davX Team
Anmeldungsdatum: 08.06.2004 Beiträge: 8494 Wohnort: Schweiz
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Verfasst am: 21.05.2017 13:19 Titel: Floericke plaudert aus dem Naehkaestchen |
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Huhu,
alte Bücher sind manchmal wirklich interessant. Diesen kleinen Schatz wollte ich euch daher nicht vorenthalten... Kurt Floericke gibt Einblicke in seine Tierhaltung (das Ganze in schöner gotischer Schrift *g*):
Zitat: |
Als ich 1907 meinen Wohnsitz nach der schönen schwäbischen Hauptstadt verlegte, war ich entzückt über deren wundervolle landwirtschaftliche Lage und sonstigen Vorzüge, aber eines vermißte ich nur allzubald recht schmerzlich, nämlich einen nach großzügigen Gesichtspunkten angelegten Tiergarten, der mir die nötigen Quellen für meine naturgeschichtlichen Untersuchungen und Bücher geboten hätte. Rasch entschloß ich mich, diesem empfindlichen Mangel dadurch abzuhelfen, daß ich mir selbst einen kleinen Privattiergarten schuf, für den ich alsbald in der bewährten Opferwilligkeit der über ganz Europa zerstreuten Kosmos-Mitglieder eifrige Unterstützung fand. Meine schlichte Gelehrtenbude mag damals einen seltsamen Eindruck auf fremde Besucher gemacht haben. Elefanten und Nilpferde, Löwen oder Tiger konnte ich mir natürlich in meinem schlichten Heim nicht halten, aber dafür warf ich mich mit um so größerem Eifer auf die kleinen Vertreter unserer Säugetierwelt und hatte dabei bald die Genugtuung, manche Arten zu beherbergen, die ich auch in großen Tiergärten vergeblich gesucht hätte. Mein Heim war angefüllt mit allem möglichen Getier, an dem ich ungestört meine Beobachtungen machen, es in seinem geheimnisvollen Tun und Treiben so recht nach Herzenslust belauschen konnte. Fledermäuse der verschiedensten Art schwirrten durch das Zimmer oder hockten angeklammert an den Gardinen oder kamen hübsch pünktlich auf den Tisch zum Abendessen und schnitten aus Dankbarkeit ihre entsetzlichen Grimassen; Schlafmäuse in allen drei Arten wurden gegen Abend munter und entfalteten ihre anmutigen Spiele, allerliebste Zwergmäuse zeigten die ganze Lieblichkeit ihres Gebarens, plumpe Brand- und Feldmäuse huschten in ihren Käfigen hin und her, Spitzmäuse gingen ihrem grausamen Handwerk nach - kurz, ich fühlte mich unendlich glücklich inmitten einer kunterbunten zusammengewürfelten Gesellschaft. Da waren die stattlichen Hamster (Cricetus frumentarius) gewissermaßen schon Großwild. Ein Freund aus Thüringen hatte mir einen Wurf schon selbständiger junger Hamster zugeschickt, und ich hatte die recht unternehmend in die Welt blickenden Tiere aus Raummangel notgedrungen im gleichen Käfig unterbringen müssen [...] ich saß gerade arbeitend nebenan am Schreibtische - erscholl plötzlich ein Todesschrei aus dem Hamsterkäfig [...] Am nächsten Vormittage wiederholte sich das tückische Schauspiel zum zweiten- und übernächsten Tage zum drittenmal, ohne daß irgendein Zank oder Streit vorausgegangen wäre. [...] ich schenkte deshalb die beiden noch lebenden Hamsterchen dem kleinen Ersatztiergarten auf der Doggenburg. [...] Beim Herausfangen [...] wurde der [Wärter des Tierhalters] von dem einen Hamster gehörig in den Finger gebissen, während sein Schicksalgenoße schleunigst verschwand. Vergeblich schauten wir uns nach ihm um. [...] Zuletzt hatte diesen langweiligen und aussichtslosen Hamsterkrieg wirklich satt und legte Giftweizen, was denn auch endlich zum Ziele führte.
