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Melasse
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Seite 1 von 1

Autor:  davX [ 08.02.2008, 01:00 ]
Betreff des Beitrags:  Melasse

Hallo zusammen,

da ich das Thema doch des öfteren lese, wollte ich mal zu ein paar Gedanken anregen. Einige sind der Ansicht, dass es schlecht sei und setzen es mit (Haushalts)zucker gleich. Ich möchte hiermit gerade diese Ansicht doch mal aufgreifen und etwas näher beleuchten.

Übrigens genau die selbe Argumentation findet man auch oft und gerne in Deguforen.

1) Melasse = Zucker
Richtig ist, Melasse ist ein Nebenprodukt der Zucker-Herstellung. Es besteht bis zu 50% aus Zucker (andere Quellen erwähnen 48% Zucker, in der Industrie dagegen wird das meines wissens noch weiter differenziert und die Melasse in verschiedene Produkte aufgeteilt). Der Rest, so ist dem Lexikon zu entnehmen, sind Eiweiss (ca. 0,5% ) und der Hauptteil ist dann Rohasche (= Mineralien).

2) Melasse ist unnatürlich
Naja, wie mans nimmt. Es ist ein bearbeitetes Produkt (bzw. Nebenprodukt), sicher billig und daher für die Tierfutterproduktion interessant. Es gibt aber sicher Schlimmeres zumal auch die Menge eine Rolle spielt. Und damit wären wir bei...

3) Melasse in Pellets (ja da kommt sie bekanntlich häufig vor) ist schlecht
Wie schon angesprochen, die Menge macht es aus. Ich hatte mal für das Deguboard vorgerechnet, wieviel diese tatsächlich von den Pellets ausmacht. Es waren da 3% Melasse drin und wenn dann maximal die Hälfte Zucker ist, dann sind wir gerade mal bei 1,5 % (zum Vergleich, ein Apfel hat 15% Zucker, eine junge süsse Möhre bis zu 6 % )... da täten mich also Getreideprodukte, Nebenerzeugnisse, insbesondere Weizenprodukte (Gluten) oder auch Luzerne (Phytooestrogene, Lectine, etc.) mehr beunruhigen (edit: sehe gerade im Deguboard-Thread hatte ich nicht geantwortet - war wohl woanders demfall, aber hier ist er: http://www.deguboard.de/ftopic3914.html ).

Kurz, wer die Pellets anhand der Melasse zerreissen möchte, sucht sich besser ein anderes Kriterium. Und auch bei Pellets wiederum macht die Menge das Gift. Auch ich füttere ab und zu Pellets, wenn ich wieder mal ein neues Futter teste, mische das dann halt einfach unter das Futter. Extra kaufen würde ich diese Futter nie, aber ich dokumentiere halt die Futtermittel für die Wiki und da orientiere ich mich halt auch etwas am durchschnittlichen Halter, was der so im Handel bekommt.

Edit2:
Noch was, ich bezog mich beim obigen Futter extra nur auf die Pellets und nicht auf das gesamte Mischfutter, da das m.E. realitätsnäher ist (auch wenn die Rechnung andersrum besser aussehen würde, aber solches Mischfutter ist nun mal zu Getreide- und Weizenlastig... da sind Probleme auf die Dauer vorprogrammiert). Wenn schon Sämereien, dann ein guter Mix, der auch Wildsaaten enthält, Getreide lieber wenig, insbesondere Weizen. Aber dazu müsste man vielleicht auch noch was schreiben. Und auch da, wären die Sämereien eine Ergänzung... also man kann es drehen und wenden wie man will, mit den Sämereien bzw. Getreide verhält das Futter und der Vergleich so oder so nicht.

Autor:  Johnny99 [ 08.02.2008, 03:31 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Melasse

Hier ein kurzer, weiterführender Infotext: http://www.hippolytshop.com/futterjourn ... elasse.htm

Auch ich kenne Angaben um 5% Melasseanteil in Pellets... Da sind die ca. 30-40% Luzernegrünmehl schon interessanter.

