dann deutlich anders aus (wobei Murx schon 2007 den Beifuss auf ihrer Kräuterliste erwähnte):
- Wildkaninchen zitiert aus dem Buch "Kaninchenzüchters Futter-, Heil- und Giftpflanzen." aus dem Jahre 1953, welches den Beifuss als Heilpflanze listet.
- Beifuss ist Bestandteil von dem hier im Forum für Kaninchen empfohlenen Kaninatur: Kaninatur, Winterfütterung bei Kaninchen
- Sonja (Hasilein) erwähnt den Beifuss als Heilkraut gegen Würmer, und im Beitrag Start der Grünfutter-Saison erwähnt sie aber auch Miriam das Kraut.
- Schlappohr erwähnt den Beifuss sogar auf der Liste der Kräuter, welche täglich verfüttert würden: Nöseberger... die neue Zielscheibe mancher Tierschützer
- Und nicht zuletzt erwähnt auch Andreas den Beifuss im Rahmen von Pflanzen, die sonst oft als problematisch abgelehnt würden, die aber gut für die Gesundheit seien:
Andreas hat Folgendes geschrieben: |
Der "Nachteil" einer relativ naturnahen Haltung mit der entspr. Fütterung ist, dass die Tiere eben nicht wirklich krank werden. Sie können beizeiten gegensteuern, und wenn es nur das Fressen vvon Erde ist (hilft z. B. für die Entgiftung). Pflanzen, die als kritisch gesehen wurden/werden und von mir bewusst vorgelegt wurden, waren z. B. Scharbockskraut, Hahnenfuß, Schöllkraut, Bärenklau (Riesen-, Wiesen-), Rainfarn, Wurmfarn, Schachtelhalm, Schnittlauch, Ampfer, Beifuß, Schlüsselblume etc. ...
Quelle: http://www.degupedia.de/forum/viewtopic.php?p=24710&highlight=beifu%DF#24710
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Was also auffällt, dass gerade die Kaninchenhalter diesem Forum gut getan haben, was Ernährungsfragen angeht, was sicherlich nicht zuletzt auch damit zusammenhängen dürfte, dass Murx einerseits viele Jahre Erfahrungen mit Kaninchen hatte und wir, als wir zwischen 2006 und 2008 uns in den Chinchillaforen intensiv mit Ernährungsthemen auseinandersetzten, dank den Kaninchenhalter des Kaninchenzuchtforums und den dortigen interessanten Diskussionen zur Wiesenfütterung der Kaninchen viele Anregungen mitnehmen konnten.
Nicht zuletzt liefert auch die Literatur nochmals überzeugende Argumente, dass man Beifuss trotzdem als Futterpflanze betrachtet, welche auch wieder Andreas zusammengetragen hatte:
Andreas hat Folgendes geschrieben: |
(Turcek, et al., 1959) gaben aus Beobachtungen folgendes an: „sehr häufig oder bevorzugt" befressen wurden Luzerne, Rispenhirse, Gartenbohne, Roggen, Schafgarbe, Odermennig, Krause Distel, Gewöhnliche Wegwarte, Gewöhnliche Kratzdistel, Acker-Kratzdistel, Gewöhnlicher Feldrittersporn, Weißer Gänsefuß, Sichelklee, Kermesbeeren, Bibernelle, Windenknöterich, Gabel-Leimkraut, Schwarzer Nachtschatten, Große Brennnessel, Klee, Weizen, Mais, Beifuss, Echter Waldmeister, Wiesen-Flockenblume, Acker-Hornkraut, Zypressen-Wolfsmilch, Knöterich, Wiesen-Margerite, Gemeiner Rainkohl und Vogelmiere. „Als regelmäßig befressen“ werden Bergahorn, Espe, Feldulme, Esche, Hunds-Rose, Kratzbeere, Rote Heckenkirsche, Stieleiche, Weißdorn, Klee, Weizen, Mais, Acker- Hornkraut, Waldmeister, Rainkohl, Vogelmiere, Beifuß, Knöterich, Wiesen-Flockenblume, Wiesen-Margerite und Zypressen-Wolfsmilch angegeben. Wenig, selten oder nur örtlich befressen werden Blutroter Hartriegel, Grauerle, Hainbuche, Robinie, Schwarznuss, Traubeneiche, Mangold, Kohl, Kartoffel, Echter Nelkenwurz, Echtes Labkraut, Gänse- Fingerkraut, Gemeiner Schwalbwurz, Habichtskraut, Kälberkropf, Königskerze, Kornrade, Quirlblütiger Salbei, Rundblättrige Glockenblume, Schmalblättriges Weidenröschen, Schwarznessel, Wald-Reitgras, Wiesen-Lieschgras (Timothee- bzw. Timothygras) und Wirbeldost.
Quelle: Erbsenflocken = Krämpfe? Lathyrismus, Lektine, Platterbsen
| (Hervorhebungen von mir)
Literatur:
Turcek, F. & Stiavnica, B. (1959): Beitrag zur Kenntnis der Fraßpflanzen des Wildkaninchens, Oryctolagus cuniculus (Linne, 1758), in freier Wildbahn. Säugetierkundliche Mitteilungen 7: 151-153. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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