davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 07.06.2020 23:22 Titel: Polykultur, Permanente Kultur |
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Huhu,
auf Atropas Anregung greife ich das Thema auf. Mir passt es natürlich auch in den Kram, sonst würde ich es nicht machen.
Polykultur / Mischkultur
Die Einsteigerversion ist das sogenannte Compagnion Planting, dass man Gute-Nachbarn Pflanzen zusammenpflanzt, meist sind das so etwa 2-3 verschiedene Pflanzen. Ausgefallener sind komplexere Polykultur (Vielkultur) Systeme, die schnell mal 5, 8, 12 oder noch mehr verschiedene Arten umfassen können. Nun der etwas erfahrenere Gärten, der mit etwas natürlicheren Gärten Erfahrung hat, der weiss, bei mehr als 2-3 Arten wird es schnell unübersichtlich im Garten, was hab ich schon wieder wo gepflanzt, hat alles genug Platz usw. Das einfachste wäre natürlich, sagen wir 30 oder 50 Samenarten zusammenzumischen und alles auf eine freie Fläche ausstreuen und dann schauen was kommt. Auch hier die weise Erfahrung, die Vögel kommen, fressen die Samen weg, die Schnecken fressen die jungen Keimlinge weg, wenn was kommt und viel Saatgut geht dann doch nicht auf. Bei teuer gekauftem Saatgut tönt das dann nach keiner so guten Lösung, dass man dann doch wieder bei einem eher einfacheren Mischkultursystem landet. Auch meine Erfahrung in diesem Bereich lässt sich eher mit Ernüchterung beschreiben und dass ich eher einfachere Systeme ausprobiere oder wenn ich komplexere Systeme habe, ich mit der Zeit eher etwas versuche zu vereinfachen und auch darauf schaue, dass ich mit der Zeit gleiche Pflanzen etwas gruppieren möchte, während einer anfänglichen Experimentierphase gerne alles mögliche durcheinander wachsen darf und ich interessante Keimlinge auch stehen lasse, ja sogar vor ungewolltem ausjäten schütze und gespannt bin, was sich daraus entwickelt.
So gesehen wären natürlich komplexere Polykulturen interessant, auch die Idee einfach mal viele Samen ausstreuen und schauen was wächst und die Natur machen lassen, dass das Gemüse wild wächst, was kommen mag. Trotz beachtlicher Grösse, ist da der Garten dann doch ein bisschen zu klein das im grösseren Rahmen auszuprobieren und es sind dann eher kleinere Versuche, die ich so durchführe, z.B. letztes Jahr uralte Schwarzwurzelsamen, die ich loswerden wollte, die über 10 Jahre alt waren und trotzdem noch recht gut keimten. Polykultur war das nicht wirklich, es wuchs zwar neben ihnen schon einiges, aber ein Gut-Glück-Versuch und die Natur machen lassen, war es schon. Überhaupt habe ich es mir angewöhnt Pflanzen oft an verschiedenen Standorten zu pflanzen und schauen, wie gut sie zurechtkommen und wenn ich eines Jahr kein Erfolg mit einer Pflanze hatte, es das nächste Jahr an einem anderen Ort nochmals versuchen. Diversität, ausprobieren und die Natur machen lassen und beobachten. Damit bin ich eigentlich nicht schlecht gefahren und habe öfters schon festgestellt, dass manches nicht so wächst, wie man es sich vorstellt, die Pflanze, bei der man denkt, sie kommt gut, wächst vielleicht gar nicht und jene, bei der man geringe Hoffnung hat, entpuppt sich als Überraschung und kommt sehr gut und auch die Pflanze, die das vergangene Jahr sehr gut kam, kann im folgenden Jahr am selben Ort deutlich schlechter wachsen... auch da gibt es keine Garantien. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 08.06.2020 00:07 Titel: Re: Polykultur, Permanente Kultur |
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Permanente Kulturen
In der Theorie gibt es da ein paar Stichworte, die bei dieser Idee herumgeistern. Da wäre einmal das mehrjährige Gemüse, dann die essbare Landschaft, der Waldgarten, Beerensträucher und Obstgarten/Obstbäume.
