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Whole Earth Catalog (1968-72)

 
   Degupedia-Forum » Kultur: Mensch, Tier, Natur » Whole Earth Catalog (1968-72) Alle Zeiten sind GMT + 2 Stunden
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
Beiträge: 8494
Wohnort: Schweiz

BeitragVerfasst am: 05.08.2018 10:36    Titel: Whole Earth Catalog (1968-72) Antworten mit Zitat

Huhu,

ich bin eher zufällig darüber gestolpert in einem Film über das Silicon Valley. Das Ganze passte aber auch sonst in den Kontext, da ich da gerade beschäftigt war mit dem Buch "One-Straw Revolutionary" von Larry Korn über Masanobu Fukuoka.
Darin beschreibt Korn unter anderem auch die damals starke Back-to-the-Land Bewegung, die in den USA, aber auch in Japan verbreitet war und letztlich auch mit den 1968, Hippies, Flower-Power usw. zusammenhing. Die Leute sehnten sich nach dem Land, nach dem einfachen Leben, Do-It-Yourself und Ausstieg aus der Zivilisation. Der Katalog widerspiegelte diesen Geist.

Ich habe hier jetzt ein paar Notizen aus dem Film über den Whole Earth Catalog. Der Film lautet:

Titel: "Silicon Valley - Wo die Zukunft gemacht wird"
Autor: David Carr-Brown 2017
Produzent: Arte France, Frankreich
Dauer: 78 Min.

Ich glaube man findet den Film auch auf Youtube und zumindest vor ein paar Monaten fand man ihn in der Arte Mediathek.

Der Whole Earth Catalog wird erwähnt im Zusammenhang mit den Anfängen des Silicon Valley, des Internets und wie es zu der ganzen Entwicklung kam.

Der Kontext
Kurz zur Entwicklung vor dem Whole Earth Catalog:

1947 war die "Operation Columbia", eine technokratische Bewegung, die den Traum der Ingenieure raustrugen in die Welt, dass alles optimiert werde, damit die Welt funktioniere wie eine gut geölte Maschine. So mobilisierten sie nach dem 2. Weltkrieg eine halbe Million Anhänger. Sie wollten nach der Wirtschaftskrise 1929 das vermeintlich ineffizente politische System durch ein wissenschaftsbasiertes Ordnungsprinzip ersetzen. Es waren Ingenieure in grauen Anzügen, die in Fahrten durch ganz Amerika ihre Ideen verbreiteten und insbesondere im Silicon Valley setzte sich ihr Traum weiter, einer Kultur des hohen Risikos.

Die technokratische Bewegung hatte ihre Anfänge in den 1920er und 1930er Jahre, hatte aber zuvor schon Vorläufer. Howard Scott führte die Bewegung und nannte sie später Technocracy Inc. Die Operation Columbia, die im Film stark hervorgehoben wurde, war wahrscheinlich nur eine Werbeaktion, um auf die Ziele der Bewegung aufmerksam zu machen. Das Interesse an der Bewegung flaute aber offenbar nach und nach ab. Inwiefern der New Deal als ein Rezept gegen die Probleme der Wirtschaftskrise 1929 und der Weltkriege eine Rolle spielte, ist offenbar umstritten. Noch anzumerken wäre, dass sich die Bewegung als dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus sah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Technokratische_Bewegung

Neben den Technokraten waren auch die libertären Ansichten von der russischstämmigen Any Rand ein wichtiger Treiber der Techbranche im Silicon Valley, worauf ich hier aber nicht weiter eingehen werde, da es wohl den Rahmen sprengen würde.


Whole Earth Catalog

Wie schon gesagt, der Katalog wurde erwähnt als wichtige Inspirationsquelle der Tech-Branche im Silicon Valley. Grössen wie Steve Jobs oder Marc Zuckerberg erwähnten den Katalog und daher musste dieser natürlich in die Doku rein. Und so erfahren wir, was es mit ihm auf sich hat:

[Film: 7:45] Ende der 1960er Jahre war die Zeit der Back-to-the-Land Bewegung und für sie ein wichtiges Mittel zum Informieren, um Kontakt zu den Kommunen und der Bewgung zu bekommen war der "Whole Earth Catalog" Im Film wird ein Katalog von 1971, Saline Valley gezeigt.

Die Vision von Google, Apple, Facebook & Co entstand also aus dem Geist der Back-to-the-Land Bewegung.

