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 Betreff des Beitrags: Irreführende Ernährungsinfos machen wieder mal die Runde
BeitragVerfasst: 17.07.2010, 12:22 
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Huhu,

es ist eigentlich nichts Neues, aber vielleicht wieder mal Zeit, darauf aufmerksam zu machen. Einige Jahre sind vergangen und damit auch Informationen und Richtigstellungen, die mittlerweile bereitgestellt wurden und dennoch hat sich offenbar nichts geändert bei gewissen Leuten, wie ein folgender Text sichtbar macht:

Zitat:
Bis 2001 waren wildlebende Chinchillas überhaupt noch nicht untersucht / erforscht! Man wusste bis zu diesem Zeitpunkt weder genau, wo und wie sie leben, was sie fressen / trinken und wie ihre Umgebung (Habitat) aussieht. Seit 2001 werden bzw. wurden nun lediglich zwei in Reservaten lebende Populationen genauer untersucht / erforscht. Mittlerweile gilt das Chinchilla als endemisch (nur noch an diesem Ort wildlebend vorkommend). Es lebt in den Anden, einer Halbwüstenregion, zwischen der Atacama-Wüste und dem Pazifik. Eine der besonders gut erforschten Populationen lebt in einem Schutzgebiet um Aucó. Die meisten der hier angegebenen Daten beziehen sich auf Studien aus diesem Gebiet.

Was bedeutet Halbwüste?:
Es gibt eine 6-10 monatige Trockenzeit und eine Regenzeit, die entsprechend 2-6 Monate geht. Die Niederschlagsmenge beträgt 100 - 300ml, diese fallen ausschließlich im Winter. Durch die Höhenlage (1200 - 2300m über Null) ist die Tagestemperaturschwankung recht hoch, tagsüber sehr heiß und nachts sehr kalt. Das alles zusammen bedingt eine sehr karge und trockene Flora.

Die Hauptnahrung der Chinchillas ist die dort am meisten vorkommende Puya (Puya berteromiana). Das wissen die Forscher anhand von Kotuntersuchungen. Diese Pflanze kommt das ganze Jahr vor. Von ihr werden ausschließlich die Blätter gefressen. Insgesamt wurden im Kot der Chinchilla ausschließlich 14 verschiedene Pflanzenarten gefunden. Interessanterweise ist nur eine einzige Frucht dabei, bei den anderen 13 handelt es sich um Pflanzenteile (Stengel, Blatt, Wurzel, Samen). Der Verdauungsapparat ist auf diese karge Ernährung eingestellt und reagiert sehr empfindlich auf Veränderungen. Der Darm eines Chinchillas ist mit 2 m sehr lang und darauf ausgelegt möglichst viel Nährstoffe aus dem kargen Nahrungsangebot ihres natürlichen Lebensraumes zu ziehen.

Auch in freier Wildbahn ernähren sich Chinchillas überwiegend von getrocknetem Pflanzenmaterial.

Gefangengehaltene Tiere zu 100% zu ernähren, wie in freier Wildbahn, ist oftmals schwierig und nicht selten ungünstig. Bewegungsrate, Stresslevel, Habitat (Umgebung) sind vollkommen andere, als in natura. Es hat sich gezeigt, dass die optimale Ernährung eine Mischung aus „Original-Diät“ und künstlicher, an die neuen Verhältnisse angepasster Zufütterung, die gesündeste Variante für das Tier ist.
Man sollte, und das haben schon sehr viele Biologen und Zoologen bewiesen, Tiere niemals 100% so ernähren, wie sie es in freier Wildbahn gewohnt wären. Man könnte zwar wahrscheinlich, wenn auch stellenweise schwierig, die Ernährung 100% anpassen, aber man kann in der Heimtierhaltung niemals auch das gesamte Umfeld (Temperaturschwankungen, Microfauna, Stresslevel, Bewegungsmenge, Gesundheitszustand, Wasserbedarf- und verfügbarkeit etc.) nachstellen.

