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Leberschaden-Diagnose - Kritische Überlegungen http://degupedia.de/board/viewtopic.php?f=59&t=2042 |
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Autor: | Johnny99 [ 02.06.2010, 19:49 ] |
Betreff des Beitrags: | Leberschaden-Diagnose - Kritische Überlegungen |
Leberschaden-Diagnose - Kritische Überlegungen ebenfalls gepostet unter http://www.chinchillainfo.de/viewtopic.php?f=10&t=810 Immer häufiger kursieren in der Chinchillaforenwelt Diagnosen bei Chins wie Leberschaden, Diabetes u.a., daher hier mal ein paar kritische Überlegungen bezüglich der Diagnostik solcher gravierender Erkrankungen. Die Referenzwerte Für die Diagnose eines angeblichen Leberschadens werden von den Verfechtern dieser neuen Mode-Diagnose hauptsächlich oder gar einzig die folgenden Werte herangezogen: AP - Alkalische Phosphatase auch als ALP bezeichnet ALT - Alanin-Aminotransferase auch als ALAT oder GPT bezeichnet AST - Aspartat-Aminotransferase auch als ASAT oder GOT bezeichnet Als Referenzwerte beziehungsweise Referenzintervalle werden folgende Angaben in U/I gemacht: AP: 3-59 ALT: 10-35 AST: 15-45 Diese sind eindeutig aus dem Buch „Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu“ von Ewringmann und Glöckner entnommen. In diesem Buch wird eine Tabelle mit entsprechenden blutchemischen Richtwerten präsentiert ohne nähere Angaben der Quellen oder zur Erhebung der Werte zu machen. Die Verfechter der neuen Mode-Diagnose „Leber“ scheinen nun der Überzeugung zu sein, dass es sich bei diesen aufgrund der mangelnden Quellenangabe nicht näher überprüfbaren erhobenen Intervallen um die einzig gültigen Referenzwerte für Chinchillas handelt. Doch das ist ein Irrtum. Es gibt zwar sehr wenige Untersuchungen biochemischer Richtwerte beim Chinchilla, doch es gibt sie. Würde man die gewonnene Erkenntnisse, nicht zwingend zulässig aufgrund unterschiedlicher Methodik, zusammenfassen, ergeben sich folgende Intervalle: AP: 3-121 ALT: 8-49.1 AST: 15-297 Ferner wird von den Verfechter der neuen Mode-Diagnose „Leber“ ihr Expertentum gerne damit untermauert, dass sie wissen, dass man Chinchilla-Werte nicht mit denen anderer Tierarten vergleichen kann. Doch gibt es durchaus säugerspezifische Gemeinsamkeiten, so dass man zum Beispiel an der Universität von Zürich scheinbar in bestimmten Fällen auf die selbsterhobenen Werte wildlebender Viscachas unter Vorbehalt vertraut und diese zur Bewertung von Chinchilla-Werten heranzieht, anstatt den wenigen bekannten aus der Chinchilla-Literatur zu vertrauen. Diese Intervalle sehen übrigens folgendermaßen aus: AP: 20-316 ALT: 29-62 AST: 86-215 Es zeigt sich also, dass sich so manch eine Diagnose ändern könnte beziehungsweise gar nicht erst gestellt werden würde, würden den involvierten Personen weitere Publikationen zu dem Thema bekannt sein... Aussagekraft der jeweiligen Werte Kurz mal allgemein etwas zum Referenzbereich. Ein Referenzbereich einer bestimmten Meßgröße wird unter exakt definierten Bedingungen bei einer ausreichend großen und hinreichend beschriebenen Gruppe von Individuen erhoben und mit statistisch-mathematischen Methoden ermittelt. Schon hier scheitert die Annahme die oben angegebenen Ewringmann und Glöckner Intervalle wären allgemeingültig... Doch es geht noch weiter. Mit den statistisch-mathematischen Methoden werden zum Beispiel Konfidenzintervalle gebildet, bei denen von vornherein fünf Prozent gesunder Individuen herausfallen. Bei einem Tierarztbesuch handelt es sich nicht um exakt definierte Bedingungen. Stress, Fütterung, tageszeitliche