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Alarmrufe
Alarmrufe sind unter den Nagetieren weit verbreitet. Allerdings verwenden nicht alle Nagetierarten Alarmrufe.
Was sind Alarmrufe?
Als Alarmrufe (alarm calling) gelten (normalerweise laute) Geräusche, welche von den Tieren erzeugt werden, wenn ein Feind erkannt wird (Sheley und Blumstein 2004). Keine Alarmrufe sind dagegen Angstschreie oder "Verteidigungsgeräusche" (Z.B. Zähneklappern).
Wozu sind Alarmrufe gut?
Diese Frage ist durchaus berechtigt, denn Alarmrufe erhöhen das Risiko, dass ein Beutetier von einem Feind geortet werden kann und es sich daher selber in Gefahr bringt. Doch werden einerseits Alarmrufe nicht in jeder bedrohlichen Situation ausgestossen, andererseits sind Alarmrufe auch ein Kommunikationsmittel, mit dem die Beutetiere mit ihrem Feind kommunizieren können. Da die Beutegreifer meist nur dann erfolgreich jagen können, wenn sie ihre Beutetiere überraschen können, so kann das Beutetier mit einem Alarmruf dem Feind einerseits klar machen, dass er entdeckt wurde, andererseits werden mit dem Ruf auch Artgenossen gewarnt. Der Alarmruf kann dem Beutetier und seinen Artgenossen also klare Vorteile verschaffen. Allerdings ist für einen Alarmruf wichtig, dass ein Feind visuell entdeckt werden kann. Da dies bei Tag am besten geht, wäre es verständlich, dass man Alarmrufe vor allem bei tagaktiven Tieren antreffen würde. Doch es gibt durchaus auch nachtaktive Tierarten, die Alarmrufe verwenden (z.B. Chinchillas).
Alarmrufarten
Sicher sehr weit verbreitet in der Nagetierwelt sind laute, hohe und schrille, oft sehr kurze Alarmschreie. Neben Alarmschreie gibt es aber bei einigen Arten auch noch ein Fusstrommeln. Die Tiere stampfen mit den Füssen auf den Boden und erzeugen so ein hörbares Geräusch. Daly & Daly (1975) erwähnen, dass dies bei mehreren Rennmausarten in Fachliteratur als Alarmsignal beschrieben wurde, um die Kolonie zu warnen. Obwohl dieses Verhalten auch bei der Fetten Sandratte beobachtet wurde, konnten Daly & Daly aber keine unmittelbare Reaktion von Artgenossen beobachten.
Evolution der Alarmrufe
Shelley und Blumstein (2004) haben in ihrem Artikel versucht herauszufinden, wie sich die Alarmrufe entwickelt haben und in welchem Zusammenhang sie mit Tag/Nachtaktivität und Sozialverhalten der Tiere stehen. Dabei konnten sie feststellen, dass Korellationen doch komplizierter sind. Spezies, welche tagaktive Vorfahren haben, welche Alarmrufe verwendeten, behielten oftmals diese Alarmrufe bei, obwohl sie sich an eine nächtliche Lebensweise anpassten. Ansonsten konnten sie signifikante Korellationen zwischen Tagaktivität und Alarmrufe, soziale Lebensweise und Alarmrufe und Tagaktivität und soziale Lebensweise finden.
In einer Grafik haben sie ausserdem ein umfangreiches "Kladogramm" dargestellt, das schön darstellt, bei welchen Arten Alarmrufe bekannt sind. Auffällig dabei ist, dass die meisten Hörnchen und viele der Hystricognatha über Alarmrufe verfügen. Bei den Myomorpha dagegen findet man nur vereinzelt Markierungen, welche Spezies mit Alarmrufe darstellen.
Ob Zufall oder nicht, aber auf mich macht das den Eindruck, dass die Ausnahmen Grossteils bei den Myomorpha und teils auch bei den Hystricognahta zu finden ist. Bei den Hörnchen dagegen scheinen fast alle Alarmrufe zu verwenden.
Alarmrufe, mehr als nur ein trivialer Warnschrei?
Dass Alarmrufe nicht so trivial sein müssen, wie wir vielleicht denken, zeigt ein Beispiel, welches Grandin & Johnson (2006) in ihrem Buch verwenden. Sie erwähnen eine Studie über Gunnison's Präriehunde von C.N. Slobodchikoff (2002). Das Spezielle an der Studie ist, dass er herausfinden konnte, dass die Präriehunde mittels ihrer Warnlaute komplexe Informationen übermitteln können. So fand er heraus, dass sie über Substantive (Wer greift an? Mensch, Habicht, Kojote,...), Verben (wie schnell sich dieser bewegt: rennen, schleichen,...), Adjektive (bei Menschen: ist er bewaffnet? Grösse, Figur, Farbe der Kleidung,...). Das erstaunliche war, als Slobodchikoff die Präriehunde mit Sperrholzsilhouetten von Skunk, Kojote und einem schwaren Oval konfrontierte, so erfanden die Tiere für diese neuen Objekte "neue Wörter", bzw. bei den alt bekannten Formen setzten sie sie aus alt bekannten Wörtern zusammen.
Grandins Erklärung, weshalb gerade bei Präriehunden eine solche komplexe Kommunikation gefunden werden konnte, ist, dass diese Tiere besonders vielen Feinden ausgesetzt sind, dass für sie eine solch komplexe Lautsprache überlebenswichtig geworden ist.
Literatur:
Daly, M. Daly, S. (1975): Behavior of Psammomys obesus (Rodentia: Gerbillinae) in the Algerian Sahara. Zeitschrift für Tierpsychologie 37: 298-321.
Grandin, T. Johnson, C. (2006): Ich sehe die Welt wie ein frohes Tier. Eine Autistin entdeckt die Sprache der Tiere. Ullstein Verlag, Berlin.
Slobodchikoff, C.N. (2002): Cognition and Communication in Prairie Dogs. In: Beckoff, M. Allen, C. Burghardt, G.M. (Hrsg.). The Cognitive Annual: Empirical and Theoretical Perspectives on Animal Cognition. Cambridge: 257-264 [nicht gesehen, zitiert in Grandin 2006].
Shelley, E.L. Blumstein, D.T (2004): The evolution of vocal alarm communication in rodents. Behavioral Ecology 16: 169-177.