Zwischen 1966 und 73 entstanden zahlreiche Kommunen, sie strebten an das Leben in Harmonie mit der Natur, befreit vom herrschenden Kapitalismus. Zehntausende zog es zurück, wo sie mit den Instrumenten der Mainstreamgesellschaft ein neues gemeinschaftliches Lebensgefühl und Bewusstsein schaffen wollten.

[9:00] Der Katalog half Leuten, die keinen Kontakt zu Kommunen und den Leuten der Gegenkultur hatten, um sie aufzuspüren. Es war eine Möglichkeit vor dem Internet, um danach zu suchen und der Katalog wurde zum Katalog der Kommunen. Er zeigte womit die Leute arbeiteten, wo sie lebten, was für Leute das waren und wie sie sich kleideten. Er war ein greifbares Stück Gegenkultur.

[9:20] Steve Jobs nannten den Katalog in einer Rede in Stanfort 2005 "an amazing publication" und die Bibel seiner Generation. Er entstand mit Schreibmaschinen, Schere und Polaroid-Kameras und war eine Art Google in Papierform.

[9:50] Der letzte Whole Earth Catalog war von 1971. Zu Beginn 1968 war es noch ein 60-Seiten Ratgeber für Leute, die auf das Land ziehen wollten. [10:10] Der Katalog ist Ausdruck der Verbundenheit durch Technik. Der Leser konnte Hilfestellung für ein alternatives Leben finden oder Kontakt zu weit entfernten Leuten knüpfen. Indem er empfohlene Werkzeuge kaufte oder Dinge vorschlug wurde er Teil eines gemeinschaftlichen Austauschs.

Facebook sieht bei sich das selbe Ideal, ein Unternehmen, das sich dem Traum verschrieben habe, so Zuckerberg, alle Menschen miteinander zu verbinden. Es soll ein universelles Hilfsmittel sein, das Menschen so presentiert, wie sie sich selbst anderen empfehlen. Bei Facebook sehe man, wie der Geist des Whole Earth Catalogs. Den Traum einer durch Technologie verknüpften Welt, in der Leute physikalisch an verschiedenen Orten, gedanklich aber miteinander verbunden sein könnten.
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Zuletzt bearbeitet von davX am 05.08.2018 13:43, insgesamt einmal bearbeitet
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davX
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Anmeldungsdatum: 08.06.2004
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BeitragVerfasst am: 05.08.2018 13:31    Titel: Re: Whole Earth Catalog (1968-72) Antworten mit Zitat

Noch ein Beitrag zum Thema:

Zitat:

Stewart Brand ist zugleich eine entscheidende Figur der Gegenkultur: 1968 veröffentlichte er erstmals den „Whole Earth Catalog“: ein umfangreiches Sammelwerk mit praktischen Tipps und Hinweisen für ein Leben unabhängig von Staat und Gesellschaft. Steve Jobs bezeichnet den Katalog als analogen Vorläufer von Google und „Bibel“ der Hippie-Generation. Andere entdecken auch Facebook-artige Züge am Prinzip des Katalogs, denn Ratschläge aus der Gemeinschaft der Leser machten einen wichtigen Teil des Werks aus. Auch Technik hat hier immer wieder eine wichtige Rolle gespielt. In der ersten Ausgabe beispielsweise fand sich eine genaue Definition eines Desktop-Computers von Hewlett-Packard. Besser bekannt als: HP. Brand führte damals den Begriff „Personal Computer“ ein.

Stewart Brand sieht Technologie als Erweiterung des menschlichen Intellekts. Im Gespräch mit der britischen Tageszeitung „The Guardian“ sieht er auch an anderer Stelle Parallelen zwischen Flower-Power und Computer-Power, zum Beispiel das alljährliche Kunst- und Musik-Happening „Burning Man“ in der Wüste von Nevada. Die Teilnehmer streifen ihre Alltagsrollen ab, geben sich gerne auch einen neuen Namen und erleben auf dem Festival eine riesige Gemeinschaft.

Quelle: https://www.fluter.de/wieviel-hippie-steckt-im-silicon-valley


Zu Stewart Brand findet man auch bei Wikipedia Infos:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stewart_Brand

Etwas befremdlich ist seine Befürwortung von Atomkraft und grüner Gentechnik, was jedoch im Kontext einer technologiegläubigen Bewegung, die unter anderem eben auch von den Technokraten geprägt wurde und im Silicon Valley exzessiv gelebt wird, ist es weit weniger überraschend.
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