Hallo zusammen,
da ich teilweise doch haarsträubendes lese im Bereich Kleinsäugerernährung, möchte ich hier das einmal öffentlich ansprechen und ein paar Inputs geben.
Erste Aussage, die man immer und immer wieder lesen kann:
Kräuter haben Wirkungen (und Nebenwirkungen).
Natürlich hat eine Heilpflanze eine Wirkung, sofern sie richtig gepflückt wird (es gibt hier Anweisungen zur Pflückung und Lagerung der Heilkräuter, damit sie einen möglichst hohen Gehalt an Wirkstoffen behalten, damit sie wirksam bleiben) und gezielt eingesetzt wird bei einem kranken Tier. Aber es wäre falsch pauschal von Wirkungen zu sprechen, zumal damit ein falsches Bild vermittelt wird.
Jede Pflanze hat tausende von Inhaltsstoffen, nicht wenige davon gelten in grösseren Mengen und starker Konzentration als giftig oder gesundheitsschädigend, aber nur in wenigen Pflanzen sind sie überhaupt in solchen Mengen enthalten, dass sie schädlich wären. Diese Pflanzen sind wiederum gut bekannt, da es die gängigen Giftpflanzen sind, obwohl auch hier längst nicht jede Pflanze gefährlich ist, doch dazu später. Dazu kommt noch, dass es
Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren gibt. Pflanzen lagern zum Schutz gegen Feinde Frassschutzstoffe ein, welche die Pflanze vor dem Gefressenwerden schützen sollen. Allerdings ist das für die Pflanze auch mit hohen Kosten verbunden, dass ihr Schutz sich nur darauf beschränkt, dass sie die Verdauung der Tiere beeinträchtigen. Dadurch weichen die Pflanzenfresser auf bekömmlichere Pflanzen aus, welche einen besseren Nährwert bieten.
Auf der anderen Seite passen sich aber auch die Pflanzenfresser an die Frasschutzstoffe an und sie können teilweise auch mit Giftstoffen umgehen oder haben höhere Toleranzwerte. Dazu ernähren sich viele Pflanzenfresser von einem breiten Spektrum an Pflanzen, was den Zweck hat, dass schädliche Pflanzen durch die anderen Pflanzen in der
Wirkung verdünnt werden und dadurch die Tiere besser damit zurecht kommen. Ebenfalls können Pflanzenfresser gut zwischen Pflanzen unterscheiden, welche ihnen bekömmlich sind und welche nicht, bzw. sie lernen es schnell bei neuen Pflanzen durch probieren (daher auch das vorsichtige Probieren von neuem Futter bei unseren Heimtieren
).
Wenn man das bedenkt wird schnell klar, dass die Wirkung der Kräuter selber nicht wirklich ein Problem ist, wenn sie richtig verfüttert werden. Das heisst, man muss den Tieren eine grosse Vielfalt bieten, dass sie selber selektieren können und unbekömmliche verschmähen können.
Für alle, die an weiteren Informationen zum Thema interessiert sind, empfehle ich eine Recherche über Herbivorie (=Interaktion zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern) oder Sekundäre Pflanzenstoffen.
Und was man oft auch immer wieder liest sind
Warnungen vor Fett oder Kohlenhydrate oder Proteine.
Problematisch bei solchen Aussagen ist, dass sie den Fehlschluss nahelegen, dass durch Verzicht auf Fett, Kohlenhydrate und Proteine die Chinchillas gesund ernährt werden können. Aber dem ist nicht so.