Wahrscheinlich würden die Presslinge noch mehr davon enthalten, ist ja billig, wenn die Biester bei höheren Anteilen nicht die Aufnahme verweigern würden. :)

Weißt Du was mal wieder sehr angenehm ist? Sowas zu lesen: Phytooestrogene, Lectine, etc. Warum? Weil die Standard-Chin-Foren-Floskel an dieser Stelle lauten würde: Luzerne (pur/zusätzlich) würde ich nicht geben, da ist zu viel Eiweiß drin. Mir ist es zu spät - oder zu früh? - darauf einzugehen, deshalb nur kurz: :x

Wir hatten ja die Königin der Futterpflanzen schon mal in Pelletanalyse der anderen Art...:

Zitat:
Luzerne

Da hätten wir:
- Saponine: oberflächenaktive Eigenschaften, Hämolyse, Anti-Vitamin D-Wirkung, Tympanie
- Photosensibilisierende Substanz (PhS): Photosensibilität (Entzündung weißer Hautbezirke nach Sonneneinstrahlung)
- Isoflavone (Phytoöstrogene): Fruchtbarkeitsstörung (auch Pseudobrunst)


Und auch im DeguBoard hats Murx erwähnt: http://www.degupedia.de/forum/viewtopic.php?t=145

Auch interessant: Es war mal Mode bei vetpharm zu schauen, was toxisch ist. Wurde da was nur als schwach giftig gelistet, war es sofort bähbäh! Die Giftigkeit - ok, in Ausnahmefällen - von Luzerne störte keinen. Kein Wunder, was wären die Alternativen/Konsequenzen?

Aber sorry, hier gehts ja um den braunen Saft, der Wunder schafft. ;)

Autor:  Murx Pickwick [ 08.02.2008, 10:43 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Melasse

Das Problem der Melasse ist eigentlich nicht der hohe Saccharoseanteil (Zucker <> Zucker, je nach Darmschädigung sind komplexe Zucker wie Saccharose bähbäh oder eher eben Einfachzucker wie Fructose bäbä), sondern vielmehr daß die Saccharose frei liegt. In frischen (nicht getrockneten!) Pflanzen dagegen sind solche Zucker zu einem sehr großen Teil an größere Moleküle gebunden, sei es zum Transport, wo die Zucker regelrecht an Transporter angehängt werden, damit sie dahin gelangen, wo sie gebraucht werden, sei es an Zellwänden, in speziellen Strukturen zur Speicherung oder sonstwie ... durch mechanisches Zermahlen a la Kauen können eigentlich fast nur die gespeicherten Zucker- und Stärkemoleküle rausgelöst werden und sind dem Angriff der zuckerabbauenden Enzyme ausgesetzt. Ein großer Teil ist selbst im Dünndarm immer noch so verpackt und gebunden, daß sie erst (bei Stopfdarmtieren) im Blinddarm ausgelöst und von den dortigen Bakterien vollständig zerlegt und verwertet werden können.

Es ist also eigentlich wurscht wie piepe, ob ich nun melassehaltige Pellets oder melassehaltige getrocknete Möhren verfütter ...
(das ist nämlich das Mißverständnis, was immer wieder auftaucht: Melasse ist nur der eingedickte stark saccharosehaltige Saft diverser Pflanzen, wenn ich Möhren mit einem hohen Saccharosegehalt trockne, enthalten diese logischerweise auch einen eingedickten stark saccharosehaltigen Saft = Melasse!)

Und hier haben wir dann schon eine elegante Erklärung für die Beobachtung, daß durch geringste Mengen Melasse beim Menschen Diabetes gefördert werden kann, beim Genuß frischen Zuckerrohrs oder frischer Zuckerrüben jedoch nicht ...