Hinzu kommt, dass die Tiere, die in unserer Heimtierhaltung leben (alle Heimtierchinchillas stammen von einzig und allein 7 Ursprungschinchillas ab, die vor einigen Jahrzehnten aus Chile exportiert worden sind) über viele Generationen hinweg an eine vollkommen andere Ernährung gewöhnt worden sind. Ihr Verdauungstrakt (sowie ihr gesamter Organismus) hat sich dieser Ernährung angepasst. Sehr gut kann man hier auch den Vergleich vom Haus- und Hofhund zum Wolf stellen, auch wenn diese Domestikation natürlich schon über einen viel größeren Zeitraum erfolgt ist. Jeder Hund wäre mit einer „Wolfs-Diät“ schnell Patient beim nächsten Tierarzt.

[...]

Quelle: http:/ /www.chinchilla-freunde.de/forum/wbb3/wbb/board1-chinchilla-allgemein/board18-ern%C3%A4hrung/4977-frischgem%C3%BCse/#post30606


Ich habe mich auf den Anfang beschränkt aufgrund des Umfangs des Textes und da dieser eigentlich reicht um zu zeigen, dass nur schon die Grundlagen, auf diesen der Text fusst, die Ernährung in der Wildnis - was die Fakten angeht - offenbar nicht gerade glänzt... aber der Reihe nach:

Die Einleitung

Es fängt schon gut an mit Behauptungen wie:

"Bis 2001 waren wildlebende Chinchillas überhaupt noch nicht untersucht / erforscht!"

Das Kuriose ist, dass die Studien schon lange im Web verfügbar sind, Chincare sei dank:

* Jiménez, J.E. (1995): Conservation of the last wild chinchilla (Chinchilla lanigera) archipelago: a metapopulation approach. Vida Silvestre Neotropical 4(2): 89-97.
* Jiménez, J.E. (1996): The extripation and current status of wild chinchillas Chinchilla lanigera and C. brevicaudata. Biological Conservation 77: 1-6.

Die Basisforschung begann jedoch noch früher und zwar mit Connie Mohlis Ende 1970er und in den 1980er Jahre. Während obige Arbeiten sich hauptsächlich mit Populationsdynamik und der Geschichte der Chinchillas und dessen Ausrottung beschäftigen, führte schon Mohlis eine Ernährungsstudie durch, aber auch Serra 1979 widmete sich diesem Gebiet. Wir haben also spätestens seit den 1980er Jahre bessere Kenntnisse von dieser Art und die Datenlage hat sich seit da stetig verbessert, nur sind auch heute noch viele spanische Artikel schwer verfügbar. Das heisst aber nicht, dass sie nicht existieren. Im Gegenteil, in der Literatur wird oft genug auf sie Bezug genommen, weshalb die Kenntnis ihrer Existenz eigentlich erwartet werden dürfte, zumindest von Leuten, die sich vertieft mit diesem Thema auseinandergesetzt haben.

Das Reservat wurde übrigens auch in den 1980er Jahre gegründet und schützt seit da die in den 1970er Jahre wiederentdeckten Populationen. Dazu kommt, dass in der Chinchillapost in den 1990er Jahre von Riedsta ein Artikel abgedruckt wurde, der ebenfalls sich mit den Chinchillas in der Wildnis beschäftigte. Die Qualität kann ich jedoch nicht beurteilen, da er aber von Crossley zitiert wurde, nehme ich an, dass er brauchbare Infos enthält.

"Es lebt in den Anden, einer Halbwüstenregion, zwischen der Atacama-Wüste und dem Pazifik."

Auch diese Aussage zeugt von wenig Hintergrundwissen. Die Anden sind keine Halbwüste, noch liegen sie zwischen der Atacama-Wüste und dem Pazifik. Im Gegenteil, die Atacama-Küstenwüste konnte erst durch die Anden entstehen, da sie im Windschatten von den regenreichen Ostwinde steht und die kalte Meeresströmung regenreiche Winde von der Küste verhindern. So entsteht dieses extrem trockene Klima.

