Huhu,
in letzter Zeit kam der bis dahin als recht seriös geltende Deutsch Tierschutzbund in die negativen Schlagzeilen, da Vertreter dieses Vereins mit Stimmungsmache gegen Exotenhaltung negativ auffielen. Nun versucht der Verein die Wogen zu glätten und lässt auf seiner Website verlauten:
Zitat:
Der Deutsche Tierschutzbund stellt hinsichtlich der andauernden Diskussion um ein mögliches Haltungsverbot von Exoten in Privathand fest, dass die tatsächliche Position und die eigentlichen Forderungen des Deutschen Tierschutzbundes vermehrt falsch und unvollständig wiedergeben werden.
Entgegen der oftmals populistisch vorgebrachten Darstellung von bestimmten Halterverbänden, geht es weder darum, jedwede Tierhaltung in Privathand zu untersagen, noch das Engagement vieler tierbegeisterter Menschen in Frage zu stellen. Tatsächlich muss der Fokus vielmehr auf den zahlreichen Missständen liegen, die leider gerade bei der Heimtierhaltung festzustellen sind und auch von einigen Interessensverbänden nicht abgestellt werden (können).
Der Deutsche Tierschutzbund erkennt die Arbeit der vielen Verbände und Vereinigungen im Hinblick auf Erkenntnisgewinnung und Lehre zu verschiedenen Tierhaltungen durchaus an. Allerdings ist damit nicht zu rechtfertigen, dass die übergroße Mehrheit der Privatbesitzer von Tieren exotischer Natur mit ihren Pfleglingen nicht zurechtkommt, und die Tiere dementsprechend Leiden und Schäden erfahren. Auch die Arbeit der Verbände kann das nicht flächendeckend verhindern, zumal die meisten Privathalter sich gar nicht erst in Verbänden engagieren.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Haltung von exotischen Tieren in den letzten Jahren dermaßen an Popularität gewonnen hat, dass der Markt sich immer mehr in Richtung „Massenware Tier" entwickelt, was zwangsläufig zu einer Verschlimmerung der Situation beiträgt, unter anderem, da die Tiere nun allgemein erschwinglich werden. Die zu Hunderten oder gar Tausenden jährlich in Deutschland abgehaltenen Tierbörsen sind diesbezüglich ein trauriges Beispiel.
Dem Deutschen Tierschutzbund ist im Sinne der Tiere weiterhin an einer offenen, lebendigen und fachlichen Diskussion mit allen Beteiligten gelegen, möchte sich aber dagegen verwehren, dass Unwahrheiten und Ungenauigkeiten verbreitet werden.
Quelle:
http://www.tierschutzbund.de/exoten.htmlPikant an der Sache ist, dass der Verein zwar differenziert und darauf hinweist, dass ein Interesse an einer fachlichen Diskussion vorhanden wäre, die eigene Position aber trotz allen Beschwichtigungen recht extrem daher kommt und - das können wir Exotenhalter mit Fug und Recht feststellen - recht realitätsfern daherkommt und die Forderungen die heutigen Probleme kaum lösen dürften.
Pikant ist auch, dass der Tierschutzbund in seine Exotendefinition auch beliebte Nager mit einschliesst. So stellt er denn auch unmissverständlich fest, dass Degus und Chinchillas als Exoten anzusehen seien [und somit auch auch unter ein Exotenhaltungsverbot fallen müssten]:
Zitat:
Auch Degus, Chinchillas und Frettchen können aufgrund ihrer kurzen Historie als Heimtier durchaus zu den Exoten gerechnet werden. In landläufigen Käfigsystemen sind sie nicht artgerecht zu halten.
Gesetzliche Lage in der Exotenverbot-Debatte allgemeinRein rechtlich gesehen dürfte es für so ein Verbot auf gesetzlicher Grundlage recht schwierig werden, denn die geforderte starke Einschränkung in die persönliche Freiheit der Bevölkerung muss sich mit entsprechend triftigen Gründen rechtfertigen lassen. Das dürfte wahrscheinlich auch der Grund sein, dass gewisse extremere Organisationen wie Pro Wildlife u.ä. mit oft an den Haaren herbeigezogenen Gesundheitsproblemen (u.a. Salmonellengefahr) und Seuchengefahr argumentieren. Dabei übersehen sie jedoch, dass in einem demokratischen und liberalen Staat solche Probleme mit Regulierungen statt mit Verboten angegangen werden, eine Seuchengefahr ist zum Beispiel oft auf eine hohe Tier- (oder Menschen)dichte zurückzuführen und liesse sich dementsprechend mit der Beschränkung der Dichte durch entsprechende Massnahmen regulieren, bei Tieren würde das konkret heissen, Massentierhaltungen, wie wir sie in der Industrie en Masse kennen, durch Obergrenzen zu deckeln und dort wo nötig, ähnliche Massnahmen auch in der Privathaltung durchzusetzen. Halter von kleineren Tierbeständen sollten von solchen Massnahmen aber kaum tangiert werden.
