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 Betreff des Beitrags: Wirkungen und Nährstoffe
BeitragVerfasst: 11.08.2007, 16:06 
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Hallo zusammen,

da ich teilweise doch haarsträubendes lese im Bereich Kleinsäugerernährung, möchte ich hier das einmal öffentlich ansprechen und ein paar Inputs geben.

Erste Aussage, die man immer und immer wieder lesen kann: Kräuter haben Wirkungen (und Nebenwirkungen).

Natürlich hat eine Heilpflanze eine Wirkung, sofern sie richtig gepflückt wird (es gibt hier Anweisungen zur Pflückung und Lagerung der Heilkräuter, damit sie einen möglichst hohen Gehalt an Wirkstoffen behalten, damit sie wirksam bleiben) und gezielt eingesetzt wird bei einem kranken Tier. Aber es wäre falsch pauschal von Wirkungen zu sprechen, zumal damit ein falsches Bild vermittelt wird. Jede Pflanze hat tausende von Inhaltsstoffen, nicht wenige davon gelten in grösseren Mengen und starker Konzentration als giftig oder gesundheitsschädigend, aber nur in wenigen Pflanzen sind sie überhaupt in solchen Mengen enthalten, dass sie schädlich wären. Diese Pflanzen sind wiederum gut bekannt, da es die gängigen Giftpflanzen sind, obwohl auch hier längst nicht jede Pflanze gefährlich ist, doch dazu später. Dazu kommt noch, dass es Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Tieren gibt. Pflanzen lagern zum Schutz gegen Feinde Frassschutzstoffe ein, welche die Pflanze vor dem Gefressenwerden schützen sollen. Allerdings ist das für die Pflanze auch mit hohen Kosten verbunden, dass ihr Schutz sich nur darauf beschränkt, dass sie die Verdauung der Tiere beeinträchtigen. Dadurch weichen die Pflanzenfresser auf bekömmlichere Pflanzen aus, welche einen besseren Nährwert bieten. Auf der anderen Seite passen sich aber auch die Pflanzenfresser an die Frasschutzstoffe an und sie können teilweise auch mit Giftstoffen umgehen oder haben höhere Toleranzwerte. Dazu ernähren sich viele Pflanzenfresser von einem breiten Spektrum an Pflanzen, was den Zweck hat, dass schädliche Pflanzen durch die anderen Pflanzen in der Wirkung verdünnt werden und dadurch die Tiere besser damit zurecht kommen. Ebenfalls können Pflanzenfresser gut zwischen Pflanzen unterscheiden, welche ihnen bekömmlich sind und welche nicht, bzw. sie lernen es schnell bei neuen Pflanzen durch probieren (daher auch das vorsichtige Probieren von neuem Futter bei unseren Heimtieren ;) ).
Wenn man das bedenkt wird schnell klar, dass die Wirkung der Kräuter selber nicht wirklich ein Problem ist, wenn sie richtig verfüttert werden. Das heisst, man muss den Tieren eine grosse Vielfalt bieten, dass sie selber selektieren können und unbekömmliche verschmähen können.

Für alle, die an weiteren Informationen zum Thema interessiert sind, empfehle ich eine Recherche über Herbivorie (=Interaktion zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern) oder Sekundäre Pflanzenstoffen.


Und was man oft auch immer wieder liest sind Warnungen vor Fett oder Kohlenhydrate oder Proteine.

