davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
|
Verfasst am: 14.01.2007 13:18 Titel: Ökologie und die Herbivorie, Grundlagen |
|
|
Hallo zusammen,
die Ökologie ist ein wichtiges Thema, wenn man die Lebensweise von Tieren verstehen will. Entgegen weit verbreiteter Meinungen, dass sich die Ökologie auf Umweltschutz und ähnliche Themen beschränkt, ist die Ökologie viel mehr eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Natur. In diesem Zusammenhang interessieren uns vor allem Interaktionen unter Tierarten (Symbiosen, Konkurrenz, Feind-Beute-Verhältnis) und Interaktionen zwischen Tieren (insbesondere Pflanzenfressern) und der Vegetation.
Interessanterweise wird aber genau dieser Aspekt in der Tierhaltung und der Betrachtung von Tierarten oft gerne vergessen. So beschränkt sich der Fokus oft auf eine Tierart und es wird versucht in diesen engen Grenzen ein komplexeres System zu verstehen, das über diese Grenzen hinausreicht, eben die Ökologie.
Degupedia will an diesem Punkt ansetzen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Tier- und Kleinsäugerseiten und -foren, soll die Ökologie und natürliche Lebensweise von Kleinsäuger bei Degupedia ein stärkeres Gewicht bekommen. Mit diesem Beitrag will ich den Einstieg in dieses Thema bereiten.
Allgemeines
Die Ökologie beinhaltet wie schon erwähnt, verschiedene Aspekte, wovon uns vor allem jene interessieren, welche die Lebensweise der Tiere beeinflussen. Die wichtigsten hatte ich bereits schon erwähnt, nämlich der Einfluss von Feinden (Prädation), der Einfluss von konkurrierenden Tierarten, der Einfluss durch Lebensgemeinschaften oder Symbiosen mit anderen Tierarten oder Pflanzenarten, der Einfluss von Klima und Wetter, der Einfluss von der Umgebung und Vegetation als Lebensraum und der Einfluss von der Verteilung und dem Vorhandensein von Futter (und im Besonderen die Wechselwirkung zwischen Pflanzenfressern und Pflanzen, die Herbivorie).
Grundlagen der Herbivorie
Die Herbivorie ist vereinfacht gesagt die Interaktion zwischen Pflanzenfressern (Herbivoren) und den Pflanzen.
Die Thematik wird von Schulze et al. (2002) sehr schön zusammengefasst:
Zitat: |
Herbivorie gehört zu den besonders komplexen Interatkionsfeldern zwischen Pflanzen und Tieren. Die Pflanzen werden nicht nur gefressen. Die Herbivoren nehmen mit dem Frass auf vielfache Weise Einfluss auf Fitness und Wachstum der Pflanzen, ihre Aus- und Verbreitung sowie auf die Zusammensetzung, Diversität, Struktur und Dynamik von Pflanzengemeinschaften. Sie verändern die Wettbewerbsbedingungen und bedeuten in aller Regel Stress, den die Pflanzen tolerieren, dem sie unterliegen, gegen den sie sich jedoch auch erfolgreich zur Wehr setzen können.
Quelle: Schulze, E.D. Beck, E. Müller-Hohenstein, K. (2002): Pflanzenökologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin: 707.
|
Schulze et al. (2002) erwähnen drei verschiedene Arten der Interaktion zwischen Pflanzen und Herbivoren: Resistenz, Prädation und Kompensation. Die Resistenz bedeutet, dass sich die Pflanzen gegen das Gefressen werden wehren z. B. durch Frassschutzstoffen, Dornen oder unverdauliche Stoffe (z. B. Lignin). Die Prädation bedeutet, dass die Pflanzen schutzlos gefressen werden, die Kompensation bedeutet, dass der Frass stimmulierend auf die Pflanze wirkt und mit Kompensationswachstum reagieren.
Besonders interessant ist dabei die Resistenz, da gerade oftmals von Seiten der Kleinsäugerhalter argumentiert wird, dass Frischfutter und Kräuter wegen Frassschutzstoffen (sekundäre Pflanzenstoffen) nicht verfüttert werden sollen. Schulze et al. erwähnen hierzu folgende Aspekte:
Zitat: |
Permanenter (und wenigstens teilweiser) Schutz kann durch Eigenschaften erreicht werden, die unabhängig von Einfluss der Herbivoren vorhanden sind, z. B. durch Gerbstoffe in vielen Bäumen oder hohe Kieselsäuregehalte in manchen Gräsern. Induzierte (teilweise allerdings auch permanente) Abwehr, welche die Schäden durch Herbivore verhindert oder begrenzt, ist z. B. durch chemische Verteidigung (Antixenosis) möglich. Langlebige Pflanzen setzen dabei eher auf verdauungshemmende Stoffe wie lignifizierte Zellwände oder besonders rohfaserreiche Gewebe. Bei kurzlebigen Arten werden Bitterstoffe und Gifte (Phenole, Alkaloide, Terpene) eingelagert. Für die Pflanzen müssen die gefundenen Abwehrlösungen unter Kosten-Nutzen-Aspekten gesehen werden. Deshalb lagern sie diese Stoffe mitunter auch nur in solchen Konzentrationen ein, die Frass noch erlauben, letztlich aber doch die Verdauung stören und deshalb nach Möglichkeit gemieden werden (Antibiosis).
Quelle: Schulze, E.D. Beck, E. Müller-Hohenstein, K. (2002): Pflanzenökologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin: 709-710.
| (Hervorhebungen von mir)
Wenn wir uns besinnen, welche Pflanzen wirklich giftig sind, so zeigt sich, dass gerade annuale oder mehrjährige, krautige Pflanzen für ihre starke Giftigkeit bekannt sind (wie z.B. Eisenhut, Fingerhut oder Nachtschattengewächse), unter den Bäumen dagegen relativ wenige Arten wirklich giftig sind (insbesondere die Eibe, ferner Lebensbäume/Thuja und Zypressengewächse).