Vermutlich werden hier aber nicht die Anden selber gemeint, sondern das Küstengebirge vor den Anden. Dort kommen die Chinchillas tatsächlich vor. und es liegt zwischen... naja dem Längstal und der Küste. Die Atacama liegt nördlicher und die Hartlaubsteppen auch Matorral genannt befinden sich weiter südlich und hier kommen auch Chinchillas und Degus vor. Wobei beide Arten eher sonnige, trockenere Lebensräume bevorzugen, während viele andere chilenische Kleinsäuger eher in den feuchteren Lebensräumen anzutreffen sind. Oft gibt es Unterschiede zwischen Nord- und Südhängen wegen der Sonneneinstrahlung (Südhänge sind feucht und schattig, Nordhänge warm/sonnig und trocken).

Was bedeutet Halbwüste?
Es ist zwar nicht falsch von Halbwüste zu sprechen, doch es kann ein falscher Eindruck entstehen. Die Niederschlagsmenge variiert in Auco nämlich stark wegen des saisonalen ENSO-Phänomens (El Niño Southern Oscillation):
http://www.bio.puc.cl/auco/sitedescrip.htm

Was die Tag-Nacht-Temperaturen angeht, dürfte sich bei Auco und den chilenischen, küstennahen Gebiete generell möglicherweise ebenfalls nicht bewahrheiten, ich kann es aber nicht mit Sicherheit sagen. Jedoch spielt die Küstennähe einen deutlichen Einfluss auf das Klima, es wirkt ausgleichend, da es am Tag Wärme aufnimmt und in der Nacht wieder abgibt. Da würde es sicher sich lohnen mal noch genauer zu recherchieren, wie sich die Temperaturen während des Tages tatsächlich entwickeln. Extreme Tag-Nachttemperaturschwankungen haben wir jedoch in der Hochgebirgswüste, der Puna in Peru, Bolivien und ganz nördlichen Teile Chiles.

Dass diese Faktoren (niedrige Niederschläge und hohe Temperaturunterschiede) zu einer sehr kargen Vegetation führten, ist wiederum klar irreführend. Sicher sind insbesondere die Niederschläge ein limitierender Faktor, wenn aber die schattigen, feuchten Südhänge berücksichtigt werden, haben wir vor Ort deutlich unterschiedliche Lebensräume nahe beieinander und wenn wir das ENSO-Klimaphänomen noch dazu nehmen, kommen wir noch zu einem vielfältigeren Klima vor Ort. Dies führt nicht nur zu saisonalen sondern auch zu jahresperiodischen Reaktionen von Pflanzen- und Tierwelt wie starker Pflanzenwuchs und die Reaktion von Pflanzenkonsumenten (z.B. Kleinsäuger-Ausbrüche) sowie ebenfalls verzögerte Reaktionen seitens der Beutegreifer, welche sich durch ein üppiges Angebot an Beute ebenfalls stärker vermehren. Genau dieser Zusammenhang wird eigentlich in Auco untersucht und erforscht, Chinchillas waren aber immer wieder Teil der Untersuchungen dieser Langzeitstudie, die nun seit über 20 Jahre läuft.

Hauptnahrung der Chinchillas

Zitat:
Insgesamt wurden im Kot der Chinchilla ausschließlich 14 verschiedene Pflanzenarten gefunden. Interessanterweise ist nur eine einzige Frucht dabei, bei den anderen 13 handelt es sich um Pflanzenteile (Stengel, Blatt, Wurzel, Samen).