Problematisch bei solchen Aussagen ist, dass sie den Fehlschluss nahelegen, dass durch Verzicht auf Fett, Kohlenhydrate und Proteine die Chinchillas gesund ernährt werden können. Aber dem ist nicht so.
Wer sich bereits schon etwas mit Futtermittelkunde oder Futtermittelanalyse beschäftigt hat (wer nicht kann mal nach "Weender Analyse" suchen), wird hoffentlich wissen, dass es essentielle Nährstoffe gibt, die für den tierischen Organismus lebenswichtig sind. Zu diesen Nährstoffen gehören Wasser, Kohlenhydrate (bzw. Saccharide), Proteine (bzw. Aminosäuren), Mineralstoffe und Fett (bzw. essentielle Fettsäuren). Die Rohfasern zählen zu den Kohlenhydraten (genauer gesagt zu den Polysaccharide oder Gerüstkohlenhydrate) und das ebenfalls zu den Rohfasern gezählte Lignin ist ein Polyphenol. Aus diesen Nährstoffen setzen sich alle unsere Futter zusammen, sei es nun Heu, Pellets, Cobs, Mischfutter oder Gräser oder Kräuter. Entscheidend ist aber die Zusammensetzung dieser einzelnen Nährstoffe. Fett ist ein sehr guter Energieträger, dessen wertvollen essentiellen Fettsäuren kommen aber vor allem in Sämereien vor und fehlen in industriellem Futter wie Pellets oder Mischfutter fast vollkommen. Ebenfalls in Getreide kommen sie eher in kleineren Mengen vor. Reichlich findet man sie dagegen in kleinen Ölsaaten. Bei Proteinen unterscheidet man nach Wertigkeit des Proteins. Tierische Proteine haben die höchste Wertigkeit und werden daher von einigen Kleinsäugerarten, die sich in der Natur von Insekten oder Fleisch ernähren, dringend benötigt, so z.B. einige Mäusearten. Andere Kleinsäuger, die sich vorwiegend von Pflanzen ernähren wie eben auch die Chinchillas begnügen sich auch mit pflanzlichem Protein und kommen gut ohne tierische Proteine aus, sprich viele würden das nicht mal fressen. Allerdings brauchen auch sie Proteine, um den Bedarf an essentiellen Aminosäuren zu decken. Und schliesslich die Kohlenhydrate stellen für den tierischen Körper den mengenmässig wichtigsten Nährstoff dar. Zu den Kohlenhydraten zählen Einfach- und Mehrfachzucker (Mono- und Oligosaccharide) sowie die zu den Polysacchariden zählende Stärke und Invertzucker und die Cellulose, Hemicellulose und Pektine. Dabei können gerade Pflanzenfresser auch aus Gerüstkohlenhydraten wie Cellulose, Hemicellulose oder Pektine noch Energie gewinnen, da sie durch Anpassungen in der Verdauung (Vergrösserter Grimmdarm und Blinddarm) und in ihrem Fressverhalten (Kotfressen, wodurch sie Nährstoffe zurückgewinnen können, welche ihnen sonst verloren gingen) an dieses faserreiche Futter angepasst sind (in Wirklichkeit handelt es sich hier nämlich auch wieder um einen Frassschutz der Pflanzen gegen das Gefressenwerden, woran sich aber die Pflanzenfresser angepasst haben).
Wir sehen auch hier, genauer hinschauen lohnt sich. Selbst im Heu hat es auch Fett (wenn auch eher geringe Mengen), Protein (im Frühjahr sogar sehr viel), Kohlenhydrate (sowohl Einfach- und Mehrfachzucker, als auch Rohfaser) und selbst Wasser ist in kleineren Mengen enthalten (das kann selbst durch trocknen der Nahrung kaum ganz entzogen werden).

Wer sich für Futtermittelkunde interessiert findet im Übrigen relativ viele gute Literatur:
Kersten, J. Rohde, H. Nef, E. (2003): Mischfutter Herstellung. Agrimedia Verlag, Bergen/Dumme.
Kirchgessner, M. (1997): Tierernährung. Leitfaden für Studium, Beratung und Praxis. DLG-Verlag, Frankfurt am Main.
Menke, K-H. Huss, W. (1987): Tierernährung und Futtermittelkunde. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.
Püschner, A. Simon, O. (1988): Grundlagen der Tierernährung. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart.
Ulbrich, M. Hoffmann, M. Winfried, D. (2004): Fütterung und Tiergesundheit. Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart.
von Lengerken, J. (2004): Qualität und Qualitätskontrolle bei Futtermitteln. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main.

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 Betreff des Beitrags: Re: Wirkungen und Nährstoffe
BeitragVerfasst: 11.08.2007, 20:52 
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Beiträge: 2807
Vielen Dank für diesen Beitrag!

Ich glaube jedoch dass die Chin-Welt da draußen noch nicht soweit ist, unterscheidet er sich doch so grundlegend von der allgegenwärtigen Foren-PHW-Kräuter nur im Bedarfsfall-Propaganda.

Das heisst, man muss den Tieren eine grosse Vielfalt bieten, dass sie selber selektieren können und unbekömmliche verschmähen können.

Das ist falsch! Punkt. Nach all den Jahren in Foren und Gemeinschafts-Brainwash und Kräuterhexen mit Büchern vom Aldi weiß das der informierte Foren-Leserling. ;)

An der Chin-Szene sind solche Erfahrungen und Erkenntnisse aus anderen Heimtierbereichen völlig vorbeigegangen und es gelten andere Gesetze.

Sicher sind früher Fehler gemacht worden – ich sag nur ...eating the same vegetables and grains a domesticated chicken consumes... und dann ...autopsy usually reveals little balls of hair in the stomach... - doch mittlerweile kann man auch einen breiten Informations- und Erfahrungsschatz zurückgreifen, um sie zu vermeiden.

Jede Pflanze hat tausende von Inhaltsstoffen, nicht wenige davon gelten in grösseren Mengen und starker Konzentration als giftig oder gesundheitsschädigend...

Ich sag nur Pelletanalyse der anderen Art...

Sonst wird ja immer schnell bei vetpharm/clinitox nachgeschlagen, ob was giftig ist oder nicht. Selbst wenn da etwas als schwach giftig deklariert ist, ist es sofort tabu, da der Leserling mit den Erklärungen (...nach Aufnahme massiver Pflanzenmengen) nichts anzufangen weiß, oder er hat sie gar nicht angeklickt.

Seltsam ist nun, dass sich an den Hauptbestandteil der Pellets, Luzerne, niemand heran gewagt hat. ;) Saponine, Isoflavone etc. und vetpharm sagt sogar Giftig +!!! ...in Ausnahmefällen, ok.