Bestes Beispiel für die Einlagerung von Gerbstoffen bei Bäumen ist sicher die Eiche (Quercus). Aber auch chilenische Sträucher (wie z. B. Quillaja saponaria) sind bekannt für ihren hohen Gehalt an Gerbstoffen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass einige Nagetiere eine gewisse Unempfindlichkeit gegenüber Gerbstoffen aufweisen (Degu: Bozinovic et al. 1997; Akazienratte: Downs et al. 2003). Ferner erwähnt Langer (2002) in seiner Review, dass eine Art Vormagen-Kammer (forestomach chamber), welche einige Nagetiere besitzen, vermutlich die Funktion als Hauptentgiftungszone übernimmt, welche vor den resorbierenden Teilen des Darms liegen.
Etwas allgemeiner formulieren Schulze et al. (2002) die Abwehrmassnahmen von Tieren gegenüber sekundären Pflanzenstoffen.
Zitat: |
Polyphage Tiere [Tiere, die sich von verschiedenen Pflanzenarten ernähren] leben in einer anderen Umwelt als monophage [Tiere, die sich nur von einer Pflanzenart ernähren]. Sie haben es mit vielen Pflanzengiften und Abwehrmassnahmen zu tun. Begrenzt wird ihre Nahrungsaufnahme vor allem durch verholzte und verkieselte Gewebe, denn spezielle Gifte vertragen sie aufgrund des "Verdünnungseffekts", der sich bei der Polyphagie einstellt.
Quelle: Schulze, E.D. Beck, E. Müller-Hohenstein, K. (2002): Pflanzenökologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin: 710.
|
Demzufolge sollte die Beurteilung von Kräuter, welche reich an sekundären Pflanzenstoffe sind (also insbesondere Küchenkräuter, Gewürzpflanzen aber auch andere Kräuter und Heilpflanzen) revidiert werden. Ein kummulativer Effekt durch langzeitige Verfütterung verschiendener solcher Pflanzen dürfte also aufgrund des "Verdünnungseffekts" und der körpereigenen Entgiftung und Abwehrmechanismen gegen sekundäre Pflanzenstoffe (welche gerade bei Herbivoren ausgeprägt sind) wohl ausgeschlossen werden, vorausgesetzt die Tiere ernähren sich nicht einseitig und in grossen Mengen von einer bestimmten solchen Pflanzen, sondern haben die Wahl von verschiedenen Grünpflanzen.
Selbstverständlich sollten giftige Pflanzen und Pflanzen mit starken pharmazeutischen Wirkungen besser gemieden werden um so zu verhindern, dass diese aus Mangel oder ausversehen gefressen werden könnten.
Literatur
Bozinovic, F. Nocoa, F.F. Sabat, P. (1997): Feeding and digesting fiber and tannins by an herbivorous rodent, Octodon degus (Rodentia: Caviomorpha). Comparative biochemistry and Physiology 118A: 625-630.
Downs, C.T. McDonald, P.M. Brown, K. Ward, D. (2003): Effects of Acacia condensed tannins on urinary parameters, body mass, and diet choice of an Acacia specialist rodent, Thallomys nigricauda. Journal of Chemical Ecology 29: 845-858.
Langer, P. (2002): The digestive tract and life history of small mammals. Mammal Review 32: 107-131. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
|
davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
|
Verfasst am: 14.05.2011 09:37 Titel: Re: Ökologie und die Herbivorie, Grundlagen |
|
|
Ich habe vor einiger Zeit dem Thema im Degupedia Magazin einen Artikel gewidmet:
Küpfer, D. (2008): Die Bedeutung sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe in der Tierernährung. Degupedia Magazin 3: 1-8. (PDF)
Zitat: |
Zusammenfassung:
Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe übernehmen in Pflanzen wichtige Funktionen wie Kommunikation oder Frassschutz. Ihre Wirkungen auf den Tierkörper sind dementsprechend sehr unterschiedlich. Da gerade herbivore Kleinsäuger auf Pflanzennahrung angewiesen sind, verfügen sie über Strategien und Mechanismen, um mit problematischen Pflanzenstoffen zurechtzukommen. Viele Kleinsäuger wie Hasenmäuse (Lagidium spp.), Kaninchen (Oryctolagus cuniculus) oder Degus (Octodon degus) ernähren sich in der Wildnis auch von problematischen Pflanzen, bei einigen Arten wie Akazienratten (Thallomys nigricauda), Meerschweinchen (Cavia porcellus) oder Ratten (Rattus norvegicus) sind auch Vermeidungsstrategien bekannt. Neben verhaltensbasierten Strategien spielen die enzymatische und mikrobielle Entgiftung eine wichtige Rolle beim Umgang mit problematischem Futter.
In der Fütterungspraxis kommen Tiere bei naturnaher, ausgewogener Ernährung durchaus mit problematischem Futter zurecht. Letztlich trägt eine abwechslungsreiche, gesunde und ausgewogene Ernährung zur Robustheit der Tiere bei, was wiederum dazu führt, dass auch problematische Stoffe besser vertragen werden.
|
Falls es mir möglich ist, möchte ich das Thema in nächster Zeit aufgreifen und weitere Aspekte insbesondere zur Ernährung (Herbivorie), aber auch zu anderen ökologischen Themen wie Blütenbestäubung, Samenverbreitung, Prädation, Konkurrenz und Symbiose beitragen. Da hat sich in der verganenen Zeit auch einiges an Literatur bei mir gesammelt. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
|