Auch wenn die Zahlen richtig sein mögen, der Zusammenhang ist irreführend, was jedoch auch von mangelnden Sachkenntnissen zeugt:
Die genannten Zahlen stammen aus einer Untersuchung, welche jeweils nur eine Momentaufnahme darstellt, selbst wenn sie 1-2 Jahre läuft und jeden Monat Kotproben gesammelt und analysiert werden. Es ist letztlich doch nur ein Ausschnitt aus einem möglichen Chinchillalebensraum und eine Momentaufnahme von dem was gefressen wird. Nicht vergessen werden dürfen auch methodische Probleme, zum Beispiel bei der Identifizierung von geringen Mengen an bestimmter Nahrung oder die unidentifizierten Bestandteile. Auch gibt es Unterschiede zwischen Kotanalyse und Magensektion, wie Studien an anderen Kleinsäugern (z.B. Degus) schon zeigten.... wobei wir wollen da nicht kleinlich sein... das soll lediglich die Spielräume zeigen für unidentifiziertes Pflanzenmaterial.
Eindrücklicher wird es, wenn Chinchillas mit Degus verglichen werden, bei letzteren sind nicht nur mehr Daten vorhanden, sondern wurden auch mehr unterschiedliche Standorte untersucht. Chinchillas und Degus zeigen in den einzelnen Ernährungsstudien ein ähnlich vielfältiges oder artenarmes (wie mans nimmt) Ernährungsspektrum. Bei den Degus zeigt sich jedoch, dass ihre Ernährung stark variiert. Nüsse kamen zum Beispiel in den grossen Studien kaum vor und trotzdem wurden sie in der Vergangenheit wahrscheinlich häufig gefressen. Der Grund liegt darin, dass die einst häufigen Honigpalmwälder heute sehr rar sind und diese Nahrungskomponente nur noch in kleinen verbliebenen Restbeständen dieses Lebensraums beobachtet werden kann. Ähnliches wäre bei Chinchillas denkbar, dass durch die Veränderung ihres Lebensraums sie heute nicht mehr die Möglichkeit haben, gewisse Pflanzen zu fressen. Dazu kommt, dass bei Chinchillas vermutet wird, dass sie energiereiche Wurzeln fressen, auch Früchte werden je nach Studie vermutet. Beides ist aber offenbar schwer über den Kot nachzuweisen.

Zitat:
Der Verdauungsapparat ist auf diese karge Ernährung eingestellt und reagiert sehr empfindlich auf Veränderungen.

Das sind weit verbreitete Meinungen, werden dadurch aber nicht wahrer. Wie karg die Ernährung der Chinchillas wirklich sein muss, kann nur schon daher angezweifelt werden, wenn sie mit gewöhnlichen Pellets bei den PHW-Fraktionen oder durch andere energiereiche Futterkomponenten (Wurzelgemüse, Samen usw.) bei denen, welche Pellets weglassen, berücksichtigt werden. Insofern gibt es einen deutlichen Widerspruch zu den Freiland-Ernährungsstudien und der beobachteten Ernährung in Menschenobhut, der sehr wahrscheinlich auf nicht identifizierte energiereiche Nahrungsbestandteilen (z.B. Wurzeln oder Früchte) basiert. Bei Degus haben wir dieses Problem nicht. Dort wurden durchschnittlich auch 20-40% Samen in der Nahrung identifiziert, was sich in etwa mit der Ernährung in Menschenobhut deckt.
Dass die Verdauung empfindlich reagiert auf Veränderungen ist ebenfalls fragwürdig, zumal selbst in der Wildnis starke Veränderungen vorkommen. Nur schon das ENSO-Phänomen ist diesbezüglich eine grosse Herausforderung und natürlich auch der Wechsel zwischen Trocken- und Regenzeit. Es kann jedoch sein, dass die Empfindlichkeit durch fehlende Abwechslung zustande kommt, sprich wenn die Ernährung in Gefangenschaft zu stark von der Abwechslung in der Natur abweicht.

Zitat:
Auch in freier Wildbahn ernähren sich Chinchillas überwiegend von getrocknetem Pflanzenmaterial.

Eine gewisse Präferenz für Getrocknetes wurde festgestellt, nicht mehr und nicht weniger. Da sie sich von Puya ernähren, einer Wasser speichernden Pflanze mutet es doch grotesk an, davon auszugehen, dass ihre Nahrung überwiegend getrocknet ist. Amy Deane berichtet sogar, dass Chinchillas die Puyas aushölen würden. Dazu kommt, dass Chinchillas auch in der Wildnis irgendwie ihren Wasserbedarf decken. Womit sonst, wenn nicht mit Sukkulenten, also wasserreichen Pflanzen?

