Huhu,
die Ausgangsfrage geht für mich in Richtung Suche nach Definitionen womit ich bei der Analyse des Worts wäre. Tierschutz = Tiere schützen.
Das wirft bei mir zumindest eine Reihe von Fragen auf:
Welche Tiere müssen geschützt werden und vor wem?
Mögliche Antworten:
1) Heimtiere wie Chinchillas vor "verantwortungslosen" Tierhalter, die Grünfutter füttern und Pellets weglassen.
2) Heimtiere müssen geschützt werden vor "verantwortungslosen" Tierhalter, welche ihre Tiere zu tode päppeln
3) Wildtiere müssen geschützt werden, indem sie in Gefangenschaft nachgezüchtet werden
4) Wildtiere müssen geschützt werden, indem ihre Lebensräume geschützt werden
5) Wildtiere müssen vor den Gefahren in der Natur geschützt werden, indem gefährliche Krankheiten ausgerottet werden, indem die gefährliche Natur so umgestaltet wird, dass alles hygienisch wird, sprich Böden werden asphaltiert und zubetoniert, Pflanzen verbannt und gefüttert wird an vordefinierten Futterstellen mit hygienischem Futter... oder so ähnlich
6) Tierische Individuen müssen geschützt werden vor Gefahren
7) Tierische Individuen müssen geschützt werden vor ungerechten Vorgängen in unserer Gesellschaft, durch juristischen Beistand und durch Anerkennung ihrer Person als gleichwertiges Wesen neben dem Menschen, das die selben Rechte und Pflichten wie der Mensch zu erfüllen hat.
usw.
Was ich hier so zusammengefasst habe, könnte man nämlich auch aufteilen in Tierschutz, Tierrecht und Artenschutz, ggf. noch Naturschutz. Es gibt schon ungefähre Definitionen, die sind aber nicht so intuitiv im Gebrauch, wie vielleicht das obige Beispiel schon zeigen konnte.
Und jetzt etwas konkreter zum Thema, stellt sich für mich einerseits die Frage ob Tierschutz die richtige Bezeichnung ist für das, was ich mir vorstelle, was heute oft etwas fehlt, den Respekt den Tieren und der Natur gegenüber. Das kann man natürlich so wie oben schon beschrieben untergliedern wiederum in Artenschutz/Naturschutz, Tierschutz, Tierrechte usw. aber letztlich geht es m.E. doch in eine ähnliche Richtung, wer das Individuum nicht respektiert, wie soll er dessen Lebensräume und die Natur als Ganzes respektieren? Das hängt für mich zusammen, obwohl es sogenannte Tierschützer gibt, welche Artenschützer missachten und sie als Vermehrer, Tiersammler oder Tierquäler usw. bezeichnen, weil sie beispielsweise sogenannte Ex Situ Massnahmen im Rahmen des Artenschutzes begrüssen, das heisst, dass zum Beispiel Tierarten in Gefangenschaft nachgezüchtet werden (d.h. also Massnahmen die nicht vor Ort stattfinden) und beispielsweise einer Tierhaltung in Gefangenschaft nicht grundsätzlich skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen.
Aufhören tut das was ich für echten Tierschutz bzw. Respekt vor der Natur halte dort, wo das Wissen der biologischen Grundlagen und Zusammenhänge mit Füssen getreten wird. Dort wo Tiere artwidrig ernährt und in Käfigen gehalten werden, die keineswegs ihren Bedürfnissen entsprechen, aber auch dort, wo Leute beispielsweise fordern Tiere juristisch mit Menschen gleichzusetzen und meinen damit den fehlenden Respekt zu kompensieren oder wenn Tiere vermenschlicht werden, indem Käfige mit Laufräder/Laufteller, Hängematten usw. vollgestopft werden, ohne dabei die Bedürfnisse der Tiere wirklich zu erfassen... das Bild des Abenteuerspielplatz ist m.E. ein Sinnbild dieser Fehlentwicklung. Zwar ist der Grundgedanke gut dahinter, dass die Tiere Abwechslung und Beschäftigung bekommen, doch sollte er nicht dem Menschen in erster Linie gefallen, der ihn ausgedacht oder eingerichtet hat, sondern sollte er möglichst gut die Bedürfnisse der Tiere abdecken und da happert es ja öfters.
Aufhören tut er auch dort, wo in Kauf genommen wird, dass Tiere unnötig leiden müssen und gequält werden, sei es weil Tiere durchgepäppelt werden müssen, obwohl die Chancen zur Besserung so gering sind, dass die Aussichtslosigkeit auf Dauer mit gesundem Menschenverstand einleuchten sollte. Klar braucht der Halter manchmal Zeit um zu begreifen, dass er loslassen muss, aber darum geht es mir nicht.
Aufhören tut er für mich auch überall dort, wo Tiere und das gute Karma des Tierschutzes missbraucht werden für andere Zwecke, sei es dass Spenden eingesackt werden und auf krumme Wege ein ordenliches Nebenverdienst oder zumindest Zustupf zum Hobby dazukommt oder wenn Halter falsch beraten werden, weil man nicht eingestehen kann, dass man beschränktes Wissen hat, dass neuere Erkenntnisse und Erfahrungen vielleicht richtiger liegen und man durch festhalten an alten Dogmen die Sache nur verschlimmert usw.