Schwankungen führen zu Abweichungen und verfälschen die Diagnose. Unterschiedliche Methoden und Verfahren bei der Erhebung der Werte können ebenfalls zu Abweichungen im Ergebnis führen, so dass die Patientenwerte immer einer sorgfältigen Interpretation bedürfen. Eine Leistung, die kein Internet-Laie mit Ewringmann und Glöckner im Regal erbringen kann. Die Leber-Diagnosen werden nun anhand der oben genannten Werte - AP, AST, ALT - gestellt. Manchmal basierend gar nur auf zwei Werten, da das gewonnene Blutvolumen nicht ausreichte um alle drei zu bestimmen. So haben die Tiere also zum Beispiel anhand von AP und AST eindeutig einen Leberschaden! Doch ist das plausibel, oder hat hier der Tierarzt nur eine Verlegenheitsdiagnose gestellt, um die Blutuntersuchung zu rechtfertigen und dem Halter eine interessante Diagnose zu präsentieren? Schauen wir uns mal ganz kurz, um den Leser nicht zu langweilen, die Werte an und was sie aussagen. AP AP ist in fast allen Geweben des Organismus in unterschiedlicher Aktivität vorhanden. Sie ist also keinesfalls leberspezifisch und sogar das Leitenzym bei Knochenerkrankungen. Daneben ist die Aktivität altersabhängig, so dass sie bei Tieren im Wachstum erhöht sein kann. AST AST ist ebenfalls nicht leberspezifisch, da es zum Beispiel ebenfalls in hohen Aktivitäten in Skelettmuskeln und im Herzmuskel zu finden ist. Eine Erhöhung von AST kann also ebenfalls für eine Muskelerkrankung, ein Trauma oder gar für eine vorangegangene starke Muskelarbeit – zum Beispiel bei Zwangsmaßnahmen durch den Halter oder Tierarzt, aber auch Krämpfe unterschiedlicher Genese – sprechen. Zwischenfazit Eine eindeutige Leber-Diagnose anhand dieser beiden Werte ist nicht möglich! Sind sie erhöht, sind sie erstmal einzig als solches anzusehen. Es bedarf einer sorgfältigen Interpretation und weiterer Suchprogramme, wozu die Ermittlung von CK (Creatin-Kinase) gehört, um ein Muskelgeschehen auszuschließen, damit behauptet werden kann, dass das Tier an einem Leberschaden leidet! Sollte anhand dieser beiden Werte zum Beispiel bei einem nicht ausgewachsenem Tier, das vor dem Tierarztbesuch gekrampft hat, die Diagnose „Leber“ gestellt werden, sind große Zweifel an der Richtigkeit der Aussage und der Kompetenz des Tierarztes und seinen Motiven für eine Blutuntersuchung angebracht. Ebenso darf die Richtigkeit der Diagnose „Leber“ bei einem anorektisches Tier angezweifelt werden und es stellt sich die Frage nach einer selbsterfüllenden Prophezeiung, Stichwort: ...auch Hunger kann zu einer Fettleber führen. Wenn der Organismus nicht genügend Energie über die Nahrung erhält, greift er seine Fettreserven an. Das Körperfett gelangt über das Blut in die Leber. Mit geringen Fettmengen wird das Organ auch fertig, doch große Mengen kann die Leber nicht verarbeiten, sie werden gelagert und führen zur Fettleber... Wenn das Tier dann noch kurz vorher aus unbekannten Gründen gekrampft hat, ermittelt man noch AST, das für Leber stehen, aber auch nach Krämpfen erhöht sein kann und schon lautet die Diagnose: Leber! ALT ALT ist tatsächlich ein leberspezifisches Enzym, das bei chronischen und akuten Lebererkrankungen ansteigt. Behaupten Ewringmann und Glöckner. Schaut man in andere Quellen, findet man die Aussage, dass es bei Hund und Katze als leberspezifisch angesehen werden kann. Bei allen übrigen Tierarten – außer Primaten – ist es jedoch zur Leberdiagnostik ungeeignet. Leider machen Ewringmann und Glöckner in ihrem gesamten Werk keine Quellenangaben, so dass man ihre Ausführungen nicht überprüfen kann... Es stellt sich also die Frage nach der