Insofern stellt sich natürlich die Frage ob es nicht konsequent wäre, wenn beim Tierschutzbund schon die richtigen Fragen aufgeworfen werden, ebenso konsequent an praxistauglichen Lösungssätzen zu arbeiten anstatt ein Problem mit Vorschlägen zu bekämpfen, die lediglich oberflächliche Symptome eindämmen können, aber das Problem selbst keineswegs lindern dürften, im Gegenteil, das Verbot wird sehr wahrscheinlich zur Kriminalisierung vieler engagierter Halter führen, ja sogar seriöse Halter von der Haltung abhalten, während die Unseriösen sich wahrscheinlich kaum davon abschrecken lassen. Das grösste Problem liegt jedoch darin, dass ein Verbot sich auch auf die Haltungsqualität der Tiere stark auswirken wird: Die Tiere werden aus Wohnzimmern, artgerechten Freianlagen etc. verschwinden und in dunklen Kellern, Wandschränken etc. verschwinden, wo sie bei allfälligen Kontrollen nicht auffallen dürften. Auch das Erfragen von Informationen zur besseren Haltung wird dadurch stark behindert, stellt das Fragen von konkreten Haltungstipps ein möglicher Hinweis auf eine illegale Haltung dar und die Halter werden in Zukunft es lieber vorziehen annonym zu bleiben und selber zu experimentieren, was ganz bestimmt zu noch deutlich erschreckenderen Zuständen führen wird, als es heutzutage teilweise schon Realität ist. Insofern wäre es wünschenswert, dass der Deutsche Tierschutzbund vor solchen Problemen, welche bei einem Verbot zu erwarten wären, nicht einfach die Augen verschliesst, sondern sich auch mit dieser Thematik entsprechend vertieft auseinandersetzt.
Fazit: Der Tierschutzbund vermag mit seiner Haltung nicht überzeugen, auch wenn er beteuert, es gehe im Um Sachlichkeit und er versucht mit einer Richtigstellung die Wogen zu glätten.
Mit der Aussage, dass sie Chinchillas und Degus auch als Exoten ansehen, geben gibt der Verein dem Thema zusätzliche Brisanz und verdeutlichen den Ernst, dass das diskutierte Exotenverbot nicht nur Reptilienhalter was angeht, sondern auch uns Nagerhalter! Ich denke aber, dass wir von der Degupedia in Sachen Degu- und Chinchillahaltung ähnlich engagiert sind, wie manche engagierte Herpetologen und Reptilienhalter und dass es hier keinen Graben gibt, zwischen hier die guten Nagetierhalter und dort die bösen Reptilienhalter, im Gegenteil, wir sitzen alle im gleichen Boot, was unser Engagement und unsere Überzeugungen angeht.
Es ist daher bedauernswert, dass der Deutsche Tierschutzbund mit seiner extremen Haltung zur weiteren Polarisierung und Radikalisierung beiträgt, welche den engagierten Tierhaltern schadet und letztlich auch der artgerechten Tierhaltung selbst, während durch die Emotionalisierung vor allem radikale Kräfte gestärkt werden, was einhergeht auch mit einer Stärkung fragwürdiger Haltungsformen. Es ist das falsche Signal, das hier ausgesandt wird und es lenkt ab von der eigentlichen und so wichtigen Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, welche letztlich den Tieren zugute kommt. Mit dem Haltungsverbot wird keinem einzigen Tier geholfen, im Gegenteil, in die Illegalität abgeschoben werden viele engagierte Tierhalter für ihr Engagement bestraft und mit ihnen werden auch zahlreiche Tiere leiden, das kann nicht die Lösung sein.