Zitat:
Gefangengehaltene Tiere zu 100% zu ernähren, wie in freier Wildbahn, ist oftmals schwierig und nicht selten ungünstig. Bewegungsrate, Stresslevel, Habitat (Umgebung) sind vollkommen andere, als in natura. Es hat sich gezeigt, dass die optimale Ernährung eine Mischung aus „Original-Diät“ und künstlicher, an die neuen Verhältnisse angepasster Zufütterung, die gesündeste Variante für das Tier ist.
Man sollte, und das haben schon sehr viele Biologen und Zoologen bewiesen, Tiere niemals 100% so ernähren, wie sie es in freier Wildbahn gewohnt wären. Man könnte zwar wahrscheinlich, wenn auch stellenweise schwierig, die Ernährung 100% anpassen, aber man kann in der Heimtierhaltung niemals auch das gesamte Umfeld (Temperaturschwankungen, Microfauna, Stresslevel, Bewegungsmenge, Gesundheitszustand, Wasserbedarf- und verfügbarkeit etc.) nachstellen.

Selbst die Wildtiere halten sich nicht daran, sich zu 100% von ihrer originalen Nahrung zu ernähren. Wieso sollten wir es dann von unseren Heimtieren verlangen? Chinchillas fressen zum Beispiel europäischen Reiherschnabel, eingeschleppt nach Chile. Cururos fressen Acker-Winde und Degus fressen ebenfalls Reiherschnabel und europäische Gräser. Diese breiten sich jedoch auch in Chile aus und niemand schützt die Tiere davor. Die Invasion der europäischen Pflanzen läuft in Chile schon seit vielen Jahrhunderten und ist offenbar ein Erfolg.
Nur schon da zeigt sich doch, wie anpassungsfähig diese Tiere sind und auch sein müssen, sonst hätten sie nicht die ständigen Veränderungen in ihrer Umgebung all die Jahrtausende überlebt, ganz zu schweigen, dass man sie überhaupt in Gefangenschaft halten könnte, ja dass sie von Pellets nicht krank würden. Bei Chinchillaratten hatte man selbst damit Mühe. Sie liessen sich in Gefangenschaft nicht halten, denn sie frassen nix, bis man sie mit Degus zusammenhielt. Es gibt da also durchaus grössere Empfindlinge als Chinchillas... so manches Problem ist schlicht und einfach auch herbeigeredet.

Zitat:
Man sollte, und das haben schon sehr viele Biologen und Zoologen bewiesen, Tiere niemals 100% so ernähren, wie sie es in freier Wildbahn gewohnt wären.

Auch abgesehen von Weaselwords ist das Unsinn... Nicht man sollte nicht, man kann meistens nicht, daran scheitert es und die Tiere sind anpassungsfähig genug, dass man sie mit geeigneten Alternativen auch durchbringt, ja sogar durch stark veränderte Nahrung kann man noch viel erreichen. Kühe wurden vor etwa 100-150 Jahren mit allerlei Abfall wie Holzssäne, aber auch mit Giftpflanzen wie giftige Leguminosen, Fischmehle und vielem mehr gefüttert... es wurde geforscht was das Zeug hält, je billiger die Futtermittel desto besser, war damals die Devise, auch wurde dann supplementiert, bis entstehende Mängel wieder einigermassen ausgeglichen werden konnten.
Ich weiss nicht, ob das das Modell für unsere Heimtierhaltung sein soll, wie wir unsere Tiere ernähren. In diese Richtung gehen jedoch auch heute noch viele Fütterungsansätze mit industriellem Mischfutter.

Zitat:
Hinzu kommt, dass die Tiere, die in unserer Heimtierhaltung leben (alle Heimtierchinchillas stammen von einzig und allein 7 Ursprungschinchillas ab, die vor einigen Jahrzehnten aus Chile exportiert worden sind) über viele Generationen hinweg an eine vollkommen andere Ernährung gewöhnt worden sind.