Paßt wohl nicht ins Pellet-Weltbild, deshalb kein Thema...

Selbst im Heu hat es [...] Kohlenhydrate (sowohl Einfach- und Mehrfachzucker, als auch Rohfaser)...

Du lügst! Kann nicht sein! :D

Ich hatte mal vor längerer Zeit in einem Forum eingeworfen, dass im Heu auch Zucker ist, ging um Hefen (auch so ein Thema...) oder Diabeti... Diabethi... the... o s t mus tis nt... Zucker! Wurde nicht geglaubt. Manchmal frage ich mich was die Leute, Breimammis insbesondere, glauben was im Heu so drin ist. Ist gut für die Zähne und Verdauung. Is klar. Und weiter? Wäre mal interessant das zu erfahren. :)

Deine Feststellung bzgl Kräuter geht ein klein wenig in die Richtung der Überlegungen, die ich mir mal im Phytotherapie durch Pflanzen mit antiparasitären Potenzen-Thread gemacht habe.

Zitat:
Ich bin der Meinung/Einstellung, dass diese ganze "Kräuter nur im Bedarfsfall"-Geschichte umgekehrt werden müßte!

[...]

Die Tiere leben permanent in einem "Bedarfsfall" und wissen viel früher als der Halter, was sie brauchen. In freier Wildbahn würden sie es auch bekommen. Merkt ein Tier, es hat einen Parasiten, frißt es etwas mit Tanninen. Stirbt der Parasit ab und reizt den Darm und löst Durchfall aus, frißt es etwas adstringierendes.

[...]

Pflanzen kennen keine Grenzwerte aber sie kennen Pflanzenfresser und deshalb haben sich sicherlich alle Pflanzen mehr oder weniger etwas einfallen lassen, damit sie nicht zu schmackhaft sind. Gerb-/Bitter-/Giftstoffe usw. In einer kargen Umgebung in der es für die Flora ums "nackte Überleben" geht, werden diese Mechanismen möglicherweise sogar noch effektiver sein, als unter günstigeren Lebensumständen. Soll heißen: Unsere Chins mußten ursprünglich vielleicht mit nicht wenigen ungefährlichen Pflanzen zurecht kommen.


Das Pflanzen kennen keine Grenzwerte aber sie kennen Pflanzenfresser war übrigens von dieser Seite inspiriert und der Aussage: Die Natur kennt keine Grenzwerte. II. 2. Gift im Kochtopf


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 Betreff des Beitrags: Re: Wirkungen und Nährstoffe
BeitragVerfasst: 12.08.2007, 17:21 
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Moderator und Technik
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Beiträge: 7985
Wohnort: Zürich / Schweiz
Zitat:
Ich glaube jedoch dass die Chin-Welt da draußen noch nicht soweit ist, unterscheidet er sich doch so grundlegend von der allgegenwärtigen Foren-PHW-Kräuter nur im Bedarfsfall-Propaganda.

:( ... aber ich habs zumindest versucht.
Aber mir ist es ernst. Sowas schreibe ich nicht zum Spass oder aus Langeweile, sondern da ich doch die Hoffnung habe, dass es doch vielleicht dem einen oder anderen nützlich sein könnte.


Zitat:
Selbst im Heu hat es [...] Kohlenhydrate (sowohl Einfach- und Mehrfachzucker, als auch Rohfaser)...

Du lügst! Kann nicht sein! :D

Du meinst aber nicht, weil ich sage, dass Rohfaser auch zu den Kohlenhydraten gehören?
*seufz* wenn die Leute doch zumindest sich einmal etwas mit Nutztierernährung beschäftigen würden (wo bleiben all die studierten TÄ und angehenden Agrarwissenschaftler, die hier wertvolle Dienste leisten könnten?? Gibts sowas in Chinforen etwa nicht?).
Dieses Wissen hab ich ja nicht selber erfunden, das könnte sich doch jeder anlesen bzw. ist es für TÄ und Agrarwissenschaftler Pflicht...

Zitat:
Deine Feststellung bzgl Kräuter geht ein klein wenig in die Richtung der Überlegungen, die ich mir mal im Phytotherapie durch Pflanzen mit antiparasitären Potenzen-Thread gemacht habe.

Den hab ich irgendwie gar nicht richtig wahrgenommen... %). Aber hast recht, da gibt es durchaus Schnittpunkte... ich schreib da ja auch nix neues, nur hab ich es nochmals aufgearbeitet und gerade bezüglich Futtermittelkunde habe ich etwas ausgeholt und das Thema vertieft beleuchtet.

Zitat:
Das Pflanzen kennen keine Grenzwerte aber sie kennen Pflanzenfresser war übrigens von dieser Seite inspiriert und der Aussage: Die Natur kennt keine Grenzwerte. II. 2. Gift im Kochtopf

Gut, aber die Seite finde ich ehrlich gesagt auch etwas einseitig. Wenn ich das teilweise so durchlese hab ich den Eindruck, dass es nur ums Dagegensein geht. Sicher die Fakten stimmen wohl, aber wie man sie interpretiert, da gehen die Meinungen dann auseinander.

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