Forderungen und Lösungsvorschläge:Wäre die Degupedia ein Tierschutzverein, hätten wir jetzt wahrscheinlich umfangreiche Forderungen und Lösungen erarbeitet, ob sie jedoch praxistauglich wären, das dürfte zumindest bezweifelt werden, denn mit der jetztigen Debatte wird in der aktiven Tieraufklärungszene viel Energie abgezweigt, der der Verbesserung der Tierhaltungen und dem Wissenszuwuchs einer besseren Haltung unserer Tiere vorenthalten wird. Da uns aber genau dies wichtiger ist und wir Wert auf Authentizität legen bei unserem Engagement für die Tiere, fällt dieser Punkt eher mager aus: es gibt keine offizielle Haltung der Degupedia zu diesem Thema. Ich kann hier letztlich nur ein paar private Meinungen von mir selbst anregen:
1. Die Behauptung, dass Exoten schwieriger zu halten wären, ja dass man ihnen kaum gerecht werden könne, ist lächerlich. Gerade bei Degus und Chinchillas dürfte der Zugang zu hochwertigem Wissen dank unserem Engagement deutlich einfacher sein, als bei manchem langzeitig domestizierten Haustier. Die Domestizierung führt ja sogar dazu, dass es extrem schwierig wird, gute Informationen zu den tatsächlichen natürlichen Ansprüche dieser Tiere zu recherchieren. Es tönt paradox, ja ich bin mir dessen bewusst und hätte das vor einigen Jahren auch nicht zu glauben gewagt, aber meine Recherchen zu Degus und Meerschweinchen haben mir da bitter vor Augen geführt: Degus stehen im Fokus hochkarätiger Chilenischer Naturwissenschaftler (Biologen, Ökologen, Verhaltensforscher etc.) und die verfügbaren wissenschaftlichen Daten sind ein Traum für jeden wissbegierigen, ambitionierten Tierhalter, der vor dieser trockenen Literatur nicht zurückschreckt. Durch den relativ kurzen Zeitraum und die Beschränkung der Publikationen auf wenige Schwerpunktspublikationsorgane (Zeitschriften) sind viele Informationen schnell und gut verfügbar, ja die chilenischen Universitäten stellen sogar viele Studien frei einsehbar ins Netz so dass in vielen Fällen sogar der zeitaufwendige (aber bereichernde) Gang in die Bibliothek erspart bleibt. Ganz anders präsentieren sich dagegen die Meerschweinchen. Die Datenlage ist ein Horror, durch die lange Domestikation sind Informationen eher von Sozialwissenschaftler (Ethnlologen usw.) erfasst worden, welche oftmals nicht genügend die grundlegenden biologischen Eigenheiten dieser Tiere aufgreifen und zudem als beiläufiges Nebenthema oft in umfangreichen Publikationen in Nebensätze versteckt sind, so dass man kaum in nützlicher Frist eine gute Übersicht über die Literatur verschaffen kann. Wer sich nun denkt über die Wildmeerschweinchen, die Vorfahren der Meerschweinchen über deren Lebensweise zu informieren, der wird seinen zweiten herben Rückschlag erleiden. Erstens ist die Abstammung in weiten Teilen der älteren Literatur sehr widersprüchlich und es werden verschiedene Arten als Vorfahre vermutet, die recht unterschiedliche Lebensräume und auch Länder bewohnen, wie das Aperea-Wildmeerschweinchen (Cavia aperea), ein Flachlandbewohner mit weiter Verbreitung von Brasilien bis südliches Argentinien und dem Tschudi-Meerschweinchen (Cavia tschudii), das vor allem in den Zentralanden von Peru, Bolivien und Chile vorkommt. Jüngere Literatur klärt dieses Problem zwar, indem sie festhält, dass die Hausmeerschweinchen von Cavia tschudii abstammen, doch in vielen deutschsprachigen Publikationen über Meerschweinchen ist diese Erkenntnis nicht angekommen. Zweitens muss festgestellt werden, dass es praktisch keine brauchbaren Studien gibt über die Tschudi-Meerschweinchen, welche Einblicke in die Biologie, Ernährung und Lebensweise dieser Tiere geben, während die Aperea-Wildmeerschweinchen, unter anderem auch dank dem Missverständnis, dass sie die Vorfahren der Hausmeerschweinchen sein sollen, zwar deutlich besser erforscht wurden, die verfügbaren Daten aber im Vergleich zu dem, was über Degus bekannt ist, immer noch lächerlich bescheiden erscheinen. Genau dieser Umstand führt heute dazu, dass wir über die natürlichen Bedürfnisse der Degus deutlich besser Bescheid wissen, als jene der Meerschweinchen. Über letztere haben wir nur dank einigen sehr engagierten Halter mit sehr guter Beobachtungsgabe und auch dank Vergleichen mit Erfahrungswerte wie von Degus, aus denen sich Vermutungen ableiten lassen, einigermassen gut Bescheid.