Auf verdauungstechnischer Ebene läuft das Ganze noch komplexer ab, denn die meisten Säuger haben im Speichel Enzyme, die Stärke in Mehrfach- und Zweifachzucker zerlegen können. Diese können nur die freien Stärke- und Zuckermoleküle angreifen, in frischen Pflanzen also fast nur die gespeicherte Stärke und den gespeicherten Zucker. Das kann übrigens jeder selbst ausprobieren, man nehme Getreidekörner und kaue auf denen stundenlang rum, nach und nach wird dieser gekaute Brei immer süßer ...
Untersucht man nun gemahlenes, mit Wasser gemixtes Mehl aus diesen Körnern, kann man viel Stärke nachweisen, untersucht man den stundenlang durchgekauten Nahrungsbrei aus diesen Körnern, ist der Stärkenachweis lange nicht so positiv, dafür kann eben viel Zucker nachgewiesen werden.

Es ist also wurscht, ob ich nun Getreidekörner verfütter, Pellets oder getrocknete Möhren, im Magen kommt in jedem Fall Saccharose an ...

Spätestens im Zwölffingerdarm werden nochmals Enzyme zugesetzt, die die Zucker noch weiter abbauen - im folgenden Dünndarmabschnitt kommt also, egal ob es sich vorher um Stärke oder Saccharose gehandelt hatte, nur noch die Einfachzucker an: hauptsächlich Fructose und Glucose ...

Sind nun im Dünndarm irgendwelche Bakterien drin, die da eigentlich nicht reingehören, freuen die sich über den gut vorbereiteten Zucker und futtern den auf ... Folge sind Blähungen und Darmwandschäden durch die Ausscheidungsprodukte der Bakterien.

Sind im Dünndarm nur sehr wenige Bakterien oder sogar gar keine Bakterien, werden die Einfachzucker von der Darmwand aufgenommen und führen dazu, daß Insulin ausgeschüttet wird, um den ansteigenden Zuckerspiegel im Blut wieder zu senken. Und hier kommt es einfach drauf an, ob die jeweilige Tierart nun an Zucker angepaßt ist oder nicht ... Mehlsaatenfresser kommen gut damit zurecht, die futtern ja eh Stärke in Reinstform, die eh im Dünndarm als Einfachzucker ankommt und eh irgendwie möglichst schnell verarbeitet werden muß. Beutetierfresser wie Katzen und Frettchen überlasten auf Dauer ihr Insulinsystem und bekommen Diabetes, es scheint so zu sein, daß das auch für eine ganze Reihe von trockenbewohnenden Pflanzenfressern der Fall ist (d. h. wenn hier überhaupt die richtige Diagnose vorliegt und nicht vielmehr eine Nierenschädigung durch Weizengluten, Glutamat oder ähnlichem vorliegt und die für Diabetes gehalten wird ... am lebenden Tier ist die Nierenschädigung nur schwer von Zuckerkrankheit zu unterscheiden)

Aber das ist dann immer noch nicht alles ... denn die Durchlässigkeit der Dünndarmwand für Nährstoffe wird durch eine ganze Reihe von weiteren Molekülen beeinflußt. Und hier begeben wir uns auf schwankenden Boden, denn es sind bisher nur wenige dieser gegenseitigen Beeinflussungen überhaupt wissenschaftlich beschrieben ... so zum Beispiel die Aufnahme von Fructose, die durch Glucose gefördert wird. Sie kann durch Anwesenheit von Glucose nämlich durch mehr Transportersysteme durch die Darmwand geschleust werden wie nur durch das für Fructose zuständige Transportersystem.

Und hier schlägt Melasse richtig zu! Selbst in geringen Mengen im Essen von unter 1% läßt es den Insulinspiegel des Menschen weitaus höher steigen, wie ein weitaus höherer Saccharosegehalt in frischem Obst und Gemüse! Deshalb sind frische Möhren kein Problem für Diabetiker, getrocknete Möhren dagegen sehr wohl!

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