Was zu beweisen wäre... es gibt genügend Hinweise, dass es zu weiteren Importen kam, neben dem legendären Chapman-Fang.
Diese Gewöhnung an eine andere Ernährung war zudem eine bewegte, unstetige. Auch wenn seit etwa den 1960er Pellets vermehrt aufkamen und mit der Zeit sich weit verbreiteten, so gab es davor eine abwechslungsreiche Fütterung mit Frischfutter und allerhand anderem Zeug, das damals so üblich war zur Fütterung von Tieren (häufig orientierte man sich an anderen Nutztieren wie Kaninchen, Meerschweinchen usw.).
Was neben den Pellets noch gefüttert wurde, auch da dürfte es längst nicht überall nur das obligate Heu gewesen sein (das teilweise auch noch weggelassen wurde). Insofern bleibt gar nicht mehr so viel Zeit sich an eine einseitige Kost anzupassen, die es schwierig machen würde, von dieser wieder wegzukommen. Bei einer vielseitigen Kost wie in der Wildnis, ist diese Gefahr natürlich nicht zu erwarten, weil die Tiere müssen ja flexibel sein, um auf Änderungen in der Nahrung zu reagieren, sei es weil ein El Niño das Land überschwemmt oder eine darauf folgende La Niña es erst so richtig ausdörrt. Das sind Extreme, auf welche auch die Pflanzen entsprechend vielfältig reagieren.


Zitat:
Ihr Verdauungstrakt (sowie ihr gesamter Organismus) hat sich dieser Ernährung angepasst. Sehr gut kann man hier auch den Vergleich vom Haus- und Hofhund zum Wolf stellen, auch wenn diese Domestikation natürlich schon über einen viel größeren Zeitraum erfolgt ist. Jeder Hund wäre mit einer „Wolfs-Diät“ schnell Patient beim nächsten Tierarzt.

Quatsch... ein solcher Prozess verläuft erstens nicht in solch kurzer Zeit - zum Vergleich Hunde gibt es etwa seit 20 000 Jahre, Chinchillas in Gefangenschaft etwa seit 80 Jahren. Selbst die eher jungen Meerschweinchen gibt es schon seit etwa 3000-6000 Jahren. Das sind ganz andere Zeitabschnitte und selbst da hat sich wenig geändert an der Nahrung. Die Grunddiät der Meerschweinchen ist immer noch etwa gleich, sie kommen aber offenbar besser mit Küchenabfällen u.a. auch Kartoffelschalen zurecht, wohl einfach auch, weil sie damit teilweise gefüttert wurden und heute noch werden... in Südamerika.
Und was die Wolfsdiät angeht, auch da wäre wohl etwas mehr Sachkenntnis und Recherche in der Literatur sinnvoll. Es gibt mittlerweile eine erstarkende BARF-Community, die zeigt, dass Hunde auch ohne den heutigen Fertigfrass gut ernährt werden können und zu früheren Zeiten waren Hunde gesünder als mit dem heutigen Industriefrass (sorry, aber anders kann man das nicht bezeichnen, was hier häufig noch als Futter verkauft wird...). Übrigens sehr interessant ist in diesem Zusammenhang Ann N. Martin, welche schockierende Details der amerikanischen Petfood-Industrie aufdeckte.

Ein Teil ihrer schockierenden Nachforschungen sind u.a. hier nachzulesen:
http://www.monitor.net:16080/monitor/9712a/petfood.html
oder in ihrem Buch:
http://www.newsagepress.com/foodpetsdiefor.html

Ein Interview von ihr:
http://www.youtube.com/watch?v=8AREDUXll7A

Oder in den amerikanischen Medien ein Bericht des "Consumer Watch" (Verbraucherschutz) über den riesigen Petfood-Rückrufskandal und was alles im Futter drin sein kann, was auch von Ann N. Martin schon angesprochen wurde:
http://www.youtube.com/watch?v=GzBMVNQ6IrM

