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Fassungsvermögen der Verdauungsorgane von Kaninchen

 
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 06.04.2015 21:29    Titel: Fassungsvermögen der Verdauungsorgane von Kaninchen Antworten mit Zitat

Hallo,

kürzlich erschienen in der Kaninchenzeitung zwei Teile eines Beitrages zu einem Thema, welches vor allem Halter von Kaninchenrassen interessieren dürfte, die größer als Wildkaninchen sind. Es geht um das Fassungsvermögen der Verdauungsorgane, das bei großen Rassen verhältnismäßig kleiner als das der Wildkaninchen sein soll. Darauf wird seit mehreren Jahren von Dr. W. Schlolaut hingewiesen. In den Artikeln wird anhand der Originalquelle mit statistischen Tests nachgewiesen, dass diese pauschale Feststellung nicht zutrifft. Weiterhin wird dargestellt, welchen Einfluss Futtermittel auf Modifizierungen der Morphologie der Verdauungsorgane nehmen.

Rühle, A. (2015): Mehr Kapazität als gedacht. Teil 1. Das Fassungsvermögen der Verdauungsorgane von Haus- und Wildkaninchen. Kaninchenzeitung. Ausgabe 3/4|2015- Seite 16-20

Rühle, A. (2015): Mehr Kapazität als gedacht. Teil 2. Ernährung von Kaninchen: Natürliche Varianz statt monotoner Pellets. Kaninchenzeitung. Ausgabe 5/6|2015- Seite 48-51

Die Beiträge gibt es auf Anfrage bei mir:
andreas_ruehle(at)yahoo.de

freundliche Grüße,
Andreas
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davX
Team


Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 07.04.2015 12:54    Titel: Re: Fassungsvermögen der Verdauungsorgane von Kaninchen Antworten mit Zitat

Gibt es zu den Beiträgen eine Zusammenfassung (ich hab sie gerade nicht griffbereit)?
Die könnte man ggf. hier noch angeben.
_________________
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Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE

Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter.
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Andreas
Kaninchen würden Wiese kaufen


Anmeldungsdatum: 27.02.2009
Beiträge: 1239

BeitragVerfasst am: 07.04.2015 20:06    Titel: Antworten mit Zitat

In dem Beitrag wurde die Frage untersucht, ob Hauskaninchen einen Darm hätten, der 0,5m kürzer als der von Wildkaninchen wäre. Dafür wurden die Originaldaten aus einer Dissertation von Ernst Müller aus dem Jahr 1919 ausgewertet. Auf diese beziehen sich spätere Wiedergaben z. B. von Wolfgang Schlolaut.

Es wurden 3 statistische Auswertungen des Verhältnisses der Darm- zur Körperlänge jeweils mit einem Signifikanzniveau p=0,05 vorgenommen. Da das Verhältnis von Darmlänge zu Körperlange betrachtet wird, spielt das Gewicht keine Rolle:

1. Es wurden die Original-Auswertung von Müller überprüft. Es wurden 8 Wild- und 6 Hauskaninchen verglichen, die ungefähr gleich schwer waren.
Ergebnis: im Durchschnitt war der Darm bei den Wildtieren um 48cm länger (Bestätigung der Aussage von Müller)

2. Es wurden die gleichen 8 Wildkaninchen mit 6 Hauskaninchen verglichen, die deutlich schwerer waren.
Ergebnis: im Durchschnitt war der Darm bei den Wildtieren um 26cm kürzer als bei den Haustieren (Widerspruch zur Aussage von Schlolaut)

3. Es wurden alle Wildkaninchen (n=25) und alle Hauskaninchen (n=29) verglichen
Ergebnis: Die Mittelwerte des Verhältnisses von Darm- zur Körperlänge sind signifikant gleich (P>0,05) (Bestätigung meiner Vermutung)

Rühle, A. (2015) hat Folgendes geschrieben:

Grundsätzlich lassen sich für den Vergleich und die Schlussfolgerungen von Müller folgende Mängel feststellen:
- Es gab keine Auskunft zur Rasse der ausgewählten Hauskaninchen.
- Das Alter der Hauskaninchen schwankte zwischen 6,5 – 19 Monaten.
- Das Alter der Wildkaninchen war, bis auf eines mit 4 Monaten, unbekannt.
- Der körperliche Zustand der Kaninchen war unbekannt
- Die Auswahl der Wildkaninchen für die Untersuchung anhand gleicher Körpergewichte im Vergleich zu Hauskaninchen erfolgte willkürlich (nicht zufällig).
- Die Haltung und Fütterung der Hauskaninchen war unbekannt
- Die jeweiligen Stichproben waren zu klein.

Während Wildkaninchen eng verteilte Werte für bestimmte Proportionen aufweisen, schwanken diese für Hauskaninchen in einem weiten Bereich. Dies lässt auf Einflüsse der Haltung und Ernährung schließen, die in der Betrachtung von Müller aber unberücksichtigt blieben. So ist zum Beispiel nicht auszuschließen, dass die ausgewählten Hauskaninchen für den Vergleich von einem einzigen Züchter stammten, dessen Haltungs- und Ernährungsregime sich deutlich von dem eines Züchters anderer Tiere unterschied.

[...]

Zusammenfassung
Betrachtet man alle Ergebnisse zusammen mit der erweiterten Auswertung der Daten von (Müller, 1919), lässt sich feststellen, dass bei Kaninchen Veränderungen der Verdauungsorgane durch die Haltungsform und Ernährung hervorgerufen werden können. Diese Veränderungen betreffen aber weniger die Länge des Darms, sondern mehr dessen innere Struktur. Je nach Zusammensetzung des Futters und der daraus folgenden Durchgangsgeschwindigkeit des Nahrungsbreis durch den Darm reagiert dieser mit einer Veränderung der Darmwand, insbesondere der Villi intestinales (Darmzotten). Auf diese Weise ist das Kaninchen in der Lage, auf die jeweilige Zusammensetzung der Nahrung und einer effektiven Ausnutzung der enthaltenen Nährstoffe zu reagieren. Die Struktur der Darmwand wird außerdem noch durch weitere, äußere Gegebenheiten beeinflusst.

Im Gegensatz zu Behauptungen in der deutschen Fachliteratur lässt sich an Hand der Daten von (Müller, 1919) feststellen, dass die Kapazität des Verdauungstrakts im Vergleich von Wild- und Hauskaninchen keine nennenswerten Unterschiede aufweisen, sich aber sehr große, individuelle Unterschiede unter den Hauskaninchen zeigten. Die Aussage von Müller, dass der Darm des Hauskaninchens gegenüber dem des Wildkaninchens um einen halben Meter länger wäre, resultierte aus einer willkürlichen und nicht repräsentativen Auswahl von Hauskaninchen und ist somit irreführend. Die Erweiterung der Datenmenge um alle Daten verschieden schwerer Tiere zeigt, dass Hauskaninchen, die schwerer als Wildkaninchen sind, auch einen deutlich längeren Darm als diese haben können. Die spätere Übernahme und Verallgemeinerung dieser Feststellung führte zu falschen Schlussfolgerungen, denn Hauskaninchen, die größer als Wildkaninchen sind, können ihren Bedarf sehr wohl über „artgemäße“ Nahrung decken. Dieser Fakt ist allerdings auch schon durch die Historie sowie durch Tiere belegt, die verwilderten und ihr Gewicht hielten (siehe z. B. auch (Tellkamp, 1963) (Tellkamp, 1979) und (Flux, et al., 1992)). Bei ausreichendem Nahrungsangebot limitieren Klima, Nahrungsqualität und der Feinddruck die Körpergröße.

Die Qualität der Nahrung des Kaninchens führt zu Veränderungen der Verdauungsorgane besonders in Bezug auf die innere Beschaffenheit des Darmtraktes, und zwar unabhängig vom Domestikationsstand. Da Kaninchen bestimmte Bestandteile der Rohfaser nur relativ schlecht verdauen, hat die Menge und Zusammensetzung der Zellwandbestandteile im Futter einen signifikanten Einfluss auf das Magenvolumen und die innere Oberfläche des Darmtraktes, aber nur wenig auf die Länge des Verdauungstraktes.