Man sieht daran, dass längst nicht alles neu daran ist. Selbst die essbare Landschaft war offenbar vor den Weltkriegen ein sehr bekannter Begriff, geriet dann später durch die fortschreitende Industialisierung der Landwirtschaft und der Marginalisierung von Wildnahrung und der Waldwirtschaft (Schneiteln, Sammeln/Cueillette) in Vergessenheit. Der Waldgarten wiederum ist ein eher neues und vorallem auch umstrittenes Konzept. Neu ist er nicht zumindest in den tropischen Regionen, aber bei uns in der Form, wie man ihn in den tropischen Gebieten hat, keine praktikable Form. Nichtsdestotrotz liessen sich Leute davon inspirieren. Das Zauberwort hierzulande heisst, dass man den Wald so pflegt, dass genügend Licht zu den einzelnen Pflanzen kommt, man pflegt also eher eine vielfältige Parklandschaft mit Bäumen unter denen Sträucher, Kräuter, Kletterpflanzen usw. wachsen, das Meiste davon irgendwie essbar oder nutzbar. Beispiele gibt es da jedoch nur vereinzelt in Europa, wenn auch sich das wahrscheinlich in den nächsten Jahrzehnten ändern dürfte. Insofern ist die heutige Situation die folgende, dass viele die Idee aus der Theorie kennen und im Idealfall sowas schon mal in einem Film oder dokumentiert in Text und Bild gesehen haben, aber selbst in einem Waldgarten gewesen und wissen, was da wächst, was bei diesem Konzept funktioniert und was nicht, das wissen die wenigsten.
Als Letztes wäre dann noch das mehrjährige Gemüse. Ihm wird nachgesagt grosse Vorteile zu haben gegenüber dem einjährigen Gemüse. Es daure zwar eine Weile, bis alles angebaut ist und produktiv gute Früchte trägt, aber dann brauche es wenig Aufwand und liefere grosse Erträge. Auch da stellt sich die Frage, funktioniert das so einfach in der Praxis? Ich habe Zweifel, obschon auch ich Erfahrungen in diesem Bereich sammle und gezielt das Feld der mehrjährigen Gemüse erkunde. Was ich bisher ausprobiert habe, ist vieles durchaus nicht so pflegeleicht, insbesondere das Überwintern darf auch nicht unterschätzt werden und oftmals ist es geschmacklich und vom Ertrag her jetzt dem einjährigen Gemüse auch nicht unbedingt überlegen. Aber es stimmt, dass im Bereich der Gärten das Wissen und die Erfahrung mit mehrjährigem Gemüse eher stiefmütterlich behandelt wird und es sich daher schon lohnen würde, das besser zu erforschen und zu schauen, was sich lohnen würde.
Ein weiterer Aspekt ist, dass manches was als mehrjährig gilt, mit gutem Recht auch als einjährig bezeichnet werden könnte in unseren Breitengraden, denken wir an Kartoffeln, Yakon, Knollensauerklee (Oca) etc. Anderes, was in unseren Breitengraden als einjährig betrachtet wird, ist in Wahrheit mehrjährig und könnte so auch kultiviert werden, beispielsweise der Kapuzinerkresse, die Andenbeere/Physalis peruviana, Neuseeländerspinat usw. Der Kapuzinerkresse konnte ich dieses Jahr auf dem Balkon überwintern und bot mir schon früh im Jahr super Salatzugabe und ab April hatte ich frische Blüten für in den Salat und in Gerichte! Ein Freund von mir überwinterte wiederum die Andenbeere in einem ungeheizten Tomatenhaus mitten in der Stadt Bern. Und Neuseeländerspinat überwintere ich schon erfolgreich seit mehreren Jahren auf meinem Balkon. Passionsblume und Glockenpaprika lassen sich wiederum gut drinnen im Haus überwintern. Die Passionsblume soll zwar bis -15 Grad winterhart sein, wobei bei uns kamen sie auf dem Balkon nicht über den Winter. Ich muss dazu sagen, dass sie nicht in meiner Pflegeobhut waren und ich daher nicht sagen kann, ob ich sie über den Winter gebracht hätte mit entsprechender Pflege und etwas Liebe. So kann ich zumindest nicht ausschliessen, dass unsere Exemplare zu wenig Wasser bekamen und vertrockneten. Es ist aber auch nicht mehr als Spekulation. Es könnte auch an der falschen Art gelegen haben, die dann doch nicht so winterhart war, wie die blaue Passionsblume (Passiflora caerulea).