Und wenn wir in Europa uns umschauen hat Grimm mit seinem Buch "Katzen würden Mäuse kaufen. Schwarzbuch Tierfutter" ein vergleichbares Werk herausgebracht, das ebenfalls so manche krumme Dinge in Europa aufdeckt - sicher wir können aufatmen, dass keine Haustiere im Futter landen, aber zum Beispiel giftiges Altfett wird ebenso zu Tierfutter verarbeitet wie gammeliges Gemüse... und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Um aber nochmals auf das eigentliche Thema zurückzukommen, der Darm von Nagetieren ist ein sehr konservatives Organ. Es wäre auch nicht sinnvoll, wenn es sich innerhalb weniger Jahre stärker verändern würde, abgesehen von einer gewissen Flexibilität, welche das Organ natürlich hat um zum Beispiel auf saisonale Änderungen zu reagieren (es kann seine Oberfläche vergrössern oder verkleinern, zumindest bei verschiedenen Säugetiere wurde das nachgewiesen, nicht auszuschliessen, dass Chinchillas das auch können). 50 Jahre, ja gar 80 Jahren sind da noch kein Alter, dass sich solche Änderungen durchsetzen... es braucht oft mehrere Hundert Generationen, dass sich gewisse Merkmale ändern, wobei natürlich je wichtiger sie sind, die Funktionen (wie zum Beispiel der Darm) desto wichtiger ist es für das Tier, dass diese möglichst konstant bleiben und sich eben nicht ändern und dementsprechend geht es häufig auch länger, dass sich Veränderungen durchsetzen können. Bei Mutationen wie Fellfarbe, die eigentlich unproblematisch sind (abgesehen vielleicht dass die Tarnung dadurch beeinflusst wird) sind Änderungen natürlich deutlich schneller möglich.
Auch die Domestikation zieht sich hin über längere Zeiten und ist heute wohl noch nicht abgeschlossen. Meerschweinchen gibts zum Beispiel seit mehreren Tausend Jahren, Hunde sogar über 10 000 Jahre und Kaninchen zumindest seit den Römern in Gefangenschaft gehalten wurden.

Fazit: aufgrund dieser wackeligen Datengrundlage auf die Ernährung in Gefangenschaft zu schliessen ist nicht nur gewagt, es ist zudem auch fragwürdig. Noch fragwürdiger wird, wenn die Ernährung in der Wildnis zwar erwähnt wird als Feigenblatt, daraus aber keine Schlüsse für in Gefangenschaft gezogen werden... ok, es wird zwar erwähnt, das Futter sei karg und bestehe aus 14 Kräutern... aber daher auf Pellets und ein paar zusätzliche getrocknete Kräutchen zu schliessen und Frischfutter dagegen zu verdammen ist irgendwie auch nicht sehr einleuchtend. Was fehlt ist letztlich eine solide Wissensgrundlage und daraus abgeleitet ein schlüssiges Ernährungskonzept.
Dabei wäre es auch wichtig, Wissenslöcher zu stopfen, das heisst Erfahrungen mit unterschiedlichen Futtermitteln und Fütterungsweisen zu erlangen. Wer jedoch Grünfutter im Vornherein kategorisch aus ideologischen Gründen ablehnt, kann zu keinen objektiven Ergebnissen kommen. Dagegen haben die meisten von uns Erfahrungen mit Fertigfutter und somit einen direkten Vergleich verschiedener Fütterungsweisen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Irreführende Ernährungsinfos machen wieder mal die Runde
BeitragVerfasst: 17.07.2010, 13:08 
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Cool! Danke. Im Moment habe ich keine Zeit zum Lesen, hier aber mal ein Verweis zur anderen Stelle, ab der wir uns mit der Informationsgüte des Werks befaßt haben: http://www.degupedia.de/board/viewtopic ... 6949#26949


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 Betreff des Beitrags: Re: Irreführende Ernährungsinfos machen wieder mal die Runde
BeitragVerfasst: 17.07.2010, 13:29 
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Stimmt, das hatte ich noch vermutet, dass du das Thema schon mal aufgegriffen hattest, zumal P selbst auch erwähnte, der Text sei von ihrer HP... also nicht neu.

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