Wer sich bereits schon etwas mit Futtermittelkunde oder Futtermittelanalyse beschäftigt hat (wer nicht kann mal nach "Weender Analyse" suchen), wird hoffentlich wissen, dass es essentielle Nährstoffe gibt, die für den tierischen Organismus lebenswichtig sind. Zu diesen Nährstoffen gehören Wasser, Kohlenhydrate (bzw. Saccharide), Proteine (bzw. Aminosäuren), Mineralstoffe und Fett (bzw. essentielle Fettsäuren). Die Rohfasern zählen zu den Kohlenhydraten (genauer gesagt zu den Polysaccharide oder Gerüstkohlenhydrate) und das ebenfalls zu den Rohfasern gezählte Lignin ist ein Polyphenol. Aus diesen Nährstoffen setzen sich alle unsere Futter zusammen, sei es nun Heu, Pellets, Cobs, Mischfutter oder Gräser oder Kräuter. Entscheidend ist aber die Zusammensetzung dieser einzelnen Nährstoffe. Fett ist ein sehr guter Energieträger, dessen wertvollen essentiellen Fettsäuren kommen aber vor allem in Sämereien vor und fehlen in industriellem Futter wie Pellets oder Mischfutter fast vollkommen. Ebenfalls in Getreide kommen sie eher in kleineren Mengen vor. Reichlich findet man sie dagegen in kleinen Ölsaaten. Bei Proteinen unterscheidet man nach Wertigkeit des Proteins. Tierische Proteine haben die höchste Wertigkeit und werden daher von einigen Kleinsäugerarten, die sich in der Natur von Insekten oder Fleisch ernähren, dringend benötigt, so z.B. einige Mäusearten. Andere Kleinsäuger, die sich vorwiegend von Pflanzen ernähren wie eben auch die Chinchillas begnügen sich auch mit pflanzlichem Protein und kommen gut ohne tierische Proteine aus, sprich viele würden das nicht mal fressen. Allerdings brauchen auch sie Proteine, um den Bedarf an essentiellen Aminosäuren zu decken. Und schliesslich die Kohlenhydrate stellen für den tierischen Körper den mengenmässig wichtigsten Nährstoff dar. Zu den Kohlenhydraten zählen Einfach- und Mehrfachzucker (Mono- und Oligosaccharide) sowie die zu den Polysacchariden zählende Stärke und Invertzucker und die Cellulose, Hemicellulose und Pektine. Dabei können gerade Pflanzenfresser auch aus Gerüstkohlenhydraten wie Cellulose, Hemicellulose oder Pektine noch Energie gewinnen, da sie durch Anpassungen in der Verdauung (Vergrösserter Grimmdarm und Blinddarm) und in ihrem Fressverhalten (Kotfressen, wodurch sie Nährstoffe zurückgewinnen können, welche ihnen sonst verloren gingen) an dieses faserreiche Futter angepasst sind (in Wirklichkeit handelt es sich hier nämlich auch wieder um einen Frassschutz der Pflanzen gegen das Gefressenwerden, woran sich aber die Pflanzenfresser angepasst haben).
Wir sehen auch hier, genauer hinschauen lohnt sich. Selbst im Heu hat es auch Fett (wenn auch eher geringe Mengen), Protein (im Frühjahr sogar sehr viel), Kohlenhydrate (sowohl Einfach- und Mehrfachzucker, als auch Rohfaser) und selbst Wasser ist in kleineren Mengen enthalten (das kann selbst durch trocknen der Nahrung kaum ganz entzogen werden).
Wer sich für Futtermittelkunde interessiert findet im Übrigen relativ viele gute
Literatur:
Kersten, J. Rohde, H. Nef, E. (2003): Mischfutter Herstellung. Agrimedia Verlag, Bergen/Dumme.
Kirchgessner, M. (1997): Tierernährung. Leitfaden für Studium, Beratung und Praxis. DLG-Verlag, Frankfurt am Main.
Menke, K-H. Huss, W. (1987): Tierernährung und Futtermittelkunde. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.
Püschner, A. Simon, O. (1988): Grundlagen der Tierernährung. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart.
Ulbrich, M. Hoffmann, M. Winfried, D. (2004): Fütterung und Tiergesundheit. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.
von Lengerken, J. (2004): Qualität und Qualitätskontrolle bei Futtermitteln. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main.