Bei Hund und Katze sieht es dann übrigens auch nicht viel besser aus. Es gibt zwar Forscher, welche sich diesen Tieren und ihrer Erforschung verschrieben haben, so z.B. Dennis Turner bei den Katzen, wenn man aber die überwiegende Mehrheit der Hunde- und Katzenhalter untersucht, wie artgerecht sie ihre Tiere halten und wie es um die Kenntnisse der natürlichen Bedürfnisse ihrer Pfleglinge bestellt ist, dann sind die Mängel eklatant, das Wissen ist oft mehr als dürftig, ein guter Anteil dürfte wohl als grob fahrlässig tierwidrig eingestuft werden.
Natürlich hat sich auch bei diesen Tierarten in letzter Zeit erfreuliches getan mit Entwicklungen wie BARF oder natürlicheren Beschäftigungen und auch das gezielte Trainieren von Hunden, statt sie mental verkommen zu lassen ist sicher als Fortschritt zu werten. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass viele dieser Tiere auch nicht so gehalten werden, wie es ihnen eigentlich zustehen würde. Dazu kommt, dass vor dem Problem der Auswirkungen auf die einheimische Fauna durch streunende Hunde und Freigängerkatzen viel zu oft auch die Augen verschlossen werden oder das Thema vielleicht auch bloss aus Unwissenheit ignoriert wird. Hunde und Katzen gehören mitunter zu den grössten Gefahren für die einheimische Fauna in vielen Länder, in welche der Mensch sie eingeschleppt hat, insbesondere die Faunen von kleineren Inseln sind besonders gefährdet durch diese Haustiere (auch Ziegen, Schafe und Rinder sind auf Inseln und in trockenen Lebensräumen ähnlich problematisch für die einheimische Fauna). Wer im Artenschutz gearbeitet hat, und sich mit der Ausrottung invasiver Arten zum Schutz von einheimischen Tierarten auskennt, weiss um die verheerende Wirkung der "heimlichen Killer". Ich will das Thema hier nicht dramatisieren, es wäre aber etwas, das genauso in die Öffentlichkeit gebraucht werden muss, auch wenn ich mir bewusst bin, dass das heute ein sehr unbeliebtes Thema wäre. Langfristig muss aber nicht nur die Kleinsäuger- und Reptilienhaltung nachhaltiger werden, auch die Haltung der beiden Lieblingshaustiere Hund und Katze, müssen sich da ebenso einordnen und der Wildwuchs muss auch hier zwingend eingedämmt werden.
Was die Haltung einer so grossen Tierschutzorganisation in Bezug auf praktische Aspekte der Tierhaltung angeht, erwarte ich in Zukunft ehrlich gesagt mehr zielgerichtetes Engagement, das sich nicht mit Verboten vor den eigentlichen Problemen drückt. Tierschutz kann und darf nicht vom Elfenbeinturm aus betrieben werden, sondern muss zwingend den Kontakt zur Front suchen, zu der Tieraufklärungszene, wie sie in der Degupedia aktiv und authentisch gelebt wird! Tierschutzorganisationen müssen sich daher zwingend am Wissensaustausch beteiligen und müssen ein Interesse haben, dass sie sich aus erster Hand über die wahren Probleme, aber auch Fortschritte informieren können, die in der Szene real vorhanden sind. Davon profitieren letztlich auch wir, die in der Aufklärungsszene aktiv sind, können wir besser bei Missständen reagieren und auch unsere Hilfe anbieten. Und auch die effektive Bekämpfung kann letztlich nur wirken, wenn alle am gleichen Strang ziehen und das heisst für uns, Stärkung der positiven Tierhaltungen und Eindämmung von Missständen durch Druck und Engagement der Gesellschaft, der Tieraufklärung und des Tierschutzes. Doch dafür braucht es das authentische Bekenntnis auch des Deutschen Tierschutzbundes für die Tiere einzustehen und damit für die engagierten Halter, die tagtäglich für bessere Bedingungen kämpfen, statt ihnen zusätzliche Steine in den Weg zu werfen, denn das Umdenken darf nicht nur auf die Tierhaltungszene sich beschränken, sondern muss auch in den Köpfen der Tierschutzorganisationen stattfinden und zwar heute und nicht erst, wenn mit Ernüchterung festgestellt werden muss, dass das Exotenverbot in der Praxis nicht funktioniert, da es an den wahren Mechanismen der Tierhaltungszene vorbeiwirkt, weil diese mangels Kenntnis der Szene nicht verstanden wurden.
Es gibt übrigens noch ein Positionspapier zur Haltung von Exoten, das genauer auf die Forderungen und die Haltung des Tierschutzbundes eingeht... ich habe es mir noch nicht zu Gemüte geführt, werde es wahrscheinlich aber noch tun:
http://www.tierschutzbund.de/fileadmin/ ... t_2012.pdf