Und meine Praxiserfahrung mit mehrjährigem Zeug? Die Klassiker funktionieren so mehr oder weniger. Beerensträucher, Erdbeeren, wenn man weiss wie sie richtig pflegen, dann funktioniert das. Bisher bleibt der Erfolg noch aus bei den Maibeeren/Honigbeeren/Kamtschatkabeeren/Blaue Heckenkirsche (Lonicera caerulea). Rhabarber ist auch so ein Klassiker, bisher kämpfen wir noch etwas mit deren Pflege, aber ich denke es ist eine Frage, bis wir ein paar Pflanzen etabliert haben. Spargeln wären ein weiterer Klassiker und stehen bei mir recht weit oben auf der Wunschliste. Nachbarn und Bekannte pflegen sie erfolgreich, weshalb ich da recht zuversichtlich bin, dass sie halten, was sie versprechen. Meerrettich wäre ein weiterer Mehrjähriger, eine bekannte Pflanze. Auch da ist der Erfolg wieder eher durchzogen, die Schnecken mögen die Blätter sehr gerne. Bisher ist er noch da, aber ich weiss nicht, ob er bleiben wird, dabei sah es anfangs Jahres noch so vielversprechend aus. Er wuchs super, hatte tolle Blätter und dann einige Wochen später kamen die Schnecken...
Schon etwas spezieller sind die ganzen Zwiebeln. Schnittlauch ist noch ein Klassiker, Schnittknoblauch kennen schon viele nicht mehr, ebenso Winterheckenzwiebeln und Etagenzwiebeln, welche beide bei uns auch super wachsen. Insbesondere von den Etagenzwiebeln bin ich begeistert. Sie brauchen nur etwa 3 Jahre, bis sie einigermassen eine ordentliche Grösse haben und auch etwas grössere Zwiebeln bilden, die man ab und an mal ernten könnte.
Noch ausgefallener wird es dann, wenn man sich weiter umschaut, was es sonst noch so gibt, z.b. Yakon, Knollensauerklee und Knollenziest sind drei Klassiker, die ich seit längerem Anbaue, dazu der mit dem Topinambur verwandte Helianthi oder Sonnenwurzel (Helianthus strumosus), wovon ich aber den Knollensauerklee und Knollenziest mangels genügenden Mengen bisher kaum nutzte und nur zu Zierzwecke und zwecks Vermehrung anbaue. Die Bilanz ist auch hier etwas durchzogen. Wenn man vom Knollenziest nichts erntet, wächst der sehr gut auf dem Balkon in Töpfen, im Garten muss er sich erst noch etablieren, da kann ich jetzt noch nicht so viel dazu sagen. Der Knollensauerklee macht in unseren Breitengraden in Aussenhaltung zu wenig und zu kleine Knollen, da er erst bei Kurztagen Knollen bildet und es bei uns zu schnell kalt wird, als dass er richtig grosse Knollen macht und dann einfach zu schnell abfriert. In Töpfen kultivieren und dann vor dem Frost reinnehmen wäre sicher eine interessante Option.
Noch exotischer wird es bei Pflanzen wie Zuckerwurzel, Süssdolde, Nachtkerze (Schinkenwurzel), Rapunzelglockenblume und Co. Erfahrungen mit der Nutzung habe ich da keine. Nachtkerzen wachsen aber gut bei uns und durften selbst im Degu-Freigehege damals nicht fehlen. Zuckerwurzel und Süssdolde wurden letztes Jahr gekillt oder gingen aus anderen Gründen ein, sodass mir ein Erfolg verwehrt blieb. Eine Rapunzelglockenblume konnte ich bisher keine bekommen, daher mal sehen ob das in Zukunft vielleicht mal was wird. Eine Süssdolde habe ich dieses Jahr wieder angeschafft und dieses Mal sieht es besser aus, nachdem sie zuvor im Topf anfing abzuserbeln, scheint sie sich im Garten eingepflanzt wieder zu erholen. Sie hatte vermutlich vor dem Einpflanzen zu trocken und zu viel Sonne.
Alles in Allem sind Mehrjährige zwar ein interessantes Thema, aber sie ersetzen weder die einjährigen Gemüse noch sind sie die grosse Hoffnung, als die sie oft dargestellt werden. Natürlich aber im Konzept der Waldgärten und essbaren Landschaften, sind sie ein unverzichtbarer Bestandteil und sicher eine gute Bereicherung. Man sollte ihnen im Selbstversorgergarten daher einen festen Platz einräumen. _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
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