Ein hoher Rohfasergehalt in der Nahrung beschleunigt ihre Passage im Darmtrakt, während ein niedriger Gehalt den Durchgang verlangsamt (Gidenne, 1992). Je kleiner die Partikel eines Futters sind, umso langsamer passiert die Nahrung den Darm (Irlbeck, 2001).

Mit zunehmender Durchgangsgeschwindigkeit vergrößert sich die innere Oberfläche des Darms durch eine Zunahme der Dichte der Darmzotten (Villi intestinales). Dadurch wird eine effiziente Nährstoffabsorption in kurzer Zeit ermöglicht, die sich durch die höhere Durchgangsgeschwindigkeit ergibt,

Änderungen im Nahrungsangebot wirken sich mehr auf die Größe des Blinddarms als auf den gesamten Verdauungstrakt aus (Banks, et al., 1999).

Die Behauptung, dass Kaninchen, gleich welcher Größe und Domestikationsstand, nicht mit arttypischer Nahrung ernährt werden könnten, weil es ihr Fassungsvermögen nicht zuließe, entspricht somit nicht den vorliegenden Informationen. Die Kapazität und Länge der Verdauungsorgane des Kaninchens entwickeln sich unabhängig vom Domestikationsstand. Das Kaninchen begegnet allgemein dem jeweiligen Angebot an Nahrung und dessen Nährstoff- bzw. Rohfasergehalt sowie der Partikelgröße durch eine Modifikation der Verdauungsorgane, welche jeweils eine optimale Ausnutzung des Futters gewährleistet. Neben der Qualität des Futters bilden weitere Faktoren wie Saison, Fortpflanzungszeit, Belastung durch Parasiten, Alter, physiologischer Zustand und der Zugang zum Futter einen Einfluss auf die Morphologie der Verdauungsorgane. Weitere Belege für die Unabhängigkeit von Größe, Domestikationsstand, Ernährungsweise und die Anpassungsfähigkeit an Lebensräume und Nahrung durch Modifikation der Organe von Kaninchen, die deutlich größer als Wildkaninchen waren, liefern die zahlreichen Fakten über Auswilderungen und das erfolgreiche Überleben ehemals domestizierter Tiere an vielen Orten weltweit (Flux, et al., 1992).

Fazit
Für die Praxis ergeben sich aus den vorliegenden Informationen Hinweise für die Ernährung des Kaninchens insbesondere bei Futterumstellungen. Je nach Beschaffenheit und Zusammensetzung des Futters muss den Tieren bzw. deren Verdauungssystem Zeit gegeben werden, sich an das neue Futter anzupassen. Während ein Wechsel von Trockenfutter auf arttypische Nahrung in der Regel recht einfach erfolgt, ist umgekehrt eine geringe Akzeptanz an trockenes Futter durch die Tiere zu verzeichnen. Im Fall von Pellets erhöht sich zudem durch die geringe Teilchengröße und der damit verbundenen hohen Verdaulichkeit die Verweilzeit des Futters im Darmtrakt, was eine geringe Erneuerungsrate des Darminhalts mit einer Gefahr für Darmerkrankungen zur Folge haben kann. Eine weitere, wichtige Rolle spielt die Qualität der Rohfaser, also die Art und Zusammensetzung der Pflanzenzellwandbestandteile. Da diese von keinem Futtermittelhersteller angegeben wird, kann man auch keine Rückschlüsse auf mögliche Ursachen bei Darmerkrankungen ziehen.


Empfehlung für Diskussionen um bestimmte Fakten: es sollte immer die Originalquelle gelesen werden. Alles, was nicht logisch oder schlüssig erscheint, sollte hinterfragt werden, egal wie prominent die Quelle ist.

freundliche Grüße,
Andreas
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