Aber eine der schlimmsten Probleme sehe ich doch beim Mangel an Grundlagenwissen zur Funktionsweise der Natur. Zwar haben die meisten eine Ahnung, dass es da draussen eine Fresskette gibt, da ist irgend ein Tierchen der Alpha-Prädator, der hat kaum Feinde (genau genommen hat er sie ebenso) und dann gehts die Leiter runter, bis zum Pflanzenfresser, der wiederum ein Feind der Pflanzen ist usw. Das ist aber in der Natur und zuhause in den eigenen vier Wänden verliert das komischerweise an Bedeutung, ebenfalls dass es damit noch nicht erledigt ist, denn die Frasskette ist im Grunde genommen keine Kette sondern ein Kreislauf aus Fressen und gefressen werden, Leben und Tod. Der Alpha-Prädator hat sehr wohl ebenfalls Feinde, sogar sehr mächtige, teils aber unsichtbare. Neben dem Hunger, wenn zum Beispiel passende Beute fehlt, gäbe es da Krankheiten, Konkurrenz durch Artgenossen, widrige Klimaumstände usw. die nagen alle an ihm und selektieren schwächere Tiere aus und sorgen dafür, dass bei hohen Beständen sich diese wieder regulieren: Wenn nämlich die Tiere dichter beieinander leben steigt das Risiko durch Krankheitsübertragung angesteckt werden, die Hygiene sinkt häufig auch, was wiederum Krankheiten begünstigt und Parasiten können sich besser vermehren und verbreiten und können dadurch und durch Stress den Tieren durchaus gefährlich werden, obwohl diese sonst häufig mit geringen Mengen davon symptomfrei leben können und dabei einen gesunden Eindruck machen... sie sind stark genug, dass sie damit zurecht kommen. Und wenn es sein muss können viele Tiere ihre Parasiten selbst behandeln, zum Beispiel wenn sie in der Fortpflanzung sind oder auf Wanderung gehen usw. immer wenn sie viel Energie brauchen, dann sind sie bemüht, den Parasiten möglichst den Garaus zu machen, damit sie nicht unnötig ihren Reserven zehren.
Tja und da kommen dann noch eine zweite Gruppe von Tieren ins Spiel, die vom Tod von Lebewesen profitieren, den Detrivoren, welche organisches Material im Boden abbauen, bzw. haben wir noch die Aasfresser, welche die grobe Aufräumarbeit erledigen und den Detrivoren die Arbeit erleichtern.
Fassen wir das alles dann zusammen haben zum Beispiel diverse gefürchtete Krankheiten also auch eine postive Seite, ja eine wichtige Aufgabe in der Natur, da sie regulierend eingreifen, wenn es nötig wird und so zum Beispiel wirken, wenn natürliche Feinde fehlen. Es wäre also ein Irrsinn zu glauben, man könne Krankheiten einfach ausrotten, auch dass man irgendwann jede Erkrankung heilen kann oder solch ähnliche Ideen sind einfach nicht im Sinne der Natur. Hier fängt es an und mit dieser Geisteshaltung gehts dann zum TA. Die Maschine Tier ist defekt, der TA-Mechaniker soll bitte die kaputte "Schraube" finden und sie durch eine ganze ersetzen, dass das Tier wieder "funktioniert". Klingt jetzt vielleicht auf den ersten Moment etwas absurd und befremdend, aber geht es nicht genau darum? Um diese Denke? Und dann ist es ein schlechter TA, weil er nicht dieses und jenes tat, weil ER schuld war am Tod des Tieres, weil er wie die 23 TÄ, die man vorher besuchte ebenso versagte und nicht die richtige Therapie erraten konnte, die man zuvor schon in Foren herausgefunden hatte (Ferndiagnosen sind heutzutage ja glücklicherweise zu 120% treffsicher...
) usw.
Bei den Kaninchenhalter ist es übrigens ähnlich und war mir sehr stark aufgefallen, als es um die Sicherheit ging bei der Freilandhaltung. Dort kamen immer wieder Beteuerungen, dass man es nicht verantworten könne, wenn ein Tier vom Fuchs oder anderen Beutegreifer geholt werden, selbst wenn dieses Risiko gering ist und man damit eigentlich nicht rechnet, ist es doch der schlimmste Fall, den es immer und überall gibt. Dass dem aber vielleicht gegenüber steht, dass man den Tieren einiges an zusätzlicher Lebensqualität bieten könnte und dass die Tiere früher oder später sowieso sterben würden, vielleicht einem deutlich quälenderen Tod etc. das alles wird ja nicht einmal in Betracht gezogen.
Klar, wenn ich meine Kaninchen an einer Hand abzählen kann, zu ihnen eine sehr intensive und langjährige Beziehung habe, dann ist das schwierig, wenn eines plötzlich stirbt, aber jeder der mehr Tiere schon gehalten hat, wird sicher schon erlebt haben, dass es Phasen gibt, da sterben die Tiere plötzlich in mehr oder weniger kurzen Zeit nacheinander weg, sprich sie häufen sich die Todesfälle, während es zuvor gut lief. Da macht man sich wohl mit der Zeit einfach Gedanken über die Vergänglichkeit des Tierlebens und dass ihre Zeit irgendwann mal gekommen ist.
Vor allen Gefahren können wir letztlich unsere Tiere nicht bewahren und das ist m.E. auch die falsche Lebenseinstellung, denn sie würde genau eine Haltungsform letztlich begünstigen, eine sehr langweilige, platzarme, bei der nicht viel passieren kann, weil jede Abwechslung letztlich wieder potenzielle Gefahr bedeutet: Etagen können Absturzgefahr bieten, ein Argenossen kann möglicherweise zum Rivalen werden und es könnte ja mal zu einem heftigen Streit kommen, aus welchem Grund auch immer... ganz abgesehen von der Gefährlichkeit einer Vergesellschaftung, im Futter könnte es alles mögliche haben, giftiges Zeug, was auch immer, das frische Grün könnte Durchfall verursachen, im Heu könnte es Parasiten haben, in der Luft gefährliche Bazillen usw.