Quelle: S. 23-24, in: Floericke, Kurt (1932): Nagetiere. Kosmos, Gesellschaft der Naturfreunde. Franck'sche Verlagshandlung, Stuttgart.
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Anmerkung:
Kurt Floericke (1869-1934) war ein deutscher Ornithologe und Naturfreund. Geboren in Ostdeutschland, studierte er Naturwissenschaften in Marburg und Breslau. Später unternahm er mehrere Reisen, zuerst im Mittelmeerraum, später kamen dann noch der mittlere Osten und Südamerika dazu, wo er dann auch an Malaria erkrankte. Das zwang ihn zur Rückkehr nach Europa und eben 1907 kam er nach Stuttgart, wo er die Redaktion der Kosmos-Zeitschrift übernahm und über 20 der Kosmos-Vierteljahresbändchen verfasste, darunter eben auch eines über die Nagetiere. Diese Arbeit verschaffte ihm ein gesichertes Auskommen. Er starb letztlich knapp zwei Jahrzehnte später an Malaria und wurde in Stuttgart beigesetzt.
Seine Werke sind, wie dem obigen Zitat zu entnehmen ist, durchaus unterhaltsam geschrieben. Ihm wird aber vorgeworfen, dass er den Tieren menschliche Eigenschaften andichtete, was jedoch in jener Zeit nicht unüblich war. Dass man aus seinen Bücher jedoch keine wissenschaftliche Erkenntnis ziehen könne, möchte ich so pauschal nicht unterschreiben, wenn sicher nicht von der Hand zu weisen ist, dass man die Aussagen in ihren geschichtlichen Kontext setzen sollte und wir heutzutage in vielen Bereichen genauere und bessere Informationen zur Verfügung haben. Aus historischer Sicht und manche geschilderte Beobachtungen sind jedoch durchaus interessant, sei es nun die beschriebene Geschichte mit den Hamstern oder auch seine Beobachtung, dass Feldhasen bei Überschwemmungen der Donau in der ungarischen Tiefebene schon mal über den Fluss schwimmen (S. 10).
Auch die behandelten Tiere können sich sehen lassen und was er über die einzelnen Arten schreibt, gibt zumindest einen gewissen Einblick in die Lebensweise dieser Tierarten und er lässt es sich auch nicht nehmen, auf frühere Falschinformationen hinzuweisen und sie richtigzustellen. An Tieren behandelt werden unter anderem:
Kaninchen (Lepus cuniculus), Hase, Eichhörnchen, Hamster, Zwergmaus, Zwergspitzmaus, Wasserratten (Arvicola amphibius), Feldmaus, Ziesel (Spermophilus citillus) [sic], Murmeltier (Arctomys marmota), Bobak, Präriehund, Springmäuse (Dipus aegyptius), Pferdespringer (Sliotetes jaculus), Burunduk, Stachelschweine (Hystrix cristata), Flughörnchen (Pteromys volans), Lemminge (Myodes lemmus), Blindmaus (Spalax typhlus), Meerschweinchen (Cavia porcellus)
Die wissenschaftlichen Namen habe ich nur teilweise in Klammern angegeben, da sie teilweise durchaus interessant sind, einerseits da man sieht, wie sie sich ändern, teilweise, weil sie Kuriositäten aufweisen. Beim Meerschweinchen dagegen sieht man, dass gewisse Namen in den letzten Jahrzehnten durchaus Änderungen unterworfen waren, aber heute wie damals hat sich wenig geändert, wenn man diese Wechsel dazwischen ausblendet.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Floericke
http://gutenberg.spiegel.de/autor/kurt-floericke-1363
http://www.floericke-online.de/index.htm
https://www.perlentaucher.de/buch/kurt-floericke/nagetiere.html _________________ Degu-Fütterungstagebuch | Degupedia bei Youtube | Meine Degu-Aussenhaltung (Video)
Es preciso conocer el nombre de las plantas para que podamos salutarlas y ellas nos saluden a nosotros. GOETHE
Manche Menschen sind Steine und manche sind Otter. |
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