davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 08.06.2013 10:52 Titel: Freilaufende Hunde in Japan und Tierschutz |
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Huhu,
ich habe eine interessante Sache gefunden und zwar geht es um die Hundehaltung in Tokyo, bzw. die freilaufenden Hunde:
Zitat: |
In Japan sind Hunde noch während des [2. Welt-]Krieges sehr frei gehalten worden; sie liefen in der Stadt [Tokyo] umher, und es gab unter ihnen wilde Hunde, so wie es bei uns noch jetzt wilde Katzen gibt. Da viele von ihnen tollwütig waren, begann man von offizieller Seite, sie einzufangen, und ermahnte Hundebesitzer, ihre Tiere anzubinden. Entschieden und strikt wurde diese Regelung erst durch die amerikanische Besatzung. Der rapid ansteigende Verkehr in den Städten wäre den Hunden ausserdem gefährlich geworden. Sie müssen jetzt im Haus gehalten werden, wilde Hunde gibt es so gut wie gar nicht mehr. Dieser Regelung von oben her folgen die Japaner nun, aber ohne zu bedenken, dass die veränderte Situation die Bewegungsfreiheit der Tiere entscheidend einschränkt. Sie haben nicht in Jahrzehnten das persönliche Verhältnis und den inneren Kontakt zum Haustier entwickelt, der uns selbstverständlich ist.
Quelle: Wendt 1961, S. 110-111.
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Um die Sache besser zu verstehen, muss man den Kontext betrachten. Wendt erwähnt es im Zusammenhang wie die Japaner vom Westen wahrgenommen werden und welche Missverständnisse dabei auftreten, dass zum Beispiel das Verhalten der Japaner falsch eingeschätzt wird, da wir sie und ihre Hintergründe nicht verstehen. Ein Beispiel, das sie heranzieht, ist eben das Thema Tierhaltung/Tierschutz und erklärt es im Kontext, wie es in Japan entstanden ist. So gibt es in Europa eine lange Kultur und Entwicklungsgeschichte, während Japan vieles aus dem Westen kopierte und daher das Hintergrundverständnis fehlt, wie es dazu gekommen ist. Dazu kommen äussere Zwänge, die im oben zitierten Ausschnitt klar zum Ausdruck kommen, in diesem Falle die Verordnung von der Regierung oben herab.
Um den Kontext noch etwas besser einzuordnen, hier noch ein paar Zitate, zur Geschichte der Haushundhaltung und zur Einstellung der Japaner zu ihrer Haltung... alles ist natürlich schon ordentlich angestaubt und ist mittlerweile gute 50 Jahre alt. Die Entwicklung seit da, bleibt bei all diesen Zitaten natürlich unberücksichtigt, könnte aber gerne, falls etwas in diese Richtung auffindbar ist, hier ergänzt werden und gäbe sicher auch wertvolle Einblicke in die Entwicklung dieser Sache.
Zitat: |
Die Geschichte der Haushunde ist in Japan etwas anders verlaufen als in Mitteleuropa. [...] Vor allem in Tokyo bellen die Hunde stundenlang anhaltend, und zwar so, als widerführe ihnen geradezu etwas Peinvolles. [...] Aber die meisten Japaner scheinen es nicht wahrzunehmen. Weist man sie darauf hin, so kann man [...] Erklärungen hören, die westlichem Denken nicht einleuchten [...]
Quelle: Wendt 1961, S. 109-110
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Zitat: |
Es wäre völlig aussichtslos, die Hundebesitzer zu ermahnen. Sie würden den Hund entschuldigen "die Hunde in Japan bellen, das ist ihre Eigenschaft" -; dass sie selbst die Ursache für das Verhalten der Hunde schaffen, ahnen sie nicht, weil sie ihre Hunde zu lieben glauben. Es ist sehr einfach: die Hunde haben keinen Auslauf. Sie sind Tag und Nacht wenn nicht angebunden so doch auf ein- und demselben Plätzchen am Fenster, hinter der Garagentür, im winzigen Garten. Sie haben keine Bewegung, ihre Muskel nerkümmern, ihre Lebensenergie findet keine Anwendung; das einzige Ventil, das ihnen bleibt, ist das Bellen."
Quelle: Ebenda, S. 110
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Literatur:
Wendt, I.Y. (1961): Zen, Japan und der Westen. Zen - nicht Mode, sondern Aufgabe. LIST Bücher 201. Paul List Verlag, München. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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Murx Pickwick Quoten-Kobold
Anmeldungsdatum: 23.07.2005 Beiträge: 4622 Wohnort: Runkel
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Verfasst am: 04.08.2013 14:57 Titel: Re: Freilaufende Hunde in Japan und Tierschutz |
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Diese Entwicklung hat bei uns in Deutschland mit der Industrialisierung begonnen, mit dem Ansteigen des Verkehrs hatte man die Hunde zu ihrem eigenen Schutz einsperren oder anbinden müssen. Es gab jedoch noch keine Tradition zum Gassigehen oder ähnliches, heißt also, in dieser Zeit erst ist der erbarmungswürdige Kettenhund und der vereinsamte Zwingerhund entstanden! Und die waren in vielen Gegenden Deutschlands über Jahrzehnte so normal, daß da keiner drüber nachdachte - erst recht nicht, weshalb diese armen Kreaturen dauerbellten.
Noch in den 80er Jahren gab es in einigen Dörfern Deutschlands die alte Haltung, bei der die Hunde in der Nacht frei umherliefen, nur tagsüber wurden sie teilweise angekettet oder eingesperrt (aber auch nicht immer, beim Spaziergang durchs Dorf mal eben von so nem spitzartigen Wadenbeißer von hinten angefallen zu werden, war für diese Dörfer normal, da hat sich keiner drum gekümmert ...)
Ich finde es bei diesem Hintergrund erstaunlich, daß da den Japanern, welche nun innerhalb weniger Jahrzehnte die gleiche Entwicklung in der Hundehaltung durchmachten, so wenig Verständnis entgegengebracht wurde ... das hat doch nicht mal mehr was mit unterschiedlicher Mentalität zu tun. _________________ Marx ist die Theorie
Murx ist die Praxis!
Ich habe es endlich amtlich (Mitgliedsausweis der Piratenpartei):
"Der Besitzer dieses Dokumentes ist berechtigt, sich seines Verstandes zu bedienen, Informationen zu produzieren, replizieren und konsumieren, sich frei und ohne Kontrolle zu entfalten in Privatsphäre und Öffentlichkeit.
Behinderung dieser Rechte wird geahndet durch die Piratenpartei Deutschland" |
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davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 05.08.2013 19:34 Titel: Re: Freilaufende Hunde in Japan und Tierschutz |
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Ja ich dachte, dass dich das interessieren könnte. Darum habe ich es eingestellt.
Aber irgendwie ist es schon faszinierend, man kann es sich heute fast gar nicht mehr vorstellen, da sich alles so rasant entwickelt hat und es heute seltsam anmuten würde. Auch ist alles hektischer geworden und es hat eine grosse Ausrichtung und Favorisierung des Autoverkehrs stattgefunden, unter dem der Rest leidet, bis hin zur Natur, der immer mehr an Weg und Platz weggenommen und zubetoniert wird für Parkplätze, Strassen, Wege... sogar Feldwege müssen immer mehr ausgebaut usw. werden. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
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Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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