Leberspezifität von ALT bei Chinchillas und welche Aktivität das Enzym bei dieser Tierart in Skelettmuskeln oder dem Herzmuskel aufweist. Entsprechende Studien dürfte es nicht geben. Zusammenfassend läßt sich festhalten, dass eine Leber-Diagnose anhand von AP/AST und AP/ALT häufig eine Verlegenheits- oder gar eine Fehldiagnose darstellt, sofern nicht weitere Programme zur Absicherung gefahren werden. Deutung der erhöhten Werte AP - 299 ALT - 56 AST – 141 Hat ein Tier mit diesen Werten einen Leberschaden? Laut der Verfechter der neuen Mode-Diagnose „Leber“, die in Ewringmann und Glöckner geschaut haben: Ja! Einen schweren gar. Würde man die anderen Quellen heranziehen, läge das Tier innerhalb der Referenz-Bereiche (->Viscachas) und wäre leber-gesund oder es wäre nur die AP 2.5fach erhöht (->Chinchillas). Die Erhöhung von ALT (56 vs. 49.1) ist unterstellt zu vernachlässigen... Warum? Eine Erhöhung ist nicht gleich Erhöhung. So bezeichnet man bei bestimmten Blutwerten 30fache Erhöhungen noch als mäßig. So ist bei ALT eine 3fache Erhöhung noch als gering anzusehen, eine 2.5fache AP-Erhöhung als mäßig, die jedoch auch, wie oben erwähnt, für Prozesse in Knochen/Skelett stehen kann. Man darf sich also durch selbsternannte Leber-Experten und Verfechter der neuen Mode-Diagnose „Leber“ nicht schwere Erhöhungen suggerieren lassen, wo gar keine sind... Ferner bleibt noch festzuhalten, dass aufgrund der geringen Referenzdatenbasis geschlechtspezifische Unterschiede nicht bekannt sind und tages- oder jahreszeitliche Schwankungen nicht berücksichtigt werden. Für letztere gibt es in einem Paper jedoch bei bestimmten Werten durchaus Hinweise. So sind gesicherte Diagnosen anhand von 2-3 einmalig gewonnen Werten bei Chinchillas stark interpretationswürdig, wenn nicht gar unzulässig. Fazit Eindeutige Leberdiagnosen bei Chinchillas anhand von zwei, höchsten drei Werten (AST, ALT, AP) und Ewringmann und Glöckner erscheinen mehr als zweifelhaft und erwecken den Eindruck von Verlegenheitsdiagnosen. 2-3 Werte stellen bei keiner Tierart ein Leber-Suchprogramm dar. Eine eindeutige Festlegung auf Leber anhand von zwei, vielleicht gar nicht-leberspezifischen Werten grenzt an Betrug am Halter/Kunden. Eine neue Geldeinnahmequelle von Tierärzten, Blutuntersuchungen, muss offenbar mit einer für den Halter dramatisch klingelnden Diagnose gerechtfertigt werden. Da der Tierarzt sich seiner jedoch nicht sicher ist, oder gar um die Richtigkeit seiner Diagnose weiß, werden die derzeit bekannten Leber-Patienten auch durch die Bank mit harmlosen pflanzlichen bzw. homöopathischen Arzneimitteln behandelt, die keine Gefahr für die Gesundheit der Tiere darstellen. Mal wirken sie mehr, mal weniger, mal dauert es Wochen, bis sie wirken, so dass der direkte Zusammenhang zwischen dem Präparat und der „Genesung“ hinterfragt werden darf. Das Leitsymptom „Krampf“ für Leber sollte sehr kritisch gesehen werden, insbesondere da in bestimmten Kreisen näherliegende Ursachen für Krämpfe, die sich durch eine Optimierung der Haltung und Fütterung, beheben lassen würden, durch die effektreicheren und dramatisch klingenden Leber-Diagnosen verdrängt werden. Abschließend sei allgemein angemerkt, dass die wenigen vorhandenen Studien und Beiträge zur Bestimmung hämatologischer Parameter beim Chinchilla eine solche Variation aufzeigen, dass sie zu einer endgültigen Festlegung von Referenzwerten nicht geeignet sind. Sie können zum jetzigen Zeitpunkt einzig eine Hilfestellung bei der Bewertung und Einschätzung von Diagnosen darstellen. |
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